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Donnerstag, 5. September 2019

Der versprochene Totalitarismus

Keine Politik in der Demokratie, die nicht mit dem Anspruch auftritt, geht es um Stimmenfang bei Wahlen, sie würde "verändern". Ja, die Parteien überbieten sich mit der Versprechung, daß nun alles anders würde. Das war 2016 nicht anders, als es um die ÖVP - FPÖ - Konstellation ging, und beide Parteien versprachen: Mit uns wird sich alles ändern.

Betrachtet man aber die wichtigsten Grundpfeiler eines Staates, und die Geld- und Schuldenpolitik gehört da an ganz vorderster Stelle dazu (denn zu anderer als "Wirtschafts- und Wohlstandspolitik" fehlt ohnehin jeder Mut), stellt man wieder und wieder fest, daß diese Politik auf völlige Unveränderlichkeit setzt. Ja, sie zementiert diese Unveränderlichkeit sogar noch ein.

Wie auch die jüngst vergangene Regierung der ÖVP - FPÖ. Die im Jahre 2017 eine Staatsanleihe aufgelegt hat (also einen Kredit aufnimmt), die erstmals in der Geschichte sogar schon auf hundert Jahre Laufzeit ausgelegt war. Über diese Frist also soll der Zeichner solcher Anleihen davon ausgehen, daß sich NICHTS ändert, daß alles bleibt wie es ist. 

Wobei er mit etwas rechnen muß, das denn doch seltsam anmutet, aber so überhaupt nicht überrascht: Er muß damit rechnen, daß sein investiertes Geld über diese hundert Jahre über die Hälfte seines Kaufwertes einbüßt. Denn mit zwei Prozent jährlicher Inflation gerechnet, wird jeder, der da hundert Euro verleiht, im Jahre 2017 nur noch vierzig Euro an Kaufäquivalent zurückerhalten. Da braucht es aber gehörige Chuzpe, auf so lange Frist derartige Stabilität zu versprechen. Denn wenn man die vergangenen hundert Jahre hernimmt, dreht es sich einem im Kopf, was sich da alles verändert hat. Aber heute scheint man damit zu rechnen, daß sich hundert Jahre nichts oder wenig ändert. Außer das, was vorhersehbar war: Daß die Bürger enteignet werden, denn einen anderen Weg, um derart hohe Staatsschulden zurück zu bezahlen wie unsere Staaten sie haben, gibt es ohnehin nicht.

Hundert Jahre muß also die Politik alles tun, damit sich im Wesentlichen nichts ändert. Hundert Jahre muß im Wesentlichen alles beim Alten bleiben. Ob eine Partei einmal mit diesem Werbespruch bei einer Wahl antritt? "Mit uns bleibt alles beim Alten, außer die Höhe der Steuern - hundert Jahre garantierter Stillstand!  Wählen Sie uns!"

Aber noch einen Widerspruch produziert so eine Finanzpolitik. Er ist nicht weniger auffällig. Solche Anleihen sind nämlich eine "Verschuldung im Inland". Alleine die Österreichische Nationalbank (für die natürlich der Steuerzahler haftet) hält über ein Viertel der gesamten Staatsschuld. Mindestens. Das sind gut und gerne fünfzig Milliarden Euro. Einen nicht näher bekannten, aber vermutlich sogar noch höheren Anteil halten dann österreichische Banken, Versicherungen, Unternehmen und öffentliche Institutionen. Zum Teil sind sie alle sogar verpflichtet, und zwar per Gesetz, Staatsanleihen zu halten, man denke allein an Pensions- und Abfertigungsrückstellungen. 

Während also die Politik um die Scheinprosperität der Wirtschaft aufrechtzuhalten eine fast panische Flucht in eine Internationalisierung der Wirtschaft angetreten hat - alleine in den letzten wenigen Jahren wurden Freihandelsabkommen abgeschlossen - mit Japan, Kanada (CETA), Südamerika (Mercosur), Eurasienpakt ... nur das TTIP konnte vorerst abgewendet werden, weil es bekannt wurde und plötzlich Widerstand erregte, wird es aber auf Dauer sicher nicht bleiben - die die Steuerung des Schicksals des letzten Arbeitnehmers und Firmeneigners und Investors in Österreich von einem abstrakten Geschehen abhängig macht, auf das wir so gut wie keinen Einfluß haben werden, und völlig außen liegt. 

Zugleich aber betreiben wir eine Finanzpolitik, die das Tragen der Folgen - Steuern nicht weniger wie Schulden - von jedem internationalen Geschehen ABKOPPELT. Was immer also geschieht, wir werden es völlig unabhängig vom Weltgeschehen, aber auch sogar unabhängig von den Weltmärkten tragen müssen. Die uns dennoch - und zwar in dem Maß mehr, als sich die Volkswirtschaften verflechten - vorgeben, was wir wie zu tun haben.

Wie nennt man das? Verantwortliches Handeln, das nur entscheidet, wenn und soweit die Entscheidungsgrundlagen halbwegs absehbar sind? Oder nennt man das nicht spekulieren, oder noch schlimmer: Hasardieren? 

Nicht nur das. So ein Hazard auf allen Ebenen wird erst dann "verantwortlich", wenn von Regierung zu Regierung das immer fester gezurrte Band der Unveränderlichkeit als oberste Maxime weitergegeben wird. In dem genau das Gegenteil von dem gemacht wird, was derzeit alle so groß im Mund führen und als verabscheuenswert anprangern: Jugend und Zukunft belasten.

Nein, auch das ist zu wenig. Auf so lange Fristen kann nur jemand bauen, der keine Skrupel hat, die Bedingungen unveränderlich einzufrieren. Und das, werte Herrschaften, ist nichts als ein Versprechen auf einen totalitären Staat. Der die Macht hat, zumindest im eigenen Land alles mit eiserner Faust zu steuern, wie es ihm beliebt.