Teil 2)
Warhols
Pop-Art hat - und das war seine historische Bedeutung - die Avantgarde
beendet, ja ermordet, die über hundertfünfzig Jahre einen oft heroischen Weg der
Suche nach neuen Wegen gegangen war. Mit Warhols Pop-Art (auch
Lichtenstein ist zu nennen) hob sich die traditionelle Kluft zwischen der
hohen Kunst und der Alltagskultur auf. So, wie es Bowie in seinem
Bereich ebenfalls gemacht hat. Warhol hatte zur Folge, daß die
Avantgarde es ihm gleich machte, und Vorhandenes verfremdete und
zerstörte. Aber das war nicht mehr Avantgarde! Denn diese muß immer
einen (hohen) Preis kosten, muß Frucht einer schöpferischen,
durchlittenen Qual am Gewesenen sein, nur so hat sie inneren Wert. So
aber wurde alles nur noch Spiel mit den Galerien, den Moden und
Kunstmärkten.
Darin
sind auch die Eliten in einen abscheulichen Provinzialismus gestürzt.
Alles begann in political correctness und Klischees zu ersticken.
Wirklich Neues gibt es seither in der Kunst nicht mehr. Die Kreativität
ist aber in andere Bereiche abgewandert, in Animationsfilme, in die
Entwicklung von Computer-Spielen und ins Industrie-Design. Dort hat sie
auch bei ihren Studenten noch Konzept und formale Gestaltung gesehen,
die aus der traditionellen bildenden Kunst aber geflohen ist.
Interessant
sind ihre Ansichten über die Rolle der Freien Rede, auch und gerade in
einer Demokratie. Sie meint, daß es ohne freie Rede Demokratie gar nicht
geben kann, und die Tatsache, daß sie aus den Universitäten
verschwunden ist, ist ein regelrechter Skandal. (Aber wie soll es sie
geben, wenn die "neue Moral" alles zensiert wissen will?) Der die
Korrumpiertheit der Verwalter-Klasse beweist, die die Universitäten dazu
benutzen, ihren Interessen zu dienen. Die Fakultäten haben jede Macht
verloren, ihre Programme selbst zu gestalten, sondern werden von
überbezahlten, allmächtigen Verwaltungsbossen gesteuert. Sie sind die
eigentlichen Antriebe hinter der Versumpfung der Universitäten in
political correctness.
Aber
auch unter den Professoren ist eine schreckliche Entwicklung
festzustellen. Sie begreifen oft nicht mehr, daß die Klasse, vor der sie
stehen, nicht ihr Versuchslaboratorium für ihre persönlichen
Ideologievorlieben sind. Sie unterscheiden nicht mehr zwischen ihrer
Meinung (die man natürlich auch äußern kann oder soll, keine Frage, aber
als solche erkennbar!), und dem eigentlichen Stoff, den sie vortragen
sollen. Dem gegenüber jeder Student die Freiheit haben muß, jede,
wirklich jede Position einzunehmen, die ihm richtig erscheint. Paglia
findet es schockierend, daß stattdessen die Lehrenden immer mehr dazu
übergegangen sind, den Studenten ihre Sichtweisen aufzuzwingen, ja sie
damit zu tyrannisieren.
Das
hat damit zu tun, meint Paglia, daß jede Idee, jeder Maßstab verloren
gegangen ist, wie Bildung und wie universitäre Lehre auszusehen habe.
Und sie sagt das, obwohl sie selbst sich als Feministin bezeichnet, die
seinerzeit auf Yale sogar die einzige war, die den Mut hatte, über Geschlecht zu
dissertieren - aber das Übel begann mit den Gender-Studienrichtungen.
Die mit einem Fingerschnipsen der Verwaltung über Nacht eingeführt
wurden, in welchen Wiedergutmachung für die vormalige Ausgrenzung oder
Unterrepräsentanz von Frauen an vielen Fakultäten geleistet werden
sollte. Zuerst war alles nur eine Schaufensteraktion, in der man nach
außen signalisieren wollte, daß man nun alles besser machte. Also
schaufelte man Geld zu einigen Frauen und bedeutete ihnen, sie sollten
nun einfach ihren eigenen Weg finden, "Frauenstudien" zu schaffen.
Damit
erfand man von heute auf morgen einen Studienzweig, der aber viel
konzeptionelle Vorüberlegung gebraucht hätte. Was an Ausbildung sollte
angeboten werden, was sollte an Wissen über Anthropologie,
Sozialgeschichte oder Biologie vermittelt werden. Gerade Letzteres! Denn
heute fragt man sich wie es möglich war, "Gender-Studiengänge"
anzubieten, ohne irgendeinen Bezug zu Biologie zu etablieren!? Heute
kann man "Gender" studieren, ohne auch nur ein Semester
Biologievorlesungen besucht zu haben! Stattdessen erklärt man Biologie
für irrelevant für das Thema. Man hat nicht einmal einen verbindlichen
Lektüre-Kanon festgelegt, den jeder Studierende kennen muß.
Die Folgen waren vorhersehbar: Heute sind die Gender-Fakultäten so etwas wie das Politbüro der Universitäten.
Und die exzessivsten Ansichten der Gender-Studien sind ins reale Leben
übergeschwappt. Das hat - nicht zu Unrecht - dazu geführt, daß sich
weltweit (Paglia nennt Ungarn) Widerstand regt und Gender-Studien von
den Universitäten verbannt werden sollen, weil sie kein universitäres
Fach, sondern Ideologie sind. Das entspricht genau ihren Beobachtungen,
meint Paglia: Wenn die Linke Probleme nicht sehen will, sondern unter den
Teppich kehrt, tauchen die in den Untergrund ab, und schlagen über die
Rechten als Gegenkraft zurück.
Das
gilt auch für die Medien, die dazu neigen, linke Fehler zu verschweigen
und Meldungen dazu zu unterdrücken. Die damit sogar rechten Extremismus
regelrecht produzieren. Sie bezeichnet sich als Demokrat (Clinton), aber
sie war nicht überrascht, daß Donald Trump die Wahlen gewonnen hat. Die
Linke hat es ihm nämlich leicht gemacht, weil sie ihre Fehler (man denke an
die Verbindungen zu Goldman Sachs) verheimlicht statt
angesprochen hat, Dinge gemacht und zugelassen, die ihren vorgeblichen
Idealen widersprochen haben - und das ist ihr auf den Kopf gefallen.
Auch
die Art der TV-Shows ist da wenig förderlich. Sie leben von einer
Inszenierung, in der sie unbedingt Konterparts wollen und aufbauen. Noch
vor einigen Jahrzehnten war es möglich, in einer öffentlichen
Diskussion jedes Argument zu bringen, das angebracht schien. Heute wird
alles sofort in eine Schublade gesteckt, und nur diese muß man dann
bedienen. Das ist einer Diskussionskultur, die letztlich doch auf "gute
Ideen" oder gar "Konsens" abzielen sollte, absolut tödlich. Heute weiß
jeder schon (oder gibt vor zu wissen) was jemand sagt, da hat der noch
nicht einmal seinen Mund aufgemacht.
Dabei
sind doch die meisten Standpunkte der Menschen viel flexibler als man
meint! Die Menschen sind gar nicht so polarisiert und in kindischen
Oppositionshaltungen einbetoniert, wie oft behauptet wird. Das richtet
sich als Kritik vor allem an die Produktionsassistenten (in den USA
"assistant producers"), die mit ihren "dramaturgischen Anweisungen"
diese Polaritätsunkultur eingeführt haben und heute daran festhalten,
weil es angeblich Quote bringt. Sie selbst geht deshalb in keine
Talk-Show mehr. Und der VdZ, der vor etlichen Jahren die gleichen
Erfahrungen gemacht hat, handhabt es genauso. Man kriegt dort eine
Position übergestülpt, und ist nur als solcher dann interessant und wird
(bis hin zu Kameraeinstellungen oder gesteuerten Publikumsreaktionen) nur als solcher dann präsentiert.
Diese
Erfahrungen haben Camille Paglia zur Ansicht geführt - sie ist auch
Professor für Medienstudien - daß der Journalismus in den USA heute
tot und ein stinkender Leichnam ist.
Morgen Teil 3)
*050719*
Unterstützen Sie dieses Blog!
Unterstützen Sie dieses Blog!