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Samstag, 7. September 2019

Wo der Genderismus begann (3)

Teil 3)



Den Abschluß ihres Vortrags bildet eine Stellungnahme zum Feminismus. Sie sei eine Vertreterin des Gleichheits-Feminismus, das heißt, sie glaube an die Notwendigkeit, daß Mann und Frau im beruflichen wie politischen Bereich gleiche Möglichkeiten haben müssen. Daß deshalb systemische Barrieren beseitigt werden müssen, wo immer sie bestehen. Dennoch ist sie strikt dagegen, daß man spezielle "Schutzmechanismen" für Frauen aufbaut! Sie sind immer paternalistisch, patronhaft, verkindlichen die Frauen. Stattdessen müssen Arbeitsplätze als gender-neutrale Zone betrachtet werden, wo Frauen aber aus eigener Kraft, durch eigene Kommunikation, durch eigenes Handeln ihren Platz behaupten müssen. Sie sollen selbst festlegen, was sie zwischenmenschlich tolerieren und was nicht. 

Es gibt für Paglia keinen Grund, warum eine hoch ausgebildete Mittelklasse-Frau behauptet, sie hätte zu wenig "Macht", um etwas zurückzusagen, ihre Meinung zu äußern, oder sich zu beschweren, wenn es angebracht scheint. Das ist Unsinn! Hier benutzen Frauen bestenfalls die feministische Argumentation, um einen Vorteil daraus zu ziehen, aber sie ruinieren ihre Würde und Selbstachtung. Das mag in der Unterschichte noch angehen, wo Frauen oft schon rein von der Bildung her nicht in der Lage sind, sich zu wehren, und Angst haben, ihre Kinder nicht mehr durchzubringen, wenn sie gekündigt werden. Aber nicht bei gut ausgebildeten Frauen der Mittelschichte. Noch schlimmer wird es, wenn die Frauen übergeordnete Stellen einrichten, die dann "Gerechtigkeit" überwachen sollen. 

Als Alt-68erin war es Paglia immer ein Horror, wenn jemand persönliches Leben und Verhalten überwachen wollte! Und jetzt will die Linke und der Feminismus diese ständige Ausweitung der Bürokratie programmatisch? Die Geschichte zeigt, daß genau eine ständig wachsende Bürokratie den Niedergang einer Kultur besiegelte, der dadurch jedes Lebenslicht erlosch. Denn Bürokratie wächst aus eigener Gesetzlichkeit. 

Deshalb bräuchte jede Bürokratie einen inneren Mechanismus, der permanent ihre Größe und ihre Macht zurückstutzt. Das gilt auch für Universitäten. Deren Verwaltung nicht den geringsten Auftrag hat, das soziale und persönliche Leben am Campus zu überwachen und zu regulieren. Dieser universitäre Paternalismus, diese Haltung des ständigen "Händchenhaltens" ist sogar ein Betrug an der sexuellen Revolution der 1960er, die Freiheit und Selbstbestimmung wollte. Man wollte doch nicht diese "Kindermädchen-", diese Ersatzeltern-Figuren an allen Ecken und Enden!

Interessant noch eine Geschichte, die sie im Anschluß zum Vortrag auf eine Frage hin erzählt: Sie hat sich Anfang der 1970er mit Feministinnen geprügelt. Denn sie hat "Under my thumb" von den Rolling Stones verteidigt. Der Text mag sexistisch sein, aber nur in der provokanten Schlagzeile. Denn wenn man ihn genau ansieht, stimmt das gar nicht. Aber das Lied ist Kunst, ein großartiger Song. Daraufhin war sie von einer feministischen Funktionärin bespuckt und beschimpft worden: Ein Lied, das sexistisch ist, könne niemals Kunst sein! Das, so Paglia, sollte man sich auf der Zunge zergehen lassen, denn es ist blanker Stalinismus.* Und damit habe sie auch als Feministin nie etwas zu tun haben wollen. Kunst darf sich niemals solche moralischen, politischen Gesten und Ideologismen leisten!

Noch ein letztes von ihr sei herausgegriffen, es beschließt diesen Bericht, und es sagt viel aus: Sie würde sich wünschen, sagt Camille Paglia, wenn sie einmal eine Feministin anträfe, die aus einer guten, bürgerlichen Familie mit Bildungshintergrund käme. So gut wie alle feministischen Leitfiguren kommen stattdessen aus katastrophalen, zerrütteten familiären Verhältnissen.

Sie würde sich vor allem wünschen, wenn der Feminismus endlich aus der "Anti-Männer"-Ecke käme. Sie würde sich also nicht nur endlich starke, gesunde Feministinnen wünschen, sondern auch solche, die die Freiheit haben, Männer die es verdienen, offen zu bewundern. Die Männer sahen, wie sie sie kannte: Die in den Krieg zogen und für ihr Vaterland kämpften, die im Wald Holz schlugen und Feuer machten, die Frauen respektierten und im Hinterhof Körbe flochten, die wie ihr Vater und ihr Großvater arbeiteten, arbeiteten, arbeiteten, sich für ihre Familien aufopferten und allen alles gaben, was sie geben konnten. Man sollte also nicht ständig, wie heute, auf Bilder von irgendwelchen bösartigen Lumpen starren. Die gibt es überall. Auch unter Frauen.






*Naja, so ganz stimmt das alles nicht. Denn ihre Opponentin hatte auf eine Weise gar nicht so Unrecht: Kunst muß gut, wahr und schön sein. Schön ist aber nicht einfach subjektiver Ästhetizismus, sondern der Glanz des Wahren, das auch ein Gutes ist. Deshalb sind Inhalte von der Formgestaltung nicht einfach zu trennen. Man kann nicht sagen "Was erzählt wird ist scheiße, aber es ist sehr gut formuliert, also ist es Kunst." Wobei nicht selten Kunstkritik - vor allem wenn sie aus kleinbürgerlichem Atem kommt - nicht zwischen dem Weg, einen Inhalt zu zeigen und dem Mittel unterscheiden kann. Das berührt die Frage, ob es in der Kunst möglich ist, "Niedriges, Schlechtes" ALS "Niedriges, Schlechtes" zu zeigen. Das geht, es hängt nur vom Gesamtrahmen ab. Im Roman etwa ist das Gezeigte, also das Gute, Wahre, Schöne letztlich sogar erst das Fazit, also der Schluß!

In dem Fall hat also Paglia auch wieder recht, weil sie ausführt, daß der Text durch den Strophenbau zeigt, daß er mit der Unterdrückung ("Under my thumb") spielt, dabei aber die Ohnmächtigkeit des Mannes darstellt. Der Titel ist nur Provokation.