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Freitag, 13. September 2019

Von Stalin, Hitler, und deutschen Mythen-Verkäufern (3)

Teil 3)



Vieles, was die Geschichtsschreibung der Gegenwart als Versagen der Roten Armee - und damit vor allem Stalins - bezeichnet, ist in Wahrheit also ganz anders zu deuten. Die Zusammenschau heute offenliegender Dokumente von Wehrmacht und Roter Armee zeigen, daß vieles, was traditionell als Versagen der Roten Armee ausgelegt wurde, wie so manche wie eine sinnlose Verzweiflungstat aussehende Konterattacke, in Wahrheit und auf mittlere Frist die deutsche Wehrmacht im Ganzen substantiell und sehr treffend schwächte. Bis sie reif war, gepflückt zu werden. Die Verluste der Wehrmacht in der letzten Kriegsepoche Sommer 1944 bis Mai 1945 waren so hoch, wie in all den Jahren zuvor zusammen. Zufall? Versagen des längst todkranken Führers? Eben nicht. Strategisches Gesamtversagen, vielmehr. Und vor allem: Klugheit Stalins. Den noch 1945 sowohl Churchill als Stalin in privaten (sic!) Briefen an ihre Frauen als äußerst charmanten, klugen, ja liebenswerten Genossen beschrieben haben.

Alleine der Umstand, daß Stalin die Wehrmacht zu ständigen Bewegungen und Umgruppierungen zwang war genial. Denn so schwächte er die Offensivkraft der Angreifer entscheidend. Was man Stalin also als "Vergeudung" und "menschenunwürdige Opfertaktik" vorwarf, ist in Wahrheit (nach den gigantischen Anfangsverlusten) seine einzige und richtige, ja kluge Strategie gewesen.  Ja, selbst eine Armee von einer Million Soldaten (wie in der Ukraine 1941) in die Gefangenschaft zu schicken war in Wahrheit eine kluge, substantielle Schwächung Deutschlands, denn man versorge mal eine Million Kriegsgefangene!* Und genau darin - das so phantastische Groß-Deutschland von 1871 hat sich NIE selbst versorgen können, und kann es bis heute nicht - hat es den Gegner so geschwächt.

Die Wehrmacht im Frühjahr 1942 vor Moskau war nicht mehr dieselbe Wehrmacht, die im Dezember 1941 vor Moskau lag. Sie war entscheidend ausgedünnt, geschwächt, weil logistisch absurd deutlich unversorgbar. Bitte, welcher Idiot schickt eine Armee im Dezember bei erwartbaren minus 20 Grad in Feldblusen in die Schlacht?! In Deutschland hat man als Reaktion die Frauen aufgerufen, Fäustlinge für die Soldaten zu stricken, und ihre Pelzkrägen zu spenden ... klingt das nach Vernunft und Ordnung?

Stalin hat nur den Deutschen nicht den Gefallen einer "Entscheidungsschlacht" geliefert, wie die deutsche "überlegene" Strategie seit Gneisenau und Scharnhorst als Bedingung für einen erfolgreich zu führenden Krieg befand. Und niemand überhaupt je. Kraft der deutschen "überlegenen Strategie und Tüchtigkeit" hat Deutschland seit 1871 jeden Krieg desaströs verloren.  Am Anfang ja, da kostete seine Strategie viele Tote. Aber ab 1944 begann die Rückzahlung. Dann waren die Verluste der deutschen Wehrmacht desaströs. Jede Stunde starben 1944 bereits tausend deutsche Soldaten, Tendenz dramatisch steigend.

Von Anfang an hat die "Operation Barbarossa", also der Angriff auf die Sowjetunion, monatlich drei Divisionen gekostet. Im Durchschnitt. Schon von Anfang an, also ab Juni 1941, war die Wehrmachtsführung nicht mehr in der Lage, die Verluste an Soldaten durch Nachschub auszugleichen. Was wäre also die richtigere Strategie für Stalin gewesen, als die Wehrmacht auszubluten, und auf den geeigneten Moment zu warten, sie zu vernichten? Damit hat er sogar den Krieg entschieden, ja fast im Alleingang geführt. 52 Prozent aller deutschen Verluste an Soldaten entstanden in Rußland.


Ja, sagt Kotkin, die sowjetische Armeeführung hat enorme Fehler gemacht. Aber sie war immer in der Lage, die Verluste auszugleichen, das war die Wehrmacht von Anfang an nicht. Stalin aber war nachweislich von Anfang an in der Lage, den Verlauf des Krieges exakt vorherzusagen.









*Selbst noch im Mittelalter, ja bis ins Barock, hat man genau deshalb die Krankenhäuser VOR die Stadtmauern verlegt. Nicht wegen "Ansteckung", davon wußte man damals ja noch gar nichts. Aber so hat man einen angreifenden Feind über das Mysterium Krankheit, Fluch und Ekel, aber auch über Mitleid und Hoffnung auf milde Behandlung eines selbst bei Verwundung beschwert. Auch deshalb hat man nämlich Verwundete immer sehr barmherzig behandelt. Nicht nur, weil es in den Kriegen früher nur um die Ausschaltung der Kampfeskraft des Gegners ging, dann war der Konflikt beendet.