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Mittwoch, 11. September 2019

Von Stalin, Hitler, und deutschen Mythen-Verkäufern (1)

Da wird es so manchen auf seinem Schaukelstuhl Reihe 6 Sitz 5 zusammenstauchen, aber die Thesen des britischen Historikers Stephen Kotkin (im Video am Ende der Konnotationen), der einige Jahre in der Sowjetunion lebte, um nunmehr die Archive zu studieren, soweit sie schon geöffnet sind, zertrümmern manches, was der gesunde Deutsche so vor sich hinglaubt. Der sich auch hier als kaum mehr als gefundenes Propagandafressen für die Amerikaner sehen und begreifen muß, wo diese zur Glorifizierung ihrer Kraft und Stärke auch die Brillanz der Hitler-Deutschen Wehrmacht ins Mystische aufgeblasen hat. Tatsache ist, so Kotkin, daß der zweite Weltkrieg nicht durch deutsche Überlegenheit von der Sowjetunion gewonnen wurde, daß also der Ausgang des Krieges 1945 "nur" den leeren Räumen oder dem schrecklichen russischen Winter oder sonstiger unerwarteter, ja schicksalshafter Unbill zuzuschreiben war, sondern ... der trotz allem Sonstigen, ja Schrecklichen dem Genossen Stalin zuzuschreibenden Schläue und Brillanz zu verdanken ist.

Es ist viel, was Kotkin zurechtrückt, und er tut es sehr plausibel. Das Studium seiner auf drei Bände angelegten Biographie über Josef Stalin (von denen zwei bislang erschienen sind) scheint angebracht, denn in einigen Youtube-Videos läßt sich bereits vorausahnen, daß sich so manche erhellende Tatsache daraus ergeben sollte, die mit anderen Erkenntnissen - auch über Hitler, auch über das Deutschland zu jener Zeit, insbesondere über seine geistige Verfassung unter und im sogenannten "Nationalsozialismus" - recht nahtlos zusammenstimmen könnte.

Ebenso wie mit der in der heutigen Situation immer deutlicher sichtbar gewordenen, also allmählich Gewißheit werdenden Einsicht in die deutsche Verfaßtheit, die etliche Mythen in Luft auflöst. Geordnetheit, Organisation, Korrektheit, Hitler als inkompetenter, ja idiotengleicher Heerführer ... Mythen. Propaganda. Selbsttäuschung. Nichts davon ist wirklich wahr. Deutschlands Soldaten hätten den Krieg nicht gewonnen, wenn man ihnen die Chance dazu gegeben hätte, wie es oft heißt. Und wenn man sich ein wenig tiefer in die Materie einliest kann man das nur bestätigen. Schon den Krieg anzufangen - und das war auch die Ansicht des obersten Chefs der Wehrmacht, Generaloberst Ludwig Beck, der aus diesem Grund 1938 sogar den Dienst quittierte beziehungsweise von Hitler abgelöst wurde - war der vorhersagbare Anfang vom Ende. Aus Vernunftgründen.

Deutschland war aber mehr noch, und das ist wohl wahr, seit seiner "Gründung" 1871 (und König Ludwig II. wird dem VdZ da heftig Beifall klatschend aus seinem bayrischen Grab heraus zustimmen) ein aufgeblasener, sich ins Uferlose selbst überschätzender, übersteigernder, ja in Wilhelm II. überschlagender Mythos, den die Wirklichkeit nie getragen hat. Es war aber noch mehr. Es war seit je ein Land der Desorganisation, des Kompetenzwirrwarrs, des verworrenen, idealistisch überstiegenen, subjektivistischen Denkens, das einen besseren Eindruck nur mit extremer und ineffizienter Kraftaufwendung herbeikünsteln konnte. 

Man denke heute nur an die Energiewende, wo mit Milliarden, ja Billionen Einsatz ein Effekt herbei illusioniert werden soll, den die Wirklichkeit aus dem Ergebnis realen, politischen Handelns gar nicht hergibt. Man denke an die bedrückende Medienlandschaft, die wie ein "betreutes Informieren" daherkommt, als ginge es um die psychische Korrektur von hundert Millionen Menschen, und die Täuschung von sieben Milliarden Nicht-Deutschen, mit den Deutschen hätten sie es mit Heiligen zu tun.

Kotkin zuzuhören kann hier Gutes tun. Es kann aufreißen, erhellen, ernüchtern, es kann von manchem heilendes weil wohltuendes, Spannung nehmendes Gegengewicht gegen einseitig-angespannte Überlastung eines noch mit dem letzten Schnaufer hochgestemmtes, aber gar nicht gedecktes Selbstbild herstellen. Denn das Selbstbild jeder Gegenwart ist auch - ja vor allem - Produkt des Geschichtsbildes. Und das ist bei uns Deutschen alles andere als ausgewogen. (Klagelied Ende.) 

Die Sowjetunion unter Stalin war im Krieg 1941 bis 1945, dem "Großen Vaterländischen Krieg", wie er in Moskau genannt wird, weit tüchtiger, als die meisten Militärhistoriker uns weismachen wollen. Stalins Säuberungen 1936 bis 1938 haben sogar die vormals so dominante Inkompetenz (man lese doch nur Solschenizyn und sein "August 1914") in der russischen Armee korrigieren sollen. Denn Stalin war keineswegs ein Trottel. Er sah viel, wenn er auch viel desinformiert wurde. 

Denn das Übel der Kommunisten war das Übel aller Propagandisten: Sie glaubten, was sie verkündeten. An anderer Stelle weist Kotkin deshalb darauf hin, daß die inoffiziellen, streng geheimen Protokolle und Dokumente, die er fand, zu seiner eigenen Überraschung DENSELBEN Ton hatten, dieselben Inhalte, wie die Propaganda verkündete. Da war kein "für die da draußen sagen wir so - wir wissen es aber anders". Die kommunistischen Kader und Führer haben unter sich genauso geredet, wie sie es in den Rundfunkansprachen, in Zeitungen und auf Plakaten taten.

In einem anderen Buch stellt Kotkin deshalb den Zusammenbruch dieser einst der USA gleich starken Weltmacht auch als Treppenwitz der Geschichte dar: Gorbatschow und seine Umgebung haben es im Gegensatz zu den Vorgängern nur "ehrlicher" gemeint. Und waren damit den Tücken eines verfehlten, irrigen Welt- und Menschenbildes endgültig auf den Leim gegangen. Den weichen, menschlichen Kommunismus GIBT ES NICHT, an den aber Gorbatschow et al. geglaubt haben. Mit anderen Worten: Gorbatschow war so dumm, wie er aussah. Kommunisten sind so verblödet, wie man sie einschätzt. Das war der Grund, warum der Zerfall der UdSSR so überraschend ohne Weltkriege und Kollateralschäden über die Bühne gegangen war. 

Morgen Teil 2)