Da wird es so manchen auf seinem
Schaukelstuhl Reihe 6 Sitz 5 zusammenstauchen, aber die Thesen des
britischen Historikers Stephen Kotkin (im Video am Ende der Konnotationen), der einige Jahre in der
Sowjetunion lebte, um nunmehr die Archive zu studieren, soweit sie schon
geöffnet sind, zertrümmern manches, was der gesunde Deutsche so vor
sich hinglaubt. Der sich auch hier als kaum mehr als gefundenes
Propagandafressen für die Amerikaner sehen und begreifen muß, wo diese zur
Glorifizierung ihrer Kraft und Stärke auch die Brillanz der Hitler-Deutschen Wehrmacht ins Mystische aufgeblasen hat. Tatsache ist,
so Kotkin, daß der zweite Weltkrieg nicht durch deutsche Überlegenheit
von der Sowjetunion gewonnen wurde, daß also der Ausgang des Krieges
1945 "nur" den leeren Räumen oder dem schrecklichen russischen Winter
oder sonstiger unerwarteter, ja schicksalshafter Unbill zuzuschreiben
war, sondern ... der trotz allem Sonstigen, ja Schrecklichen dem
Genossen Stalin zuzuschreibenden Schläue und Brillanz zu verdanken ist.
Es
ist viel, was Kotkin zurechtrückt, und er tut es sehr plausibel.
Das Studium seiner auf drei Bände angelegten Biographie über Josef
Stalin (von denen zwei bislang erschienen sind) scheint angebracht, denn
in einigen Youtube-Videos läßt sich bereits vorausahnen, daß sich so
manche erhellende Tatsache daraus ergeben sollte, die mit anderen
Erkenntnissen - auch über Hitler, auch über das Deutschland zu jener
Zeit, insbesondere über seine geistige Verfassung unter und im
sogenannten "Nationalsozialismus" - recht nahtlos zusammenstimmen
könnte.
Ebenso
wie mit der in der heutigen Situation immer deutlicher sichtbar
gewordenen, also allmählich Gewißheit werdenden Einsicht in die deutsche
Verfaßtheit, die etliche Mythen in Luft auflöst. Geordnetheit,
Organisation, Korrektheit, Hitler als inkompetenter, ja idiotengleicher
Heerführer ... Mythen. Propaganda. Selbsttäuschung. Nichts davon ist
wirklich wahr. Deutschlands Soldaten hätten den Krieg nicht gewonnen,
wenn man ihnen die Chance dazu gegeben hätte, wie es oft heißt. Und wenn
man sich ein wenig tiefer in die Materie einliest kann man das nur
bestätigen. Schon den Krieg anzufangen - und das war auch die Ansicht
des obersten Chefs der Wehrmacht, Generaloberst Ludwig Beck, der aus diesem Grund 1938
sogar den Dienst quittierte beziehungsweise von Hitler abgelöst wurde - war der
vorhersagbare Anfang vom Ende. Aus Vernunftgründen.
Deutschland
war aber mehr noch, und das ist wohl wahr, seit seiner "Gründung" 1871
(und König Ludwig II. wird dem VdZ da heftig Beifall klatschend aus
seinem bayrischen Grab heraus zustimmen) ein aufgeblasener, sich ins
Uferlose selbst überschätzender, übersteigernder, ja in Wilhelm II.
überschlagender Mythos, den die Wirklichkeit nie getragen hat. Es war
aber noch mehr. Es war seit je ein Land der Desorganisation, des
Kompetenzwirrwarrs, des verworrenen, idealistisch überstiegenen,
subjektivistischen Denkens, das einen besseren Eindruck nur mit extremer
und ineffizienter Kraftaufwendung herbeikünsteln konnte.
Man
denke heute nur an die Energiewende, wo mit Milliarden, ja Billionen Einsatz
ein Effekt herbei illusioniert werden soll, den die Wirklichkeit aus dem
Ergebnis realen, politischen Handelns gar nicht hergibt. Man denke an
die bedrückende Medienlandschaft, die wie ein "betreutes Informieren"
daherkommt, als ginge es um die psychische Korrektur von hundert Millionen
Menschen, und die Täuschung von sieben Milliarden Nicht-Deutschen, mit den
Deutschen hätten sie es mit Heiligen zu tun.
Kotkin
zuzuhören kann hier Gutes tun. Es kann aufreißen, erhellen, ernüchtern,
es kann von manchem heilendes weil wohltuendes, Spannung nehmendes
Gegengewicht gegen einseitig-angespannte Überlastung eines noch mit dem
letzten Schnaufer hochgestemmtes, aber gar nicht gedecktes Selbstbild
herstellen. Denn das Selbstbild jeder Gegenwart ist auch - ja vor allem -
Produkt des Geschichtsbildes. Und das ist bei uns Deutschen alles andere
als ausgewogen. (Klagelied Ende.)
Die
Sowjetunion unter Stalin war im Krieg 1941 bis 1945, dem "Großen
Vaterländischen Krieg", wie er in Moskau genannt wird, weit tüchtiger,
als die meisten Militärhistoriker uns weismachen wollen. Stalins
Säuberungen 1936 bis 1938 haben sogar die vormals so dominante Inkompetenz
(man lese doch nur Solschenizyn und sein "August 1914") in der
russischen Armee korrigieren sollen. Denn Stalin war keineswegs ein
Trottel. Er sah viel, wenn er auch viel desinformiert wurde.
Denn
das Übel der Kommunisten war das Übel aller Propagandisten: Sie
glaubten, was sie verkündeten. An anderer Stelle weist Kotkin deshalb
darauf hin, daß die inoffiziellen, streng geheimen Protokolle und
Dokumente, die er fand, zu seiner eigenen Überraschung DENSELBEN Ton
hatten, dieselben Inhalte, wie die Propaganda verkündete. Da war kein "für die da draußen sagen wir so - wir wissen es aber anders".
Die kommunistischen Kader und Führer haben unter sich genauso geredet,
wie sie es in den Rundfunkansprachen, in Zeitungen und auf Plakaten
taten.
In
einem anderen Buch stellt Kotkin deshalb den Zusammenbruch dieser einst
der USA gleich starken Weltmacht auch als Treppenwitz der Geschichte
dar: Gorbatschow und seine Umgebung haben es im Gegensatz zu den
Vorgängern nur "ehrlicher" gemeint. Und waren damit den Tücken eines
verfehlten, irrigen Welt- und Menschenbildes endgültig auf den Leim
gegangen. Den weichen, menschlichen Kommunismus GIBT ES NICHT, an den
aber Gorbatschow et al. geglaubt haben. Mit anderen Worten: Gorbatschow
war so dumm, wie er aussah. Kommunisten sind so verblödet, wie man sie
einschätzt. Das war der Grund, warum der Zerfall der UdSSR so
überraschend ohne Weltkriege und Kollateralschäden über die Bühne
gegangen war.
Morgen Teil 2)
*240719*
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