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Sonntag, 15. September 2019

Konnotationen zu zwei aktuellen Filmen (2)

Teil 2)



Der zweite Film war "Destroyer" (2018), mit Nicole Kidman. Die den ganzen Film trägt, aber so auf völlig fertig geschminkt worden war, daß man es gar nicht glaubt. Weil es so überzogen wirkt - "Achtung, Aussage!" - daß es offensichtlich eine Drehbuchschwäche kaschieren bzw. direkt eine Drehbuchfunktion erfüllen soll. 
Auch und wieder (wie oft, wenn auch nicht immer, bei Kidman) mit viel method acting, was viele Szenen mit ihr quälend und zäh macht, man möchte ihr am liebsten einen Tritt in den Arsch geben. Diese aufgekochten Gefühle ("viel von nichts", denn etwas ist nur etwas im actu der Beziehung, also in der Geschichte, in der Handlung) sind unerträglich anzuschauen. 

Die die eigentliche Handlung, diesen Träger jeder Geschichte (und Kunst muß erzählen, das hatten wir schon), auch der persönlichen Geschichte der Proponentin, damit ständig das Geschehen unterbrechen, wie in Zeitlupe verzähflüssigen und etwas reinbringen, das man zwar mit "Spannung" verwechseln könnte, aber nur Ärger und Angst ist, daß die Figur über lauter Gefühl das Handeln vergißt. Dem Film hätte also Straffung gutgetan. Das method acting kommt bei Schauspielern freilich auch schon mal dann, wenn die Regie und/oder die Handlung nicht trägt und man "in der Luft hängt", also "irgendwas" spielt. Method acting und die oft sogar schon lächerliche Schwachheit heutiger Drehbücher - das geht irgendwie Hand in Hand.

Aber diese Handlung selbst, die ja immer ein Weg von Punkt A nach Punkt B ist, die sich mit Sinn verbinden, mit sehr vielen Rückblenden, was ich sonst nicht so mag, die diesmal aber in geschickter Verschachtelung mit der Gegenwart dramaturgisch Sinn erfüllen, ist natürlich das Interessante. Nur nicht einfach erkennbar, weil viele Szenen sehr hart sind. Und sogar das wäre typisch für schlechte Drehbücher, oder unsichere Produzenten und Regisseure. 

Auch hier also diese Sünde des Films: Sein Realismus sagt oft zu viel, man vergißt, daß sich Betrachtung im Zuseher ereignen muß, als Eigenleistung, und nur aus Sinn ergibt, der der Boden ist, auf dem alle Bilder in einem aufblühen. Die sind es ja dann, die erzählen. Oder nicht. Aber deshalb ist Andeutung oft viel wirksamer als das Auszelebrieren. 

Ich habe nach einer Stunde überlegt, ob ich mir genau das weiter antue. So viel Häßlichkeit! Häßlichkeit, die keinen dramaturgischen Sinn erfüllt ist überflüssig, genauso wie Sexszenen, die dann gleichfalls häßlich werden. Aber das kann auch mit dem method acting zu tun haben. Dann dazu eben noch die beschriebene szenarische Zähigkeit von Kidmans Spiel, das verlangt Geduld. Die letztendlich dann doch lohnt. Denn am interessantesten ist eben die Gesamtproblematik des Films, auch wenn das in den offiziellen Beschreibungen, die ich im Netz suchte, gar nicht durchkommt und man sie erst langsam erkennt: Schuld. Und die Frage, wie man sie los wird.  

So richtig klar wird das erst gegen Ende der insgesamt 2 Stunden 10 Minuten. Hm, ich kann mich ad hoc gar nicht erinnern, daß auch nur ein Kidman-Film (soweit ich sie gesehen habe) kürzer war. Vielleicht braucht man sie zum Strecken dünner Drehbücher, die auch in eineinhalb Stunden abgedreht wären? Vielleicht hat aber kein Filmkritiker so lange durchgehalten ;-)

Kidmans Figur, eine Polizeibeamtin, versucht nämlich, ihre vergangene Schuld zu bewältigen, und das heißt: los zu werden. Davonlaufen hat auch nichts gebracht. (Nur das kann der Sinn der seltsamen Geschichte sein, den die Tochter am Schluß erzählt, die Geschichte vom sinnlosen Lauf durch den Gebirgswald, einem "Ausflug", ihrer einzigen guten Kindheitserinnerung, was wir natürlich alles andere als ernst nehmen, denn das ist typischer Teenie-Quatsch.) 

Aber das kann man eben nicht ohne ein Absolutes, das vergibt. Der Schluß ist also typisch: Nachdem sie "aufgeräumt" hat, stirbt sie in einer langen Szene im Auto still vor sich hin - angeblich im Frieden, das soll das wohl aussagen, mit ihren gegen den blauen Himmel gerichteten (hellblauen) Augen. 

Wer's glaubt wird selig. So wird man mit Schuld eben nicht fertig, Hollywood, das sehr wohl (und nicht zufällig; im Abspann wird das noch deutlicher: Fast nur jüdische Namen und Produzenten) wieder einmal weiß, worum es in der Gegenwart geht, versucht also auch bei diesem Thema, eine Ersatzlösung anzubieten, die nur im Sentiment besteht, die es jedoch gar nicht gibt. Wie bei so vielen Themen, in den letzten Jahren etwa bei "Lösungen für zerbrochene Herkunfts-Familien", die auf glückliche Patchwork-Konstellation hinauslief. 

Schuld ist DAS Problem der Gegenwart. Seit je, aber heute umso dramatischer, weil jeder Entsühnungsmechanismus der Religion fehlt. Dem Judentum der Opferkult im Tempel, dem Katholizismus das Schuldbewußtsein und die Beichte. So bietet man eine neue Entschuldung an: Tretet der Neuen Moral bei, und schon löst sich die Schuld in Wohlgefühl auf. 

Interessant dabei aber immer wieder diese eine Lösung, die als Vorleistung dazu angeboten wird: Selbstjustiz. Das Fundament dieses Friedens ist also weltimmanent weil psychogen. Wem etwas nicht paßt, wer mit Schuld nicht fertig wird, der soll sich halt selbst, soll seine Maßstäbe und dazu seine Gefühlswelten "verändern". Denn eine objektive Wahrheit, eine objektive Grammatik der Realität gibt es ihnen nicht.