Michel Foucault, der als Ikone des
Postmodernismus angesehen wird, und von dem die fatale Idee stammt, daß
alles menschliche Zueinander ein Kampf um Macht und Vorherrschaft ist,
ist eine der Lieblingszielscheiben von Camille Paglia. Eine Frau, die
ziemlich gescheit ist, und im persönlichen Eindruck gerade auch in
diesem Vortrag wirkt, als schreie sie innerlich nach Gott, verbiete sich
aber als ausgewiesene Atheistin diesen Gedanken. In diesem Zusammenhang
ist die These von Paul C. Vitz noch interessanter, der sich damit
befaßt hat, "woran Atheisten glauben". Und eines seiner wichtigsten
Bücher "Faith of the Fatherless" (Glaube der Vaterlosen), ein Schlüsel
zum Verständnis des Atheismus, nannte.
Foucault,
so Paglia, ist ein glatter Dieb. Nicht einer seiner Gedanken ist
originär, er hat alles zusammengestohlen. Keine seiner Thesen stammt von
ihm, sondern wurde schon lange vor ihm aufgestellt, meint Paglia.
Foucault hat das alles nur zusammengestellt. Und damit Furore gemacht.
Er war offenbar einfach zur richtigen Zeit da, das war alles, und hat
das in seinem (für einen Homosexuellen und Narzißten nicht untypischen)
luciden Sinn für Nachfrage und Beliebtheitsmomente extrem gut
vermarktet.
Mein
Gott, ist die Frau klug. Der Vortrag sei wärmstens empfohlen, er ist
eine Fundgrube von klugen und inspirierenden Bemerkungen, die sie als
einen Überblick über eines ihrer aktuellen Bücher präsentiert. In dem
sie sich mit der Pop-Kultur befaßt.
So
sagt sie, wieder unter Bezug auf Foucault, daß an der Gender-Ideologie
der Gegenwart nichts, absolut nichts neu ist. Die eigentliche
Kulmination des Genderismus hat bereits David Bowie in den 1970er-Jahren
geliefert. Und er hat ihr zu diesem Einfluß verholfen, indem er eine
ganze Generation tief beeindruckt und geprägt hat. Damit hat er dem
Genderismus den Boden bereitet, ja ihn im Alleingang verbreitet. Indem
er mit der neuen Ikonographie der neuen Medienwelt in Film und Musik wie
der Schaffung eines öffentlichen Images als dessen Bezugspunkt perfekt
umgegangen ist. Diese besondere Art des Geschicks teilt er somit mit
Michel Foucault.
Parallel
zu Bowie war aber ein anderer Künstler stilbildend, und darin eine
weitere Gestaltbresche schlagender Vorreiter des Genderismus. Der Name
dürfte vielen unbekannt sein, anders als seine Werke (und die seiner Epigonen) - es ist Tom of Finland.
Der mit seinen homoerotischen Werken den "Lederlook", das Element des
Sadomasochismus in der Schwulenszene also, zum Teil der Populärkultur
machte. Noch bedeutender aber war die Schaffung einer Art Gestalt als
Identitätsangebot für die gesamte Homosexuellen-Szene. Und Identität
"als" Homosexueller ist deren eigentliches Problem*.
Ein
weiteres "Lieblingsthema" (zu dem wir an dieser Stelle vor Jahren
bereits einen Vortrag von ihr brachten) ist das Thema "Bildung". Denn
sie ist tief entsetzt über das, was sie als Hochschulprofessorin über
mittlerweile siebenvierzig Jahre beobachten muß. Das öffentliche Schulwesen ist in
ihren Augen ein einziges Desaster. Dabei hat sie es an der Kunstschule,
an der sie seit vierunddreißig Jahren unterrichtet, noch gut, weil sie die Studenten
in Bewerbungsszenarien aussucht. Dennoch hat sie einen Überblick über
das gesellschaftliche Geschehen, denn auch ihre Studentenschaft ist ein
Kaleidoskop sämtlicher sozialer und gesellschaftlicher Schichten.
Dabei
geht sie so vor, daß sie ihre Lehrinhalte daran ausrichtet, was sie an
den Studenten als Notwendigkeit und Bedarf erkennt, was an Wissen fehlt,
was an Fertigkeiten. Und sie ist "horrified", sie ist schockiert
festzustellen, daß speziell seit zwanzig Jahren Jahr um Jahr um Jahr das Maß
an kultureller Information, das diese Studenten aufzunehmen vermögen und
besitzen, zurückgegangen ist. Auch das, was man als Grundsäulen und
Marksteine der gesamten westlichen Kultur ansieht ist mehr und mehr
unbekannt und verschwunden.
Sie
erzählt eine bezeichnende Geschichte, die ihr vor fünfzehn Jahren passiert
ist. Als sie in einer ihrer Klassen das bekannte Spiritual "Go down
Moses" diskutieren wollte, so, wie sie es die Jahre zuvor auch gemacht
hatte. Lange hatte sie sich in diesem Jahr gewundert, warum die Klasse
einen inneren Widerstand zu haben schien, sich mit dem Text zu befassen.
Bis sie erkannte: Die meisten Studenten wußten gar nicht, wer Moses
war! Die einzigen, die das wußten, waren Afro-Amerikaner mit kirchlichem
Hintergrund.
Der
säkuläre Humanismus hat es geschafft, die Grundlagen unserer Kultur ins
Vergessen zu schieben. Man kann mit heutigen jungen Menschen nicht mehr
über unsere Kultur sprechen, weil sie deren Gerüst gar nicht mehr
kennen. Obwohl sie eine so lange Schulzeit durchlaufen haben. Damit
fällt, kann man sagen, das gesamte kulturelle Erbe weg und muß ungekannt
und unverstanden bleiben. Die gesamte Bibel, dieses großartige,
unübertreffliche Kompendium von Weisheit und Heldenerzählungen und
Schicksalsgeschichten, ist unbekannt, eine gesamte Dimension unserer
Kultur fällt damit weg, mehr noch: Was bleibt von unserer Westlichen
Kultur, wenn die Bibel, wenn der Name Moses wegfällt?
Sie
kennen die Kardashian-Familie, und auf diesem Niveau bewegt sich die
"Bildung". Ihr selbst war es in ihrer Zeit in Yale (1968-72) noch
passiert, daß die Professoren sie als frivol und oberflächlich angesehen
haben, weil sie sich für die Gegenwartskultur und darin vor allem für
Hollywood und dessen Geschichte interessiert hat. Daraus, so war damals
der Tenor, konnte man nichts lernen, weil man ohne Kenntnis der
Grundlagen unserer Kultur daraus nichts erkennen konnte. Nicht einmal
der europäische Kunst-Film der 1950er und 1960er hatte einen anerkannten
Status als relevante Kunst.
Sie
hat Populärkultur immer ernst genommen. Und sie hat sich viel damit
befaßt, sie zu interpretieren und zu verstehen, und daraus Rückschlüsse
auf die Kultur und die Menschen zu ziehen. Sie hat gesehen, daß sich
über diese Ebene Beziehungen zwischen Hochkultur und Populärkultur
finden lassen. Sie war deshalb immer ein Fan von Andy Warhol, der - wie
sie - die (ewige) Schönheit in der Werbung oder im Starkult etwa
erkannte, man mußte nur die Oberfläche entfernen, buchstäblich ein
anderes Licht darauf werfen. (Deshalb wohl die Verfremdungen vorhandener
Photographien der Stars, die Warhol so berühmt gemacht haben, Anm.). Und
sie war glücklich damals in New York seine Kurzfilme zu sehen, die
mittlerweile völlig von der kulturellen Landkarte verschwunden sind. Man
erkennt den Unterschied der Warhol'schen, absurden Verfremdung zu den
Trash-Filmen der Gegenwart gar nicht mehr.
Morgen Teil 2)
*Denn ontologisch gesehen ist Homosexualität keine Identität, sondern genau das Fehlen oder Suchen nach einer solchen.
*050719*
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