Teil 5)
Das
macht es auch völlig logisch, daß die nächste Station der Weltreise
Foxmans Kiew und die Ukraine ist. Denn die Ukraine will sich aus
Rußlands Armen befreien, und braucht dazu den Westen und die USA. Also
läßt auch sie sich auf Anti-Semitismus einschwören, als vermeintliche
Eintrittskarte in Washingtons Strategieüberlegungen. Der Preis sind
einige ukrainische Aktionen gegen Anti-Semitismus in der Ukraine. Und
die außenpolitische Unterstützung Israels. Das geht sogar so weit, daß
sich Juschtschenko ermahnen läßt, hinkünftig zu unterlassen, den
Holodomor (den Hungertod von rund fünf, vermutlich sogar acht Millionen
Ukrainern unter Stalin) der 1920er Jahre mit dem Holocaust zu
vergleichen. Der natürlich schlimmer, eben einzigartig in der Geschichte
war. Und der ukrainische Ministerpräsident nickt tatsächlich dazu, läßt
sich von ADL-Foxman wie einen Schulbuben belehren, und unter Druck
setzen. Ja, sagt er, er wird den Holodomor nicht mehr als Genozid
bezeichnen, und ihn nicht mehr mit dem Holocaust vergleichen.
Eine
ADL-Vertreterin bestätigt nach dem sehenswerten Treffen wörtlich die
Notwendigkeit, auf der "Schuldseite zu spielen". Deshalb darf nichts die
Opferrolle der Juden schmälern. Die Schuld der Väter darf um nichts
verringert werden. Und die Söhne müssen dafür die Verantwortung
übernehmen.
Aber
Shamir möchte sich mit dem gegenwärtigen, nicht mit ehemaligem
Anti-Semitismus befassen. Also wendet er sich Moskau zu. Wo ein
Attentäter in eine Synagoge eingedrungen war, und dort etliche Männer
niedergestochen hatte. Der Vorfall war zur Gänze auf den
Überwachungskameras aufgezeichnet worden. Also hat der Filmemacher sich
mit den Mitgliedern der dortigen Synagoge unterhalten. Ob die sich nun
unsicher fühlten? Und da wird es heftig.
Denn
die Leute dort sagen, daß es in Moskau überhaupt keinen Antisemitismus
gibt! Vielmehr, sagt einer, ist Anti-Semitismus eine bequeme Ausrede für
Leute, die keine Karriere machen, weil sie faul und unfähig sind. Also
rast Shamir sofort nach Kiew, um den ukrainischen Rabbi zu fragen. Der
sagt im Grunde dasselbe.
Und
macht die interessante Feststellung, daß ihm auffällt, daß säkulare,
unreligiöse Juden sich um Anti-Semitismus viel mehr sorgen als religiöse
Juden. Für einen orthodoxen Juden steht Anti-Semitismus gar nicht am
Speiseplan. Jude zu sein bedeutet ihnen ganz einfach, Judaismus zu
praktizieren, der Rest kümmert sie nicht. Sie sind durch die Praxis
Juden, basta.
Aber
jüdische Gemeinden in der ganzen Welt, die nicht religiös sind, haben
im Anti-Semitismus "ihr Ding" gefunden. Endlich haben sie etwas, das
ihnen Identität gibt. Und prompt bestätigt das die ADL-Sprecherin, auf
Punkt und Beistrich. Die Geschichte mit dem ADL und dem Anti-Semitismus
gibt Identität, denn das tut die Religion für nicht orthodoxe Juden
nicht.
Nun
wird der Film immer verständlicher, sein Aufbau erklärt sich. Da war
erst die Indoktrinierung der Jugend, die Zeitungen, die damit Geld
verdienen, und schließlich das Büro der größten jüdischen Vereinigung
gegen Anti-Semitismus, der ADL ... und dem steht die nackte Realität
gegenüber, die ziemlich anders ist.
Was
ergibt sich daraus? Überall Anti-Semitismus zu sehen ist Teil der
jüdischen Identität. Das sagt der Israeli Yoav Shamir in seinem
ausgezeichneten Film "Defamation". Anti-Semitismus ist aber nicht real. Ja, es gibt
ihn gar nicht. Zumindest nicht in der kolportierten Form. Höchstens als
normale, verständliche Reaktion auf menschliche Verhaltens- und
Mißverhaltensweisen gegenüber einzelnen Juden oder Gemeinschaften.
Um
das sagen zu können, werte Herrschaften, muß man wohl Jude sein. Dafür
käme unsereins nämlich in den Karzer, ja vielleicht sogar würde er
geköpft. Wegen Anti-Semitismus, dieses pöhse pöhse Haßverbrechen.
Morgen Teil 6)
*260819*