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Samstag, 19. Oktober 2019

100 Jahre Haß (6)

Teil 6)




Zurück nach Babyn Jar in der Ukraine. Wo am 21. September 1941 in einer Massenexekution 33.771 Juden in nur zwei Tagen ermordet worden waren. Auch Abraham Foxman vom ADL ist dabei. Die verstörendsten Momente aber sind, als Shamir das Gespräch der ADL-Verantwortlichen mit Mitreisenden aufgenommen hat. Das Erschreckende an Babyn Jar, sagt die Frau, sei, daß so etwas heute jederzeit wieder passieren könnte. Das sagt sie wirklich. Vielleicht mit Schwulen. Ihr Mann bestätigt. Deshalb sei es so wichtig, sagt er, Israel zu unterstützen. Die Juden, das meint er wohl, denn der Gedanke ist nicht so einfach nachzuvollziehen, seien der Prototyp jeder Minderheit, egal welcher Art, die gehaßt und verfolgt würde, weil sie der gesellschaftlichen Norm nicht entspräche, und nicht entsprechen könne. Kraft göttlichen Willens, möchte man (nicht ohne Sarkasmus) hinzufügen. Das verunsichert und erzürnt die Mehrheit, die auf Gott wütend sind, aber die Juden (und Schwulen etc.) und deren Glück aus Neid erschlagen wollen. 

Ohne Israel kann es keine Sicherheit für Juden auf der Welt geben. Die Liebe zu Israel ist wie die Liebe zu einem (eigenen) Kind. Nicht ganz so stark wie die zum Ehemann, aber sehr stark. (Wer Juden kennt weiß freilich, daß das eher eine Verlegenheitsaussage gewesen sein muß. Denn die Rolle der Mutter, die Bedeutung der Kinder steht im Judentum äußerst hoch. So hoch, daß als "Jude" nur gesehen wird, wer über die mütterliche - nicht über die väterliche! - Linie ethnische Abstammung nachweisen kann.) Israel ist für die Juden auf der Welt wie eine Versicherung, ein sicherer Ort, an den sie jederzeit zurückkehren können und sicher sind.

Weiter geht es im Film, als Begleitung mit der Gruppe israelischer Jugendlicher, die nach Auschwitz nun Majdanek und Lublin ansteuern. Während sie Chips fressen, wie Jugendliche es eben machen, werden sie mit ernsten Security-Worten und Schreckensfilmen über Majdanek beschüttet. In Majdanek angekommen, hören sie die Gruselgeschichten über Lagerkommandantinnen mit eisenbestückten Geiseln. Dann stehen sie in den halbdunklen Duschräumen, über deren Düsen das giftige Gas gekommen sei. Der Rest von KZ-Häftlingen starb an der unmenschlichen Behandlung. Die Jugendlichen könne mit alledem wenig anfangen. Es wird ihnen sichtlich einfach schon zu viel. Sie fühlen sich deshalb auch schuldig, weil sie die von den Begleitpersonen geforderten Emotionen nicht liefern können. Denn sie sollten das alles sehr sehr ernst und schwer nehmen. Aber sie sehen, sagt eine, täglich viel mehr Schrecken, im Fernsehen, wenn ein arabisches Haus bombardiert wurde oder so. Was soll's, die haben noch viele Häuser.

Szenenwechsel. DePaul University in Chicago. Die ein Buch mit dem Titel "Die Holocaust-Industrie" herausgegeben hat. Worin behauptet wird, daß Teile des jüdischen Establishments auf zynische Weise politischen Nutzen aus dem Holocaust ziehen. Geschrieben hat es Norman Finkelstein, selber ein Jude. Der doch glatt behauptet, daß, um die eigenen Verbrechen an den Palästinensern zu vertuschen, Israel sich so stark auf den Anti-Semitismus konzentriert habe. Damit wäre der Haß auf Israel auf irrationale, psychologische Motive verschoben, der sich nur daraus nähre, daß Juden eben Juden seien. Aber das stimmt gar nicht. 

Der Haß auf Juden kommt daher, daß der Staat, der vorgibt, alle Juden zu repräsentieren, sich in brutale Gewalt verwickelt hat. Es mag schon stimmen, sicher sogar, daß die meisten Menschen den Juden mit einem eigenartigen Gefühl begegnen. Das hat nicht zuletzt damit zu tun, daß die Juden die erfolgreichste, reichste gesellschaftliche Gruppe in den USA sind. Wenn man das erreicht hat, bekommt man die Welt auf einem Tablett serviert. Aber anstatt das zu sehen, sitzen die Juden herum und diskutieren über irrationalen Anti-Semitismus. Das hat etwas, für das man sich schämen sollte. 

Finkelstein hat für seine Theorien schwere Kritik einstecken müssen, von Juden selbst. Er wurde Holocaust-Leugner genannt, ein Jude mit Selbsthaß, und außerdem ein Idiot. Dabei waren seine eigenen Eltern im KZ. Wie sollte er also ein Holocaust-Leugner sein? Es gibt bereits 10.000 Webseiten, die das von ihm behaupten. 

Foxman wehrt sich vehement dagegen, daß behauptet wird, Israels Politik sei der Grund für den "neuen Anti-Semitismus", von dem geredet wird. Das käme von selbstunsicheren Juden. Es ist umgekehrt, sagt er. Man benützt Israel als Rationalisierung der antisemitischen Gefühle, so werde ein Schuh draus. Weil im Großteil der Welt Anti-Semitismus nicht akzeptiert wird, sucht man diese Ausrede dafür, die Gefühle zu rechtfertigen. Das belege die Tatsache, daß jedesmal, wenn ein Konflikt im Nahen Osten ausbreche, in den Israel involviert ist, der Anti-Semitismus meßbar in die Höhe schießt. Denn nun darf er sich - kostümiert - äußern. Der heutige, der "neue" Anti-Semitismus tarnt sich also als anti-israelische Haltung.

Morgen Teil 7)






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