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Dienstag, 1. Oktober 2019

Warum sich die FPÖ nicht durch Ibiza zerlegt hat (1)

Die Wahl 2019 in Österreich ist geschlagen. Die ÖVP unter Sebastian Kurz hat über 37 Prozent, die SPÖ kassiert nun die wahre Niederlage von 2017 und kommt auf gerade mal 21 Prozent, nachdem die Grünwähler wieder zurückgewandert sind und ihrer Stammpartei zu 14 Prozent verholfen haben. Da wird selbst der Grüne Bundespräsident Alexander van der Bellen dazu beigetragen haben, dem im Chaos der Regierungswechsel im Mai 2019 Früchte in den Schoß fielen, die ihm zugerechnet wurden, die aber einfach in der soliden Konstruktion der Republik begründet liegen. Die NEOS werden mit ihren 8 Prozent gut im Parlament vertreten sein, während Spaltpilz Peter Pilz zukünftig und nach 33 Jahren im Parlament als Journalist die letzten Jahre bis zur Pension verbringen wird.

Aber die Frage, die die meisten umtreibt ist, warum es die FPÖ so zerbröselt hat? Sie ist von 26 Prozent im Jahre 2017 auf nun 16 Prozent gestürzt. Als Partei, die bis 2017 und Sebastian Kurz über mehr als 20 Jahre die Themen im Land vorgab, ehe sie ihnen Kurz staatsstreichartig wegnahm. Der Signalreiter dabei war angeblich die Migrationspolitik, die der ÖVP-Hoffnungsträger in sein Boot holte. Und nun einen Spagat ausführt, mit den links-katholischen Wählern so halbwegs ins Reine zu kommen. Denn die Refugees-Welcome-Politik wird maßgeblich von diesen vertreten. Während Kurz versucht so irgendwie einer vernünftigeren Migrationspolitik das Wort zu reden, in der sich auch die Vorstellungen der FPÖ weitgehend wiederfinden.

Wenden wir uns einmal den Argumenten für dieses FPÖ-Debakel zu. Es werden meist zwei Gründe genannt.

1. Die Ibiza-Affäre. Im Mai, zeitgerecht zur Europawahl, kam ans Tageslicht, daß sich Strache samt Adlatus auf peinlichste Art hinters Licht haben führen lassen und sich als das zeigten, was sie sind: Emporkömmlinge mit proletarischem Einschlag. Aber ist an dem, was sie gesagt haben, irgendetwas wirklich so skandalös? Sie haben doch nur ein Sittenbild gezeigt, das man über sämtliche Parteien des Landes drüberlegen könnte. Und die meisten Österreicher, schon gar die meist recht nüchternen FPÖ-Wähler, hat inhaltlich auch kaum schockiert, was unter Alkohol- und möglicherweise Drogeneinfluß ans Tageslicht kam.

Dennoch hatte es Relevanz, das ist unbestritten. Nicht nur weil man sah, von welchen Leuten man hier angeführt werden soll. H. C. Strache und J. Gudenus als FPÖ-Spitze haben aber etwas Verheerendes gemacht. Sie haben die Kronen-Zeitung herausgefordert. Die nun beweisen wollte, daß sie nicht käuflich ist. Daß sie im selben Atemzug, in dem sie bestritt, das zu sein, von einem ÖVP-nahen Investor gekauft wurde, fiel dabei völlig unter den Tisch.

Umso vehementer führte dieses weltweit (gemessen an der Bevölkerungszahl des Landes) reichweitenstärkste Blatt einen Feldzug gegen die Freiheitlichen. Kein Tag ohne einen "Skandal", der angeblich in den Reihen dieser Partei zu finden sei. Kein Tag ohne an der Glaubwürdigkeit deren Proponenten Zweifel zu säen. Und das hat Wirkung gezeigt. Es hat viele verunsichert, die sich nun der Wahlbeteiligung enthielten. Die Nicht-Wähler sind maßgeblich für das Debakel an den Urnen verantwortlich. Aber ist das wirklich der Grund gewesen?

Denn die FPÖ hatte sich nach dem "Ibiza-Skandal" recht rasch konsolidiert und war allen Erhebungen nach mit über 20 Prozent (und wachsend) Wähleranteil wieder auf dem Weg nach vorne, ist sie in der letzten Woche vor dem Urnengang zusammengebrochen. Warum war das so? Wirklich wegen der Strache-Spesen-Affäre, in der die Kronen-Zeitung ihren subjektiven Rachefeldzug gegen die FPÖ, den sie seit Ibiza führte, auf die Spitze zu treiben versuchte, und einmal so richtig ihre Muskeln spielen ließ (und damit Straches Äußerungen auf Ibiza posthoc sogar noch bestätigte, wo er vom politischen Einfluß der Krone sprach), worin ihr die übrigen Blätter und Medien des Landes, zum weit überwiegenden Teil in ÖVP-Hand, gerne assistierten?

Wenden wir uns damit diesem 2. Argument zu, dessen sich auch Norbert Hofer und Herbert Kickl in den ersten Stellungnahmen bedienten. Es sei eine Spesenaffäre konstruiert worden, in der möglicherweise der gewesene FPÖ-Chef H. C. Strache seinen Luxus-Lebensstil über Parteikassen finanzieren habe lassen. Noch ist gar nichts geprüft, noch ist gar nichts bewiesen, nicht einmal geklärt, ob Strache überhaupt einen Luxus-Lebensstil führte (und Spesen werden auch in allen übrigen Parteien nicht zu knapp abgerechnet worden sein), aber der Verdacht alleine habe gereicht, die Unsicherheit voranzutreiben. In der auch viele ehemalige FPÖ-Wähler sogar zur sichereren Option, nämlich zur ÖVP von Sebastian Kurz, wechselten. Gut, damit ist die Hälfte der Verluste, verglichen mit dem letzten Urnengang 2017, zu erklären. Angeblich. Denn ist es wirklich so?

Übersieht die FPÖ nun nicht etwas anderes, nämlich das Wesentliche? Hat die FPÖ nicht ein viel tieferes Problem als die Emporkömmlinge in ihren Reihen, die von Ehrgeiz zerfressen, der heimlichen Schwester der meist doch recht gut gemeinten Verbesserungsabsichten, von der sich kaum eine aufstrebende, junge Bewegung wie es die FPÖ immer noch ist, freihalten kann?

Still und heimlich hat sich in den Augen des VdZ nämlich ein anderes Problem eingeschlichen, das noch kaum bemerkt worden ist. Und das hat mit Kurz zu tun, und das hat mit ihren Inhalten zu tun. Denn große Teile jener Politik, die die FPÖ stark gemacht hat, und die sie alleine vertrat, mutig und fast heroisch gegen sämtliche übrige Parteien, auch gegen die Vor-Kurz-ÖVP, werden nun längst von Sebastian Kurz repräsentiert. Er hat damit der FPÖ viel, wenn nicht das meiste von ihrem Profil geraubt. Sie ist von der ÖVP kaum noch unterscheidbar geworden. 

Die Freiheitliche Partei hat damit ein ganz ähnliches Schicksal erlitten wie die SPÖ, die Sozialdemokraten! Diese beiden sind tatsächlich vergleichbar, die Vorgänge sind dieselben, nur seitenverkehrt gespiegelt.

Und das noch in zwei weiteren Punkten. Deren einer (zurück zur FPÖ) die liberale Wirtschaftsauffassung war, die immer schon einem Hauptklientel der ÖVP, der Großwirtschaft (nennen wir es einmal so), gehört hat. Das ist in den letzten Jahren im Zuge der Migrations-Schwerpunkte ein wenig untergegangen. In diesen Fragen hat sich die FPÖ also kein eigenes Profil zulegen können, hatte es auch nie. Dem VdZ ist nicht bekannt, welche spezifische Wirtschaftspolitik die FPÖ hätte, in der sie sich von der ÖVP unterscheiden würde. 


Morgen Teil 2) Was der FPÖ den Garaus gebracht hat 
war etwas ganz anderes.