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Dienstag, 8. Oktober 2019

Mehr Podcasts bedeuten mehr Dummheit

Die Nachricht ist nicht erfreulich, auch wenn andere das anders sehen mögen. Webwizard berichtet von einer Erhebung in Deutschland, in der eine immer weiter steigende Beliebtheit von Podcasts (im Netz wie im Radio) festgestellt wurde. 35 Prozent aller Deutschen hören mehr oder weniger regelmäßig solche Features. Unter denen ein erstaunlich hoher Prozentsatz (45 Prozent) Politik und politische Themen, und fast 30 Prozent weitere Informationen und grosso modo Bildung zum Inhalt hat. (Der Leser möge selbst die genaueren Daten nachlesen.)

Am liebsten hörten die Menschen, so die Umfrage, Podcasts neben anderen Tätigkeiten. Wenn sie bügeln (wollte der VdZ schon gleich sagen), oder Sport treiben. Die iPhones und ähnliche Geräte ermöglichen das auf bequeme Weise. 

Nun könnte mancher verleitet sein zu sagen, daß das doch toll sei! Die Menschen würden jede "ungenützte" Minute, bei der früher der Kopf frei gewesen sei, dazu nützen, sich im Geiste voranzubringen, nicht wahr? 

Leider ist das genaue Gegenteil der Fall. Und zwar selbst dort, wenn auch in etwas geringerem Maße, wo man meinen könnte, es seien bestimmte Bedingungen erfüllt, wie Konzentration und Ausschließlichkeit des Zuhörens (sodaß also keine Nebentätigkeit erfolge). Warum ist das so? Weil diese audiovisuellen Medien einen Akt vorwegnehmen, den Konsumenten in völliger Passivität verharren läßt, der aber für Bildung und Informierung entscheidend ist. Und das ist die schöpferische Eigentätigkeit.

Hören ist nämlich ein Akt, keine "Zustoßung", in der man sich's bequem machen kann. Das Gehörte kann und darf nur anregen, verlocken, verführen, um dann die Inhalte selbst nachzubilden. Erst so wird das Gehörte zum Besitz, also zur Bildung. Wörtlich sogar, denn in diesem Tun formt sich der Mensch dem Gehörten gemäß. Aus eigenem Wollen, somit auch in eigenem Urteil wird das an die Tür Klopfende eingelassen und zum eigenen Besitz. Dann ist der Hörer (oder Seher, im Sehvorgang, ja in jedem sinnlichen Vorgang ist es nicht anders) auch "informiert", und er ist es im Maß seiner eigenen sittlichen Haltungen. Ob im Gehorsam, dem man zustimmen muß, oder in der kritischen Haltung, die selbst im Indirekten (des Abgelehnten etwa) noch eine innere Formung und Haltung schafft und stärkt.

Somit gibt es nichts, das den persönlichen Kommunikationsakt ersetzen kann, der eine ganz-personale Begegnung ist, die den gesamten Menschen (an seinem Ort) zu einer Haltung auffordert, die dem über Ton und sämtliche Sinneseindrücke eintreffenden Gehalt aufnimmt beziehungsweise darauf in einer ganz personalen Haltung reagiert, die den ganzen Menschen erfordert und damit formt. Als Eigentätigkeit in Freiheit, nicht als Manipulation.

Bereits in geringerem positivem Maß ist noch das Lesen einzustufen, in dem ebenfalls die Inhalte nur durch Aktivität angeeignet weil nachgebildet, ja selbst geschaffen werden können. Von selber liest sich nichts, und ohne eigene schöpferische Phantasie wird kein noch so gut geschriebenes Bild zu einem Bild im Kopf. 

In den neuen Medien aber, in der Form von Ton- oder Video-Konserven, dringt zwar ein Reiz an die Tore des Konsumenten, aber dieser kommt in einer Form, die scheinbar keine weitere Tätigkeit des Rezipienten verlangt. Er muß sich nur "aussetzen". Sodaß man aus Beobachtung durchaus sagen kann, daß sich die Gewohnheit des "Dauertragens von Ohrstöpseln", über die "gehört" wird, wie ein Versuch ausmacht, sich in aller Faul- und Trägheit doch Inhalte quasi "einhämmern" zu lassen. Alles, was man auf diese Weise an Informationen erhält, ist damit aber nicht besessen, sondern wird zu einem "schon gehört" (oder gesehen) haben. Nicht aber zur Bildung.

Wer sich selbst beobachtet wird sogar feststellen, daß bei einem solchen Hörvorgang oft sogar jede weitere innere Tätigkeit ausbleibt. Man ist innerlich meist wie leer, wenn man auf diese Weise "hört", und nur das Geräusch des vom Gerät herangetragenen Tones steht noch im Raum. Das einen "kitzeln" soll, ohne daß man selbst aktiv wird.

Worin sogar einer der Gründe liegt, warum Kinder speziell so gerne Hörkassetten etc. konsumieren. Sie sind innerlich noch ungeformt, und deshalb stehen sie gewissermaßen auf dieser Hörstufe noch "auf Augenhöhe". Jedoch mit einer noch dringlicheren Gefahr: Sie werden weniger oder gar nicht erst zu Hörenden heranwachsen. Weil sie gar nicht mehr lernen müssen, daß ihnen ein Außen den eigentlichen, aktiven, ja geistigen wie geistbildenden Hörvorgang, der eigentlichen Quelle inneren Erlebens, niemals abnehmen kann.

Bildung ist formende Selbsttätigkeit, nicht Berieselung mit Sprache, die Wissen enthält. Oder nicht.

Der immer stärker steigende Konsum von Podcasts (der sich auch bei Youtube- und Webseiten-Erhebungen bestätigt: Immer mehr Besucher solcher Seiten und Plattformen wollen nicht mehr lesen, sondern multimedial versorgt werden) bewirkt somit mit Sicherheit keine bessere Informiertheit oder gar Bildung, sondern er ist sogar Ausdruck eines Desinteresses, das das zu Hörende so sehr abwertet, daß man ihm nicht einmal die Achtung der eigenen Mittätigkeit oder des eigenen Urteils widmen muß. Solcherart aufbereitete Information ist also eine Abwertung der Information (beziehungsweise der Inhalte) selbst, und das umso mehr, je häufiger es angeboten wird. 

Der geistige Genuß, die wirkliche Bildung, die eine Selbsttätigkeit sind, lösen sich auf diese Weise völlig auf. Sie werden ersetzt durch einen "Nervenkitzel" im wahrsten Sinn, den die Schallwelle von alleine erbringen soll.

Dem entspricht eine weitere Tatsache, die aus der Tonträger-Industrie bekannt ist. Der gemäß nämlich die Ausgangslautstärke von Aufnahmen in den letzten Jahrzehnten um oft weit über hundert Prozent gestiegen ist. Der stärkere Schall soll sich selbst den Weg zur eigenen Formierung suchen, und dazu braucht man ihn mit mehr Wucht. 

Das ist der Grund, warum gleichermaßen bekannt ist, daß das Häufige und laute Hören via Ohrstöpsel oder Kopfhörer Taubheit bewirken kann.  Die steigende Lautstärke ist aber nicht der "Grund", sondern die innere Abwendung vom Außen, die diese höhere Lautstärke nötig macht, weil sonst "zu wenig gehört" wird. Sodaß dauerhafte Taubheit sehr häufig Ergebnis einer In-sich-Verschließung ist, die das Außen gar nicht mehr für relevant hält, sodaß man sich ihm zuwenden wollte, um Inhalte in sich zu bilden.




*Sogar Autismus als angeblich jeden zehnten Jugendlichen betreffende "Erkrankung" hat in derselben Problemlage seine Ursachen, und ist deshalb nicht zufällig mit einer Pädagogik eines überversorgten, sinnlich überforderten, emotional aber ungeformten, deshalb so leicht und zunehmend seelisch überforderten Kindes zu tun, das sich in sich abschließt.