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Freitag, 25. Oktober 2019

Wohlstand zum Preis des Selbstverlusts

Es wird gerne argumentiert, daß der kapitalistische Westen es immerhin geschafft hat, die Armut in der Welt am effektivsten zu bekämpfen. Sogar mit Landkarten wird "bewiesen", daß die Armut überall dort am geringsten ist, wo die Märkte "am freiesten" sind. Und damit ist die Öffnung sämtlicher Märkte hin zu globalen Vernetzungen gemeint. Es wird argumentiert, daß also die Beseitigung von Schranken für die Wirtschaft das wirkungsvollste Armutsbekämpfungsmittel ist. Was also könnte gegen den Kapitalismus sprechen?

Wie schon so oft gesagt: Man verwechselt hier "freier Markt" mit "globalem Kapitalismus". Und sieht die Zusammenhänge falsch. Wie schon so oft gesagt: Korrelationen sind noch keine Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge.

Tatsache ist, daß ein globalisierter "schrankenloser" Markt dem mit Kapitalismus gleichgesetzten Westen am meisten, ja eigentlich nur diesem dient. Das stimmt. So wie stimmt, daß die Wirtschaftszahlen für Länder, die mit dem Westen Wirtschaftsbeziehungen auf der Basis schrankenloser Märkte unterhalten, ebenfalls "nach oben weisen".

Tatsache ist aber auch, daß diese Wirtschaftsdaten als Wohlstandsausweise nur ein Drehen an den Schrauben der Wohlstandssimulation sind. Die nicht zuletzt die Bedingungen der Armut voraussetzen, also verlangen, daß sie sich gar nicht wesentlich ändern, um "wohlstandsfördernd" zu wirken. Ohne Niedriglöhne in Pakistan oder Bangladesch oder Kenia wird es keine für diese Länder "wohlstandsfördernde" Wirtschaftsaktivitäten geben. Indien ist ein gutes Beispiel dafür, von wo sich westliche Investoren bereits zurückzuziehen begonnen haben, weil die Produktivität am sittlichen Zustand der Menschen hängt, und der ist miserabel. Mittlerweile ist es so, schreibt E. Michael Jones als Fazit eines Studienaufenthalts im Land, daß trotz der Niedriglöhne die Produktivität niedriger ist als in Ländern mit höheren Löhnen, weil die Arbeitshaltung der Inder, deren Art Arbeiten zu erledigen, so unproduktiv ist.

Nur ein Faktor kann Wohlstand erhöhen, und das ist Arbeit einerseits, und sittliches (kulturelles) Wachstum anderseits. Das ist die Grundlage allen Wohlstands. Länder mit Geld vollzupumpen heißt also noch lange nicht, daß Wohlstand geschaffen wird, der den Menschen eines Landes und einer Kultur wirklich dient. Sondern nur, daß dort bestimmte Erscheinungen des Kapitalismus beziehungsweise des von diesem geprägten Westens möglich werden.

Die unterschiedslose Beseitigung von Handelsbeschränkungen dient nur dem Stärkeren, und das ist der Westen. Nicht "noch", sondern immer. Denn er beherrscht die inneren Strukturen dieser schwächeren Länder. Während diese nur in bestimmten Aspekten an diesem Kuchen mitnaschen können, langfristig aber ihre eigentliche Wohlstandsbasis entscheidend schwächen. Das wird dann eintreten, wenn die momentanen vom Westen als günstig angesehenen Bedingungen wegfallen. Wenn die Rohstoffe ausgebeutet oder aus technischen Änderungen heraus wertlos wurden, wenn die Menschen als maschinengleiche Handgriffe-Erlediger und Absatzmärkte für westliche Produkte ausgebrannt sind. Wenn die Staatsbudgets überschuldet und die Zukunft der Völker so schwer belastet ist, daß sie zu Kapitalsklaven werden, weil auch die demographischen Voraussetzungen zerstört sind.

Sein eigentliches Gut aber kann kein Land schützen, das seine Grenzen bedingungslos öffnet und seine Staatsmacht den Kapitalinteressen unterwirft. Denn der Preis dafür ist die Aufgabe der lokalen Eigenheiten, auf denen alleine dauerhaft Wohlstand und Kultur errichtet werden können. Die im günstigsten Fall zynisch zu Disney-Welten werden, die man in der Freizeit konsumiert. Weil sie deren individuelle, spezifische Art von Kultur bedeuten, ohne die nur Entfremdung folgt, die die seelische Basis eines Landes verdunsten läßt. Und im Endeffekt eine Schichte von Menschen mit Wohlstand hinterläßt, als "Establishment", das im Grunde auch gleich in den Westen fortziehen kann, um dort zu "leben".

Der Rest der Bevölkerung aber wird in das seelische Dunkel einer Selbstentfremdung gestürzt, aus dem ein Entrinnen kaum noch möglich ist. Der schließlich wie im Westen für den Großteil der Bevölkerung nur noch in der Dumpfheit von "Brot und Spiele" endet. Beschwichtigungsdrogen, um das Treiben der Starken zu verbergen, die alles an sich reißen. War Rom in der Kaiserzeit im Wohlstand, weil hunderte Jahre lang die Bevölkerung mehr und mehr von den Reichen ausgehalten und bei Laune gehalten wurde? Nein. Es bezahlte dies sogar mit dem Untergang.

Nicht die Marktwirtschaft hat dem Westen den Wohlstand gebracht! Das ist eine glatte Lüge und ein Mythos, den der liberalistische Kapitalismus in die Welt setzte, um jede Gegenrede gegen das Prinzip des Stärkeren, Skrupelloseren auszuschalten. Es war der christliche Arbeitsethos! Und aus diesem folgte alles weitere.

Die liberalen, völlig freien "Märkte" des Kapitalismus des Westens auf die Welt auszudehnen, heißt nicht mehr und nicht weniger als die Welt dem Treiben immer weniger Kapitalbeweger auszuliefern. Die den Rest der Weltbevölkerung lediglich dafür brauchen, ihre Geld- und Machtmaschinerien zu füttern. Gerade die vielleicht noch akzeptabelste Form des Liberalismus, die österreichische Schule der Volkswirtschaft, weiß am besten, daß dauerhafter, ja substantieller Wohlstand nur aus der einzig wertschaffenden Kraft kommt: Der schöpferischen Arbeit und dem Ethos, der ihr unterliegt. Nur an den statistischen Wohlstandsdaten herumzumanipulieren bringt aber gar nichts.

Es ist doch zynisch, Bangladesch Wohlstandswachstum zu bescheinigen, weil es nun Millionen von Frauen (und oft genug Kinder) gibt, die billig Leiterplatten löten, T-Shirts oder Fußballschuhe nähen und damit nominell "Einkommen" lukrieren. Was nur heißt, daß Wert nur noch hat, was in Geld meßbar ist, also im Wesentlichen nur das Wertgefüge verändert weil umlagert. Es hätte mit Sicherheit auch andere Lösungen gegeben, etwa den Hunger zu bekämpfen. Auch wir werden bald feststellen, wie sehr das stimmt, die wir Produktion um Produktion in Billiglohnländer auslagern und das dann "freier Markt" nennen.

Was man nur erreichte, in dem man tiefe Eingriffe in die psycho-sozialen Strukturen vornahm, wie es gerade im Fall Bangladesch so deutlich erkennbar ist. Wo man es schaffte, über "Aufklärung" vor allem Frauen dazu zu bringen, zu verhüten, sich sterilisieren zu lassen (dafür gab es sogar Prämien), oder Abtreibung als völlig problemlose Post-Verhütung zu sehen, um sich als billige Arbeitskräfte in einen Fabrikationsprozeß in vom Westen gebauten Fabriken ("Auslandsinvestitionen") eingliedern zu können. Heute ist die Fertilität in Bangladesch bereits unter zwei gesunken, vermutlich ein Rekord bei der "Wohlstandsherstellung". Mit den Spätfolgen (wie der demographischen Katastrophe, die unweigerlich folgt!) müssen sie dann eben selber fertigwerden. Sollen Kuchen fressen. Oder sich gegenseitig die Köpfe einschlagen.

Was diese Devastierung der traditionellen sozialen Strukturen langfristig für Bangladesch und seine Menschen heißt, fällt unter den Tisch. Ein Preis, der extrem hoch, der viel zu hoch ist. Dessen "Vorteile" (Hungerbekämpfung ...) nun aber als "Sieg des freien Marktes im Kapitalismus" vorgelogen werden. Längst wird das als "Konzept der Wohlstandsförderung" gesehen und weltweit "angewandt", von der UNO "empfohlen", und von der Weltbank/dem IWF als Bedingung für Staatsfinanzierung durch Kredite gestellt. Denn der "freie Markt" des Kapitalismus braucht identitätslose, beliebig manipulierbare Konsum- und Arbeitssklaven.

Nur Mission, nur der Ethos der Arbeit, wie er das Abendland über "ora et labora" aufgebaut hat und eine grundlegende Umkehr des Sinnes und Wertes von Arbeit brachte, die plötzlich mehr war als Last, deren man sich lieber entledigen würde (und die man deshalb den Dummen oder den Sklaven überläßt), kann auf lange Frist deshalb auch den armen Völkern Wohlstand bringen. Dann aber ist es ein Wohlstand, der dauerhaft ist, und eine Entfaltung zuläßt, die ein Land erst "nach oben" bringt weil das Leben erfüllter und selbstbestimmter, freier macht.




*270819*