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Montag, 14. Oktober 2019

Kritik, die dasselbe tut wie das, was sie kritisiert (4)

Teil 4)


Aber die Medien verändern auch die innere Struktur der Probleme, ja sie schaffen sie regelrecht, und prägen der Bewältigung des Lebens eine technisch-organisatorische Struktur auf. Die immer auf Kosten der persönlichen Freiheit geht. Gerade an ökologischen Fragen sieht man deutlich, wie Probleme von der persönlichen Ebene weg hin zu statistisch-organisatorischen Fragen verlagert wird. Das hat mit der Natur der Medien zu tun, die die Botschaften verändern, und damit auch die Art, wie Probleme gesehen und behandelt werden, weil unsere gesamte Rezeption der Welt verändert wird. Auch in der Rangordnung sieht man genau das: Ökologische Fragen werden höher bewertet als Fragen der individuellen Freiheit, weil sie durch die Medien und der Art, wie sie Botschaften transformieren, zu einem technisch-statistischen Problem werden. 

Die Technisierung und Entwurzelung der Individuen (social engineering) hat über das Zerreißen ethnisch-religiöser, geschlossener Räume in den Innenstädten zur Entwicklung des Vororteproblems geführt, das bewirkt, daß die Menschen immer weiter von der Natur und ihren Vorgängen als Lebensraum entfernt werden, während sich ihre Weltrezeption schon rein quantitativ auf Technik verlegt. Man kann nicht einmal mehr ohne Auto irgendwohin kommen. Damit zerreißt der unmittelbare existentielle Zusammenhang mit der Natur, die ständig wechselt und wechseln kann, aber keine direkte Verbindlichkeit mehr hat. Diese kann nur noch konstruiert werden. 

Ja, das gesamte Leben wird immer mehr zu einer Unterwerfung unter technische, organisierte Prozeduren. Diese verändern uns, und sie verändern die Natur der Lebensfragen, die wir damit zu lösen versuchen. Wir müssen immer mehr die Art der Technik annehmen, integrieren, die Art wie sie denkt. Was als "Verbesserung" beginnt, breitet sich damit zwangsläufig über unser gesamtes Leben aus, das adaptiert werden muß, und weil alles zusammenhängt, alles zu verändern beginnt. Das ist ein Prozeß, der sich spiralenartig mehr und mehr beschleunigt.

Haben wir deshalb unsere gesamten Lebensräume (Städte) nach dem Auto ausgerichtet, so bringt die Handy-Kultur eine noch totalere Anpassung an die Technik mit sich. Wir werden durch das Handy (iPhone) zu einem Teil eines Netzes, in das wir uns integrieren, und dem wir alles anpassen. Unser gesamtes Wahrnehmen von Raum und Zeit verändert sich dramatisch, weil wir wie mit einem Netz verdrahtet sind. Man sieht es etwa daran, daß niemand mehr auskommt, ohne alle zwei Minuten sein Handy zu konsultieren, ob das Netz Aufträge oder Stimuli für ihn hat. Das ist eine Sucht! Mehr noch aber: Während wir selbst (durch Verlust des Selbstbesitzes) ins Chaos versinken, wird das System mehr und mehr notwendig, um uns wieder Ordnung zu geben. Unsere heutige Gesellschaft ist deshalb von diesen beiden Extremen gekennzeichnet: Extremes Chaos - und extreme Systemunterordnung. Jacques Ellul hat genau darauf hingewiesen: Das eine füttert jeweils das andere. Wer sich nicht selbst ordnen kann, schreit nach Ordnung von außen.

Wo immer Medien und Technik auftauchen, beginnen sie, das soziale Leben um sich herum zu gruppieren. Wird eine Straße gebaut, ordnet sich das gesamte soziale Leben darum herum. Als der Fernseher auftauchte hat sich das Leben der Menschen gesamter sozialer Umgebungen, mit allen Bräuchen und jahrhundertelangen Traditionen, über Nacht ausgelöscht. Wenn man heute am Abend durch ein altes Dorf geht sieht man die Straßen, die früher voller Menschen waren, menschenleer, aber überall hinter den Fenstern das Flackern von Bildschirmen. 

Auch die Sprache hat sich völlig verändert. Früher hat jeder Ort, jeder Landstrich quasi seine eigene Sprache gesprochen. Heute ist die Sprache überall gleich weil angepaßt. Kein Wunder, daß sich niemand mehr ausdrücken kann! Bei der Gelegenheit muß man auf den verheerenden Effekt einer Standard-Sprache in Deutschland hinweisen, die von der Zentralmacht eingeführt wurde, und nun alle Menschen gleich machte und gleich (oder gar nicht mehr) denken ließ. Da konnte es gar nicht ausbleiben, daß sich faschistische, nationalistische Strömungen in allen Weltanschauungen bildeten.

Die Gesamtkultur wurde eliminiert (und zur Ideologie), weil sämtliche Partikularkulturen (durch die technischen Netze, durch verordnete Einheitssprachen) verschwanden. Es mag manchem seltsam klingen, aber es war der Nationalstaat, der den Boden für einen globalen Staat vorbereitete, wie er sich heute anschickt zu bilden! Nur macht es die Globalisierung mehr mit Verführung, nicht so deutlich mit Gewalt, wie es im 19. und 20. Jahrhundert praktisch überall in Europa geschehen ist. Aber auch diese neue Zentralsprache, die überall und als angebliches Staatsmerkmal eingeführt wurde, ist ein Medium, das eine Art von Wahrnehmung und Denken aufprägt. 


Morgen Teil 5)


 *250819*