Der Einspruch des VdZ würde kaum hörbar
sein, würde jemand behaupten, daß große Teile der supertollen "Kritik im
Netz" inhaltsleere Spiele archetypischer Konflikte sind, die sich eher
aus Charakterdispositionen denn aus realen, sachlichen Problemen
ergeben. Das anzunehmen legt auch dieses Interview nahe, in dem der
amerikanische Superaufdecker Corbett, der mit täglich neuen Videos (die
gar nicht immer uninteressant sind) den Verschwörungen der Welt auf der
Spur ist (oder auf den Leim geht, was man nimmt, ist Geschmackssache),
die so gar nicht immer Theorie sind.
Ansonsten
ist die Internetkritik dermaßen verworren und widersprüchlich, daß man
sich nur wundern kann, daß sich von so viel hirnloser Meinung so viele
so viel Aufklärung und Information erwarten. Entsprechend bewirkt auch
dieses Interview nur Kopfschütteln. Da spricht Corbett mit Dr. Muhamad Junaid, einem Fachmann für Kaschmir, der in den USA studiert hat und lebt, über die jüngsten
Entwicklungen.
Was
ist passiert? Seit vielen Jahren rumort es in Kaschmir, dieser
nordwestlichen Provinz Indiens, wo eine Mehrheit von Muslimen einer
Minderheit von Hindus gegenübersteht. Weil aber die Hindus das große
(hinduistische) Indien hinter sich wissen, haben sie sich so manche
Eskalation erlaubt, und die Muslime oft genug darauf geantwortet. Aber
es waren die minoritären Hindu, die Massaker angerichtet haben, es waren Hindu, die durch
Kapitalzustrom aus Indien die reale Macht der Hindu so gestärkt haben,
daß sie der Bevölkerungsverteilung nicht entsprach, und oft genug einer
Unterdrückung der Muslime gleichkam.
Was
sogar Pakistan (diese wegen der Religionskonflikte in ganz Indien 1956
erzwungene Ausgliederung aus Indien im Westen, im Osten entstand 1971
aus Ostpakistan bekanntlich Bangladesch) bereits zu verschiedentlichem
warnen sollenden Eingreifen veranlaßt hat. Wie einem Einsatz von
Kampfflugzeugen. Tatsächlich stehen und standen sich dort seit der
Teilung hunderttausende Soldaten beider Länder (und Religionen)
gegenüber, und ein Ausbruch der immer wieder aufflackernden kleineren
Scharmützel und Feuer zu einem großen Krieg war für manche nur eine
Frage der Zeit.
Bisher
war Kaschmir ein Staat im Staat, mit weitgehender Autonomie. Mit der
sollte das Problem der beiden unvereinbaren Religionen regional gelöst
werden. Aber das schien alles andere als zu gelingen. Nun hat deshalb die
Regierung in New Delhi reagiert und durchgezogen. Erst wurde die Zahl
der in Kaschmir stationierten Soldaten der indischen Armee auf eine Million
erhöht, dann wurden sämtliche führende Politiker inhaftiert und jetzt
das Ende der Autonomie verhängt. Jeder politische Widerstand dagegen wird mit vorgehaltenem Gewehr unterdrückt. Kaschmir steht nunmehr nicht nur unter der
Kuratel von New Delhi, sondern wird ab sofort in zwei Verwaltungseinheiten
geteilt. Deren einer ist fortan muslimisch, deren anderer fortan
hinduistisch geprägt. Durch klare Trennung der beiden Religions- und damit Volksgruppen soll der Konflikt befriedet werden.
Narendra
Modi, der Chef der Regierung Indiens, hat damit nichts anderes gemacht
als das Unvereinbare wieder getrennt - zwei Religionen, zwei davon
geprägte Kulturen können nur "nebeneinander" leben und existieren, wenn
sie jeweils einen autonomen Lebensraum haben, der sich mit dem der
anderen Gruppen nicht schneidet. Modi hat also ziemlich klug gehandelt
(er wird doch nicht dieses Blog lesen? Immerhin hat es auch regelmäßig
Zugriffe aus Indien) und das Unvereinbare durch den richtigen Segregationismus, der
durch eine starke Exekutivmacht jeweils geschützt werden muß, von seinen
Reibeflächen befreit.
Die
sich automatisch ergeben, wenn Menschen unterschiedlicher Religionen
auf demselben geographischen Raum leben sollen. Denn unterschiedliche
Religionen sind unvereinbar. Sie sind nur dann (und dann nur scheinbar)
vereinbar, wenn allen die Religion gleichgültig ist. Wie es der
Liberalismus predigt, der Fragen der Identität, der Religion in die
zweite Reihe abschiebt, weil vordergründig angeblich alle Menschen
nur ihr (gleiches) täglich Brot, ihr (allen gleiches) Lammschaschlik und ihr iPhone samt 87
TV-Kanälen wollen. Auf das Niveau von Schweinen herabgesunken, muß nur noch
alles getan werden, um alle auf diesem Niveau der Unsittlichkeit und
Niedrigkeit zu halten. Wer immer mehr sein will, wer immer auf die
verrückte Idee kommt, es gehe im Leben um Sinn, Identität und einen
Auftrag dem Ewigen gegenüber, ist ein Störenfried und muß eliminiert
werden.
Also
meint auch Dr. Junaid, daß diese Segregierung falsch sei. Sie sei
Zentralismus, mit dem man ein so wunderbares Land wie Kaschmir
zertrümmert habe. In dem vor fünfzig, sechzig Jahren Hindu und Muslime
nicht nur friedlich miteinander gelebt hätten, sondern sich auch einer
Lebensweise befleißigt hätten, die praktisch keine Unterschiede
kannte. Bis die Nationalisten kamen, bei den Muslimen nicht weniger wie bei
den Hinduisten, und die Fackel in den Holzstoß warfen, auf dem zuvor doch
alle so satt und durcheinander geschlichtet lagen.
Religiöse
Unterschiede seien erst später hineingetragen worden. Und Junaid macht
die "Rechten" dafür verantwortlich. Denen der kaschmirische Liberalismus
ein Dorn im Auge gewesen sei. Sowohl auf muslimischer Seite wie auf der
der Hindu wäre der Einfluß (auch durch Investitionen) von
nationalistischen Ideologien immer größer geworden. Plötzlich gehe es
überall um Identität - das war doch vorher allen gleichgültig gewesen?
Ehe wir dieser Frage weiter nachgehen, wollen wir aber doch die realpolitischen Aspekte der Entscheidung Modis ansehen. Denn sie kann nicht ohne Pakistan gesehen werden. Das sich nicht zweimal bitten läßt, wenn es um militärischen Einsatz zugunsten der muslimischen Glaubensbrüder geht. Einen nächsten Krieg zwischen den militärisch hochgerüsteten Ländern Indien und Pakistan, beides sind vermutlich Atommächte, hat Modi nun etwas Feuerholz entzogen.
Bleibt noch die Frage, ob Modi tatsächlich zentralistisch gehandelt hat? Das können wir aus unserer Soproner Stube, die Indien nur übers Internet betrachten kann, nicht wirklich beurteilen, würden aber aus allen vorliegenden Fakten sagen: Nein. Nicht in jedem Fall ist nämlich das Einschreiten der Zentralmacht zu verurteilen. Schon gar, weil Indien eher als "Reich" gesehen werden muß, das gewaltige Widersprüche zu vereinen sucht, ohne sie auslöschen zu wollen oder zu können. Und das ist ja die Funktion eines Reiches: Ein Dach zu bilden, das mehrere oder viele lokale Entitäten zusammenfaßt, und Schiedsrichter spielt, wenn es Konflikte gibt. Der VdZ sieht Modi also genau als das, als Schiedsrichter eines Reiches, das Indien heißt.
Ehe wir dieser Frage weiter nachgehen, wollen wir aber doch die realpolitischen Aspekte der Entscheidung Modis ansehen. Denn sie kann nicht ohne Pakistan gesehen werden. Das sich nicht zweimal bitten läßt, wenn es um militärischen Einsatz zugunsten der muslimischen Glaubensbrüder geht. Einen nächsten Krieg zwischen den militärisch hochgerüsteten Ländern Indien und Pakistan, beides sind vermutlich Atommächte, hat Modi nun etwas Feuerholz entzogen.
Bleibt noch die Frage, ob Modi tatsächlich zentralistisch gehandelt hat? Das können wir aus unserer Soproner Stube, die Indien nur übers Internet betrachten kann, nicht wirklich beurteilen, würden aber aus allen vorliegenden Fakten sagen: Nein. Nicht in jedem Fall ist nämlich das Einschreiten der Zentralmacht zu verurteilen. Schon gar, weil Indien eher als "Reich" gesehen werden muß, das gewaltige Widersprüche zu vereinen sucht, ohne sie auslöschen zu wollen oder zu können. Und das ist ja die Funktion eines Reiches: Ein Dach zu bilden, das mehrere oder viele lokale Entitäten zusammenfaßt, und Schiedsrichter spielt, wenn es Konflikte gibt. Der VdZ sieht Modi also genau als das, als Schiedsrichter eines Reiches, das Indien heißt.
Morgen Teil 2)
*210819*
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