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Sonntag, 13. Oktober 2019

Kritik, die dasselbe tut wie das, was sie kritisiert (3)

Teil 3)



Das hat sich darin gezeigt, daß sich unser System in den 1960ern von einem System individueller Schuld dem Sein gegenüber (Beichte, Katholizismus) zu einem System der (durch Verhaltensänderung aber tilgbaren) Schuld an technischen Prozessen war. Mülltrennung. Vegetarismus. Umweltschutz. Klimarettung. Ölkatastrophe. Ständig neue Formen von Ungerechtigkeiten. Alle Sünden waren plötzlich mathematisch auflösbar. "Wenn man so und so viele Bäume täglich schlägert, wie lange würde es dauern, bis alle Bäume des Amazonas geschlägert sind?" "Wenn man täglich so und so viel CO2 ausstößt, wie lange wird es dauern, bis die Welt verdampft?" Die Welt wurde generell zu einem mathematisch ausrechenbaren Problem, und Ethik wurde zu einer mathematischen Operation. Mathematik wurde zum ökologischen Problem.

Gibt es mehr Technizismus?  Mit der Zeit hat sich seit den 1950er, 1960er Jahren ein aberwitziger, technizistischer Kontrollapparat aufgebaut, der sich darauf zurückführt zu meinen, die Probleme der Welt durch mathematisch-strukturierte Technizismen lösen zu können. Moderne pur. Und konnte man dieses eine Problem nicht lösen, suchte man ein anderes, das mit mathematisch-technizistischem Gehabe zu lösen schien. Damit ist eine Form von Öko-Faschismus entstanden, der uns völlig beherrscht.

Eine Graswurzelbewegung ist der Ökologismus nie gewesen. Er hat immer auf Propaganda und Gesamtmechanismen abgezielt, denn "von unten", aus der Wahrnehmung der Menschen heraus, geschah .. gar nichts. Also versuchte (und versucht, heute mehr denn je) man, ständig in das Unten (also in die Bereiche des Einzelnen) direkt einzugreifen, durch ständig mehr Verhaltensvorschriften und -zwänge. ABER wenn man ständig "bewußt" in eine Organisation (Gesellschaft) eingreift, die aus einem inneren, natürlichen Ordnungsdrängen zusammenhält, passiert nur eines: Sie verliert ihre innere Ordnung. Sie wird zum Chaos.

Und zwar nicht, weil hier oder da etwas an den Eingriffen "falsch" läuft. Wie der Technizismus denkt. Sondern weil der Mensch seinem Wesen nach frei IST. Und an diesem Punkt seine Existenz überhaupt erst zu existieren beginnt! (Und wer möchte nicht existieren? Ist das nicht der erste Drang jedes Menschen?) Nicht im Ergebnis, nicht im Großen, nicht im Gesamtbild des Faktischen. Jede Änderung im Großen kann deshalb nur aus dem Zwiespiel von Offenheit gegen ein Gesamtbild der Vorsehung hier, und dem, was der Mensch machen kann, seiner sittlichen Entscheidung dort (also der Ethik, der Moral in deren kultureller Form) sein. Dem Menschen im Einzelnen diese Freiheit(smöglichkeit) zu nehmen heißt deshalb immer, das Ganze ins Chaos zu stürzen. Ein Paradox! Aber die Welt als Geschichte mit Gott, dem Sein selbst, ist eben ein Paradox. Nicht irrational, sondern über-rational.

Jeder Eingriff in einen Organismus durch eine Organisation muß durch noch mehr Organisation kontrolliert und korrigiert werden, um die Natur des Einen, Untersten zu befrieden. Sie muß damit zwangsläufig wachsen. Die Gesellschaft des industriell notwendigen Wachstums wird wie von selbst zu einem System der Kontrolle der Aufrechthaltung eines endlosen Konsums. Und die Notwendigkeit des endlosen Konsums bewirkt die Manipulation der Menschen zu dafür geeigneten Konsumenten. Homosexuelle, sterile, vorübergehende menschliche Bindungen. Sexuelle Befreiung als sexuelle Sklavenschaft. Entwurzelung als Konzept einer technokratischen Gesellschaft, als Konzept der Moderne. Im Endeffekt endet dieses Konzept bei der Beschuldigung des Menschen, überhaupt zu existieren, weil alle Probleme zu verursachen, wenn er Mensch ist. Er kann nur genügen, wenn er aufhört, Mensch - und damit frei - zu sein.

Die Freiheit, die uns noch bleibt - im Wesentlichen ist sie nur noch Mobilität, aber in allen Gebieten, weil Wurzellosigkeit - verlangt schließlich, daß wir uns deren Eigenschaften anpassen. Wir beginnen also, die Sprache der Bewegung zu sprechen, deren Gedanken als Weltgedanken zu akzeptieren. Denn Medien (und Transportmittel sind eben solche Medien) sind nicht neutral. Sie zwingen uns ihre inneren ontologischen, wirklichkeitsrelevanten Gesetze auf. Und die sind nicht ident mit dem logos, mit der Sinnstruktur des Menschen selbst.

Unser Denken wird zu einem Denken, wie das System funktioniert. Denn weil alles mit allem zusammenhängt, durchwirkt dieses nur noch technische Funktions-Denken sämtliche Bereiche unseres Lebens. Das führt zu einem Gleichschaltungsprozeß sämtlicher unserer Lebensbereiche, und muß sich ständig diesen Anforderungen von Neuem anpassen. 

Dieser von der Technik ausgehende Effizienzsteigerungsprozeß beschleunigt nicht nur alle Vorgänge, sondern er beginnt, uns mehr und mehr zu versklaven. Weil wir uns immer mehr von Maschinen abhängig machen. Ideellen Maschinen, oder solchen aus Eisen und Computerprogrammen. Mit den social media sind endlich dann alle Menschen jederzeit koordinierbar, und zwar gemäß technischer Prozesse, die im Grunde beim Stromnetz begonnen haben, und bei den Mobilitätskonzepten eine nächste wirkmächtige Quelle haben, die alles durchstrukturiert. Ellul schreibt deshalb einmal, daß der Fahrplan der Eisenbahn so großen Einfluß auf unser Leben hatte, da sich unser Leben mehr und mehr nur noch daran ausrichtete. 

Die alten Taktschläge übrigens wurden mehr und mehr obsolet, wie Kirchenglocken, die Sonne, der Ablauf der Jahreszeiten, das Wetter, die Feiertage, das Gedächtnis an vergangene Ereignisse, die die Charakteristik von Tagen anzeigen, und so weiter. Eine Ordnung der Welt wurde mittlerweile durch eine Ordnung der technischen Ablaufoptimierung einzelner Lebenselemente (Strom, Internet, etc. etc.) ersetzt. Die aber nicht mehr der Natur der Welt und unserer eigenen Natur entspricht.

Das alles verändert zwar nicht unser innerstes Wesen, das in seinen Grundforderungen immer mehr unerfüllt bleibt, es verändert aber unser Verhalten, unsere Haltungen. Wir haben unsere Aufmerksamkeiten und nervlichen Fähigkeiten (Konzentration) diesen neuen Anforderungen anzupassen, weil sich die Wichtigkeiten in unserem gefühlten Werte- und Hierarchiesystem neu arrangiert haben. Denn wir sehen nicht, daß uns die Medien ihre Sprache aufdrängen, die sie benötigen, und dadurch die Inhalte wesentlich (sic!) bestimmen.

Heute kann deshalb kaum noch jemand zwei Absätze hintereinander lesen, ohne sofort irgendwelche Informationen zu suchen, um sich des Gelesenen gewisser zu werden. Die gesamte Haltung zu unserem überlieferten Kulturgut hat sich dramatisch geändert. Wir "trauen" ihm nicht mehr. Weil sich unsere Position verändert hat. Wir sehen nicht mehr die relevanten Orte. Wir befinden uns nur noch an zufälligen, zugewiesenen Orten.

Die Dominanz des öffentlichen Systems und der Verlust der sozialen, verwurzelten Ordnungen, der Ausbruch des sozialen Chaos, hängen direkt und ursächlich mit der extremen Bedeutung der Medien heute zusammen. Die uns nicht zuletzt über Bequemlichkeiten dazu verführt haben, diese neue prägende Kraft technischer Abläufe zu akzeptieren. Die uns das Leben regelrecht aus der Hand schlagen. 

Morgen Teil 4)





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