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Dienstag, 1. Oktober 2019

Kann man allmählich den Zeitpunkt absehen? (2)

Teil 2) Eine unerläßliche Nachbemerkung



Zwar stimmt der VdZ Krall in fast allem zu, hat aber deshalb seine Vorbehalte, weil Krall zu sehr dem Liberalismus anhängt. Und diesen mit "freiem Markt" gleichsetzt. Damit wird das Geschehen in Volkswirtschaften zu mechanistisch heruntergebrochen, und gleichzeitig werden einige der wesentlichsten Faktoren, die unsere Wirtschaftskrise erst machen, übersehen. Zu denen die Globalisierung beziehungsweise das Ziel eines "freien, allem offenen Weltmarktes" gehört. Insofern kann sich der VdZ vorstellen, daß als nächster Zwischenschritt KEIN Crash des Euro kommen wird, wie Krall ihn (an sich richtig) sieht, sondern daß über eine nächste Stufe - eine Globalisierung auch des Geldsystems, das ja fast schon heute global zu sehen ist - sich der Euro-Raum durch Einziehen einer nächsten Ebene noch einmal rettet und das derzeitige System für etliche weitere Jahre noch einmal stabilisieren kann. In der irrationalen Hoffnung, daß irgendwann irgendwo irgendwie noch irgendetwas passiert, das alles gut macht ...

Aber eines ist sicher: Einen kommenden Crash (der prinzipiell unvermeidbar ist) werden jene am besten überstehen, die wir als "Groß- oder Globalkapital" bezeichnen. Und sie werden dann die großen Profiteure einer Deregulierung sein, die Teil des Heilungsrezepts der Politik sein werden. Die Frage ist also, ob ein kommender Crash wirklich in eine gesunde Prosperität führen wird, wie Krall es sieht, sondern nicht eher eine Eskalation der Monopolisierung und Oligarchisierung sämtlicher Bereiche der Volkswirtschaften nach sich ziehen wird. Denn das Märchen, an das der Liberalismus glaubt, ist die Utopie, daß sich - einmal losgelassen - das Tun der Menschen zu einem harmonischen Gleichgewicht einpendelt, in der sich alles wie von selbst regelt.

Das stimmt nicht, das ist noch nie eingetreten. Es übersieht, daß solch' ein Gleichgewicht nie eintreten kann, weil eine solche Volkswirtschaft zum Kampf aller gegen alle, zum Kampf der Starken gegen die Schwachen führt, bei dem der Ausgang klar ist. Der Liberalismus verkennt also die wirklichen Bedürfnisse der Menschen. Völlig "liberalisiertes Wirtschaften" eröffnet nämlich jenen Kräften freie Entfaltungsmöglichkeiten, die ohne Moral agieren, und denen nicht das Gemeinwohl oberstes Anliegen ist. DAS muß es aber sein, was ein Staat, was Politik anstreben muß. 

Nicht als Sozialstaat heutiger Sozialismusdimension, das stimmt, aber als Wächter, der auch die Freiheit der Schwachen schützt, und den Starken an die Moral (eigentlich sogar: Die Religion, also die Kirche) bindet. Der Liberalismus aber hat noch nie (und wird auch nie) das Ziel des Gemeinwohles haben, das wiederum an das Ziel des "logos", des Sinns also, gebunden ist. Das sagt der Liberalismus ja selber, denn er sieht die Grundlage menschlichen Handelns im Egoismus, im Lust- und Unlustprinzip. Welches Volk, welche Menschheit aber will wirklich so leben außer die, die meinen, davon zu profitieren?

Das macht im Grunde mehr Angst als die Furcht vor dem Crash, den Krall sehr plausibel und sauber analysiert und der kommen wird, keine Frage. Es macht Angst, ob nicht Krall sogar darin Recht hat, als er eine "neue Prosperität ungeahnten Ausmaßes" kommen sieht, nach dem Crash - der eine nächste Stufe eines entfesselten Globalismus sein wird, in den sich die Politik als scheinbares Heilmittel flüchtet, um dann weiterzumachen wie bisher.

Daß die Politik beziehungsweise der Staat sich aus so gut wie allem zurückziehen muß - ja. Daß die Entscheidungen über ihre Lebensführung in den Händen der Bürger bleiben muß - ja. Daß es zu einer Re-Regionalisierung so vieler Agenden kommen muß - ja. Daß der Sozialstaat ein prinzipieller Irrtum ist, und jede Form von sozialer Tat niemals aus der Hand der Gebenden wandern darf, soziale Hilfe also immer persönliche (freiwillige) Interaktion und Kommunikation sein muß - ja. Daß die normalen Wirtschaftsagenden in den Händen der Wirtschaftsbeteiligten (Arbeitnehmer wie Arbeitgeber) bleiben muß - ja. Daß sogar das Rechtssystem in weiten Teilen re-regionalisiert werden muß - ja. Daß sogar die Exekutive und Ordnungsmacht weitestgehend regionalisiert sein muß - ja. 

Aber das Alles ist kein Ja zu einem entgrenzten Liberalismus, bei dem gar je nach Durchsetzungskraft individuelle Interessen das Staatsganze bestimmen sollen, der Staat also zu einem "Dienstleister" herabsinkt. Ja, der Staat zum Büttel der je stärksten Individuen wird (und das passiert im Liberalismus immer und überall).

Er muß im Gegenteil stark, aber er muß auch zurückhaltend sein, und sich vor allem seiner eigentlichen Aufgaben besinnen. Mit einer Gewaltmacht und Autorität, die im schlimmsten Fall unter divergierenden Gruppen zu schlichten oder zu schützen vermag. Mit einer Außenpolitik, die die Lebensbedürfnisse seines Volkes energisch vertritt. Mit einer Verteidigungspolitik, die das Insgesamt eines Staatsvolkes zu schützen vermag. Mit einer Repräsentationsfülle des Ganzen, die das Schönste, Edelste und Prächtigste eines Volkes wiederspiegelt, das weiß, daß es auf sich (in aller Demut) stolz sein kann, weil als es selbst einen Auftrag in der Welt hat, sodaß ihm jeder gerne angehört. Und mit aller Schutzmacht über die Religion des Volkes und seiner Stellung in ihm, weil ohne sie alle moralischen Grundlagen diffundieren und unbestimmt werden, das Volksganze auseinanderfällt, und damit seine gesunde, am Gemeinwohl orientierte Wirtschaftskraft erlischt.