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Freitag, 24. Januar 2020

Der subtile, aber sichere Tod der Lebenswelten (2)

Teil 2) Weitere Leichen im Plastikkeller



Apropos Polyester. Apropos Plastik. Apropos Kunststoffe und Meer. Hadmut Danisch bringt einen Bericht, der unsereinen überrascht. Denn er zitiert Studien die belegen, daß es einen Faktor gibt, der die Meere mit Mikroplastik versorgt, an den wohl kaum jemand denkt - und das sind aus Textilien ausgewaschene Kunststofffasern! Dieses Problem ist umso akuter geworden, als sich in den letzten Jahrzehnten ein furchtbarer Trend entwickelt hat. Während die Moden immer kurzfristiger werden, also immer mehr neue Kleider - denn in erster Linie sprechen wir hier von Damenmode! bei Männermode sieht die Sache völlig anders aus - in immer kürzeren Abständen produziert und verkauft werden, werden diese Kleider immer kürzer getragen und wandern in den Müll. 

Oder auf afrikanischen Textilmärkten als Billigware, um dort die heimische Produktion zu zerstören und die Sozialprobleme dramatisch zu vergrößern. Denn die gesamte Kette von Arbeit und Wertschöpfung, die das Fundament jeder Wirtschaft darstellt, bricht dort weg. Von der Grundstoffproduktion in der Landwirtschaft über die Weberei, die Schneiderei und den Handel. Wohlstand hat sich aber weltweit und über die gesamte Menschheitsgeschichte verfolgbar immer durch die Textilbranche aufgebaut! 

Aber noch etwas kommt nun dazu: Weil die Modezyklen immer kurzlebiger werden, wird die Menge der entsorgten weil unverkauften Textilien immer gigantischer. Vergleicht man die Jahre 2000 mit 2014, so hat sich die Menge an produzierten Textilien pro Jahr um 60 Prozent gesteigert, während die Nutzungsdauer um 50 Prozent zurückging. Warf eine Bekleidungsfirma in Europa im Jahre 2000 noch zwei Kollektionen auf den Markt, so waren das 2011 bereits fünf. Einige wesentlich mehr. Zara bietet pro Jahr sogar schon 24 Kollektionen, H&M immerhin noch zwischen 12 und 16. Die Konsequenz? Jede Sekunde landet die Menge eines Müllwagens an unverkäuflicher Kleidung auf dem Müll. Insgesamt werden nämlich 85 Prozent der produzierten Kollektionen nicht verkauft und deshalb entsorgt. 

Doch nun kommt's: Das Problem für die Meere wird, daß aus dem WASCHEN der Textilien (vor allem bei neuen Kleidern) jede Menge an Mikrofasern herausgewaschen wird, und im Meer landet. Jährlich sind das mittlerweile geschätzte 500.000 Tonnen. Das entspricht etwa der Menge von 50 Milliarden Plastikflaschen. Viele dieser Fasern sind Polyester, also Plastik, das in rund 60 Prozent aller Stoffe enthalten ist. Warum aber ist das so? Weil Frauen elastische, also "formdynamische" (um nicht zu sagen: figurbetonende) Stoffe bevorzugen, das ist weltweit einfach so. Und es ist der Grund, warum es im Modebereich immer weniger reine Naturfaserkleidung gab und gibt.

Die Herstellung von Polyester wiederum produziert rund das zwei- bis dreifache an Kohlendioxyd wie Baumwolle, und es löst sich auch bei weitem nicht so einfach auf wie Baumwolle. 2017 gab die International Union for Conservation of Nature (IUCN) einen Bericht heraus, in dem sie darlegte, daß rund 35 Prozent des in den Ozeanen zu findenden Mikroplastik vom Waschen von Textilien stammt, die synthetische Bestandteile wie Polyester haben. Insgesamt läßt sich überhaupt der Anteil der Textilindustrie weltweit auf rund 10 Prozent des gesamten Ausstoßes an CO2 beziffern.

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Danisch weist aber auf noch eine Leiche in den Kellern der modebewußten Damen hin. Und das ist die Zerstörung der Innenstädte. Warum Zerstörung? Weil die Modeketten überall die Läden in den Innenstädten betreiben. Diese Nachfrage treibt überall die Mieten in die Höhe. Genau dadurch aber werden diese Geschäfte nur relativ kurze Zeit betrieben, denn als Folge ziehen die übrigen Branchen weg, die sich solche Mieten nicht leisten können. Anders als die Modebranche, als Modehäuser, die ja mit gigantischen Margen arbeiten, weil sie billig in Bangladesch oder Bhutan produzieren lassen, und den Rest als Modeaufschlag. Das Verhältnis von Herstellungskosten zu Verkaufspreisen im globalisierten Textilmarkt beträgt etwa 1 : 30. Was also in den Lohnschneidereien in Pakistan oder China ein Euro an Arbeitsentgelt kostet, wird in New York, Berlin oder Wien um dreißig Euro verkauft.

Ist aber die Umgebung einmal leer und unattraktiv, ziehen auch die Modeketten sofort um. Schon gar, wenn sich bessere, höher frequentierte Verkaufslagen anbieten, in die sich die anderen Läden verzogen haben. Und das sind überall an die Peripherie verlagerte Einkaufszentren, die gebaut werden, wenn und weil der Branchenmix in den Innenstädten nicht mehr existiert. Kunden wollen ja alles möglichst eng beisammen, und außerdem nur fünf Schritte zum Auto gehen, weshalb man ja mit autofreien Fußgängerzonen, die man lange Zeit als Ausweg meinte etablieren zu müssen, praktisch immer nicht mehr bewirkt hat als den endgültigen Tod eines Stadtzentrums.

Die Folge? Die Innenstädte stehen leer. Und die unsäglichen Einkaufszentren, die der Tod jedes natürlichen und menschengemäßen Sozialraumes sind, in die diese Geschäfte umziehen, bestehen notwendigerweise (Mode ist der unverzichtbare Frequenzmagnet) zu einem überwiegenden Teil aus Modegeschäften, die somit auch auf diese Weise die angestammte, natürliche Lebenswelt ruinieren. Und schon gar die Innenstädte, die originären, einzigen, wirklichen Lebensumwelten, die man bei "Stadt" so nennen könnte. Ach so, die brauchen wir für die vielen zugewanderten Facharbeiter. Denen wir dann auch gleich die Filetstücke unserer Kultur zur Verfügung stellen. Und das alles wegen ein paar Modefetzen. Zusammenhänge gibt's ...

Was kommt aber nun als Nächstes? Verbot von (Damen-)Mode? Zwang auf schlabberige Naturfaser umzustellen? Tja, der nächste Schuß ins Ofenrohr der Weltrettung. Denn wenn man die Ökobilanz von verarbeiteten Naturfasern ansieht, kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus. Und wird vielleicht zum Plastikfan. Und was ist mit den Schuhläden? Immerhin ist Indien der größte Lederproduzent der Welt. Und billige Arbeitskräfte haben die auch wie Schnee am Himalaya.

Genug. Das wollen wir alles gar nicht mehr wissen. Außerdem: Wer soll dann die Ökobrüllerei noch finanzieren?