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Samstag, 18. Januar 2020

Was Berufspolitiker anrichten

Wo liegt in dieser Liste, die den hohen Anteil an ehemaligen Mitgliedern der NSdAP im deutschen Bundestag nach 1945 zeigt, das eigentliche Problem? Kein neues Regime (wie nach 1945), so "anders" es auch sein will, kann auf die Funktionsträger und Verwaltungsbeamten des Vorgängerstaates verzichten, sonst würde jede Ordnung zusammenbrechen. Die haben die Fachkompetenz, kennen die Strukturen, wissen wie damit umzugehen ist. Der ideologische Überbau ist selbst für solch' "belastete" Personen oft sehr wandelbar weil fachlich wenig bedeutend für ihre Karriere. Politische Ausrichtung hat hier immer eine untergeordnete Rolle gespielt. Zumindest früher. Es ist sogar wahrscheinlich, daß so manche dieser ehemaligen Nazis und späteren Bundestagsabgeordneten vor 1933 Kommunisten waren. Von denen Goebbels einmal mit Erstaunen bemerkt, daß die Hauptrekrutierung der Parteikader unter Kommunisten nach 1933 am erfolgreichsten ist.

Das Problem liegt woanders. Es liegt in der Seltsamkeit, daß plötzlich, und in diesem Fall, mit der Möglichkeit gespielt wird, daß Politik doch eine Sache von Individuen, von Personen ist, und nicht von Strukturen und Sachvorgängen. Wenn man Politikern ihre Überzeugungsvergangenheit vorwirft und die als Krimen angibt, dann kann das nur in einer Situation gemacht werden, wo es auch persönliche politische Verantwortung GIBT. Das heißt, in einer Zeit, in einem System, in dem nicht das System trägt und fordert und befiehlt, sondern der Einzelne. Dann muß man jeden Politiker nach Abschluß seiner Amtsperiode (wo er seine Immunität verliert) auch für die Folgen seiner Politik persönlich haftbar machen. Das heißt: Den Finanzminister, den Kanzler, den Präsidenten für die Milliarden in den Sand gesetzten Steuergelder, samt Privathaftung durch sein Vermögen, und wenn das nicht reicht, durch Schadensersatz und (etwa) Strafarbeit.

Dasselbe muß dann für den Beamtenapparat gelten. Nach heutigem Maßstab liegt persönliche Inkriminierung aber nicht an der Teilnahme an einem System, sondern an dem VERSTOSZ gegen die aufgetragene Systemtreue.

Aber das wirkliche Problem liegt heute woanders. Und es ist systemimmanent, kann also nur dem System vorgeworfen werden. Und hier zeigt sich es sich auch. Weil sich die prinzipielle Schwäche der parteienzentrierten Demokratie immer deutlicher herausgearbeitet hat. Es liegt an der "Politik als Beruf".

Weil die Arbeit eines Bundestagsabgeordneten an sich konkreter, problemzentrierter, subsidiärer war, und auch nicht mehr sein sollte. Doch in der immer ausschließlicheren Reduktion des Volksvertreters auf einen Berufspolitiker als einen Mann, der alles der Partei verdankt, der er zugehört, stülpt sich über ein sachliches Problembewußtsein eine ideologische Komponente.

Die in Zeiten wo es "viel zu tun gibt", wie nach dem Kriege, wo also die Aufgaben recht konkret bleiben, erst wenig Rolle spielt. Die aber bei zunehmendem Wohlstand, parallel zum Zustand wo "alles im Grunde läuft", einen Überschuß an "Lösungskraft" ergibt, verglichen mit dem, was es zu lösen gibt. Es entsteht ein geistiges, ein Sinn-Vakuum, das gefüllt werden muß.

Also nimmt die Parteiideologie mehr und mehr Raum ein. Mehr und mehr überlegen Abgeordnete, wie sie ihr Dasein auf Steuerzahlerkosten rechtfertigen können, wie sie wiedergewählt werden, wie sie in der Partei unabkömmlich werden, der sie Ansehen, Stellung, Stand und Vermögen verdanken. Politik als Beruf wird so zu einer Tätigkeit, die ganz anderen Kriterien unterliegt als das, was Politik zu lösen hat. Der Abgeordnete wird nicht mehr zum Volksvertreter (die Stimmabgabe bei Wahlen wird hier zum großen Bluff), sondern zum Vertreter einer Partei. Und mehr und mehr entstehen Gesetze, Regelungen, Verhaltensverordnungen, die alleine ideologischen Gesichtspunkten folgen.

Die überwiegende Zahl der Probleme, die wir heute haben, ist also einerseits diesem Überschuß an Regulierungskraft zuzuschreiben, und anderseits einem Problemfeld, das Kompetenzen erfordert, die mit dem Berufsfeld nicht übereinstimmen. Entstammt also einem Konstruktionsfehler dieser unserer Form von Demokratie. 

Wo Berufspolitiker buchstäblich aus Langeweile hier und persönlichem Ehrgeiz dort Wege (Gesetze und Verordnungen) suchen, mit denen sie das Leben des Volkes bestimmen können.

Volksvertreter dürfen niemals ihrer Vertretungstätigkeit Stand und Ansehen und Einkommen verdanken. Sondern ihr Tun muß als das begriffen werden, was es ist: Eine Ehrentätigkeit einerseits, die sie ihrem Ansehen verdanken (nicht es dadurch erst erringen), und anderseits einem höheren, göttlich legitimierten Auftrag, in dem sie Probleme subsidiär lösen, und dabei auf dem Boden der Wahrheit stehen. Auch wenn das heißen kann, daß sie mal ein halbes Jahr nicht in den Bundestag fahren müssen (können), weil einfach nichts ansteht.

Es ist der Gedanke, daß Politik den Parteiideologien nach einen Staat "zu gestalten" haben, daß der Freiraum geringerer Probleme also auch Raum  für "neue Umgestaltungsideen" böte, die diesen Unsinn bewirkt hat, daß die Politik seit den 1970er Jahren, also genau seit den Zeiten, wo der Wohlstand in unseren Ländern einen nie gesehenen Stand erreicht hat, so tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen durchzuführen begonnen hat. Aber da gab es diese Nazis schon aus Altersgründen in unseren Parlamenten kaum noch. Bis zum heutigen Tag, wo als Wahlslogans immer ausschließlicher aufscheint, daß Politiker damit locken, "zu verändern". Wann gab es das je? Das Volk jedenfalls hat das nie gewollt. Es wollte immer schon nur in Ruhe gelassen werden.