Das Problem der heutigen Psychologie, so
Fr. Ripperger in einem Vortrag vor der Una Voce-Vereinigung, ist ihr
empirischer Ansatz. Sie versteht also nicht das eigentliche Objekt ihres
Interesses. Denn anders als rein physisch-biologische Vorgänge läßt
sich Geistiges nicht messen. Warum wissen wir, daß der Mensch geistig
ist? Weil er sich zu sich selbst verhalten kann. Er kann über Vorgänge
in seiner Leib-Seele-Einheit nachdenken, sie reflektieren, sie bewerten,
sich zu ihnen verhalten. Das sind rein geistige Vorgänge, die außerdem
die prinzipielle Freiheit des Menschen beweisen. Diese Freiheit
unterscheidet ihn vom Tier (und allen anderen irdischen Lebewesen, auch
von den Pflanzen somit), das nur (wenn auch manchmal hoch komplex, so daß
es, etwa bei Haustieren, wie ein eigenständiges, reflexives Seelenleben
aussieht) auf Reize reagiert.
Die
heutige Psychologie als Naturwissenschaft geht aber von einer Sicht des
Menschen aus, die diesen Unterschied zwischen Tier und Mensch nicht
kennt. Entsprechend dem naturwissenschaftlichen Status und
"Fortschritt" hat sich vor etwa hundertfünfzig Jahren ein Verständnis von
geistiger Gesundheit breitgemacht, das diese Geistigkeit aus ihrem
eigentlichen Bereich - der Philosophie, in ihrer vorbereitenden Nähe zur
Theologie als dem Stehen vor dem Absoluten, das nur geistig beziehungsweise als
Geist zu begreifen ist, und das eigentliche Problem des Menschen ist -
losgelöst und zu einer naturwissenschaftlich-empirischen "Wissenschaft"
entwickelt. Das heißt, daß die Methode (sowie die diese
untergreifende Theorie) dem untersuchten Gegenstand gar nicht mehr
entspricht.
Das
hatte zwar nicht die Folge, daß alles, was die heutige Psychologie
sagt, in jedem Fall falsch ist, aber es ist wenn nur teilrichtig. Denn
die heutige Psychologie versteht die Natur des Menschen nicht mehr. Die
meisten sind deshalb auch simple Materialisten, selbst wenn sie (wie
heute enorm verbreitet) mit allen möglichen "Geistheil-Methoden"
vorgehen, die in ihrem letzten Grund aber immer (wie die gesamte
Esoterik auch) materialistisch-mechanistisch sind. Diese Vorentscheidung
wirkt sich bereits auf die Auswahl jener aus, die überhaupt noch
Psychologie studieren. (Wie der VdZ aus eigener Erfahrung weiß, der
einige Semester Psychologie studiert hat, ehe er sich gelangweilt und
angewidert davon abwandte.)
Entsprechend
wird auch das Vokabular der Menschen selbst auf naturwissenschaftliche
Begrifflichkeiten heruntergebrochen, in den allergünstigsten (!) Fällen
als "Recht auf Subjektivismus" (aber ohne objektive Wahrheit) gelten
gelassen. Der Mensch, selbst eine Einheit aus Leib-Seele-Geist, wird
nicht mehr einer objektiven geistigen Welt gegenüber (beziehungsweise in ihr sich
bewegend) gesehen. Das führt natürlich auch zu einer Relativierung von
Gott. Auch den "läßt man gelten", aber nur als subjektiven Faktor. Und
nur als solcher wird diese Frage auch "untersucht".
Woher
der Wind seit den Anfängen der Psychologie heutigen Zuschnitts kommt,
zeigt sich in einem Studium der Biographie der maßgeblichen Figuren der
Psychologie (vor allem in ihrer Ausprägung als Psychoanalyse) wie Sigmund
Freud oder Carl Gustav Jung. Beide waren tief in die Problematik des Sechsten Gebots (Sexualität) involviert, und ihr Forschen drehte sich über weite
Teile nur noch darum, diese Schuldproblematik (die einen ontologischen,
also objektiv-geistigen Grund hat) aufzulösen. Und was eignet sich dafür
besser als die Relativierung, die die Evolutionslehre (die den Menschen
als Tier sieht, also keine absolute Moral und Ethik kennt) anbietet?
Sünde wird dann nur zum subjektiven Gefühl der Nicht-Entsprechung einer
gesellschaftlich verankerten und über positivistische Gebote
implementierten Gebotswelt gegenüber.
E.
Michael Jones hat das in einigen seiner Bücher sehr präzise aufgezeigt,
"Libido Dominandi" und "Degenerate Modern" seien als Beispiel genannt.
Die Gründerväter der modernen Psychologie hatten massive persönliche
Probleme, die sie auf eine Weise aufarbeiten wollten, die ihnen die
Auseinandersetzung mit deren objektivem Grund erspart. Die noch dazu
Verhaltensänderungen verlangt hätte. Freud hatte eine inzestuöse
Beziehung mit seiner Schwester, Jung war ein notorischer Ehebrecher und
Bigamist.
Dieses
Patentrezept, man könnte es auf diesen einfachen Punkt bringen, das
solches Fehlverhalten rein aus "psychologischen Matrizen aus der
individuellen Geschichte", also auf Unfreiheit zurückführte, wurde bald
zu einem beliebten Mittel der "Entschuldung" vor allem unter reichen,
betuchten "Patienten". Die von überall her kamen, um sich um viel Geld
ihre Schuld ausreden und ihre Fehlverhalten als gut und sogar für ihre
Gesundheit notwendig einreden zu lassen. Gott wurde zur rein
psychologischen Ersatzfunktion, noch dazu mit der nunmehr generell
problematischen Vaterfigur identifiziert. Das wurde zu Mechanismen
erklärt, die (siehe Freuds Theorie über die Entstehung von Kultur) aus
der Evolutionsgeschichte des Menschen heraufgekommen ist, wo sie über
Sublimation und die vatergestützte Gewalt gewisse Funktion hatte und
hat. Die rein weltimmanente, für eine vaterbasierte Gesellschaft
essentielle Moral als Verhaltensnorm war nichts als eine Objektivierung
des Nützlichen (und nur Vatergewollten) in der Verschiebung in eine
objektive Gestalt "Gott", die zur Drohgestalt aufgebaut worden war.
Seit
beziehungsweise mit der Aufklärung aber "ist klar", daß dieser "Gott" nicht
objektiv existiert, sondern lediglich eine Rationalisierung
psycho-sozialer Vorgänge und Strukturen (in der Tradition, im
Konservativismus eingefroren) ist. Der freie, vernunftbasierte Mensch
braucht aber diese "Krücke" nicht mehr, er befreit sich von dieser
psychologischen Schattengestalt "Gott".
Das
ist natürlich nicht wahr. Denn man kommt zur sicheren Erkenntnis eines
Gottes gerade durch und über die Vernunft. Gott ist keine Projektion
psychischer Probleme. Damit ist auch begreifbar, warum die moderne
Psychologie das nicht und nie produziert hat, was sie für sich
beansprucht: Geistige Gesundheit! Sie vermag nur lähmende
Ersatzkonstrukte zu implementieren, die das Seelenleben in gewisse
Bahnen und Lösungsschlaufen einfängt, ohne irgendein Problem objektiv zu
lösen. Was so nebenbei einen positiven Effekt für die Psychologen hat,
denn sie haben damit Dauerpatienten, Dauerkunden, Dauerzahler, denn
diese Gerüste zerschellen immer wieder und wieder im Alltag an den
Realitäten, und müssen wieder und wieder neu aufgerichtet und gestützt
werden. Sie finden in der Natur des Indivduums keine wirkliche
Entsprechung, diese innere Verfaßtheit, die wieder und wieder auftaucht
und sich zu Wort meldet, wird selbst zum Widerspruch (an dem natürlich
die sozialen Verhältnisse etc. etc. schuld sind) und sogar zum Feind des
"Wohlgefühls" (mit dem geistige Gesundheit identifiziert wird.)
Morgen Teil 2) Eine Heilmethode ohne Heilung