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Freitag, 17. Januar 2020

Klima ist immer regional (2)

Teil 2)



Generell stimmen diese Daten mit früheren Analysen Aigners zusammen. Wo er von wärmeren Sommern, aber schneereicheren Wintern sprach, einem Idealzustand für den Tourismus also. Und sie haben natürlich ihre Auswirkungen auf die Vegetation in den Ostalpen. Die Vegetation wird durch die wärmeren (kurzen) Sommer nämlich kräftig angeschoben. Nimmt man die gesamte Vegetationsperiode in den Alpen von Mai bis September an, so zeigt diese Periode bei einem mittleren Anstieg von einem Grad Celsius eine Wanderung der klimatischen Schneegrenze Ende des Sommers um hundertfünfzig Meter nach oben. Seit Mitte der 1970er Jahre sind die Temperaturen sogar um zwei Grad im Mittel gestiegen, was mit dem Anstieg der Sonnenscheindauer um 20 Prozent korreliert. Im selben Zeitraum stiegen im Kernsommer, also von Juni bis August, die Temperaturen sogar um drei Grad, bei einer Erhöhung der Sonnenscheindauer um 30 Prozent. 

Insgesamt stieg seit den 1970er Jahren die klimatische Schneegrenze sogar um vierhundert Meter nach oben. Heute findet man regional ein Aufkommen von Jungbäumen in 3-400 Meter höheren Lagen als 1970. Entsprechend verhielt sich auch das Volumen der Gletschereismassen, das gleichermaßen und wenig verwunderlich deutlich zurückgegangen ist.

Aber das ist kein besonderes Ereignis! Es läßt sich belegen, daß viele Gletscher in den letzten 10.000 Jahren sogar deutlich weiter zurückgezogen waren als sie das heute sind. Wegen der starken Nutzung hochalpiner Gebiete ist es schwierig zu sagen, ob dieser Anstieg der Baumgrenze um vierhundert Meter natürlichen Ursprungs oder menschlich verursacht ist. Es wird in dieser Langzeitevidenz, die Gletscherrinnen bieten, auch klar, daß die Ausdehnung der Gletscher Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts sehr sicher die größten Ausdehnungen waren, die die Alpengletscher je gehabt haben. Das Vergleichsniveau mit heute ist also ein historisches Extrem. Wenn wir heute von Erwärmung sprechen, gehen wir von den extremen Temperaturverhältnissen der "Kleinen Eiszeit" aus, die seit dem 15. Jahrhundert herrschte. Das macht die Gegenwart erheblich "normaler"!

Als Fazit läßt sich schließen, daß der Anstieg der Temperaturen in den Ostalpen seit Beginn der Meßreihen 1887 im Sommer beachtlich ist, aber in deutlichem Zusammenhang mit der Zunahme der Sonnenscheindauer zu stehen scheint. Seltsamerweise findet das in allen Klimadiskussionen wenig Beachtung. Das ist insbesonders deshalb wichtig, betrachtet man den Gletscherrückgang, weil die Schneefälle von Oktober bis Mai weniger Einfluß auf die Jahresbilanz von deren Eismasse haben als die (wenigeren) Sommermonate. Generell muß deshalb der Umstand, daß die Sommer wärmer wurden und weiter werden einen entscheidenden Einfluß auf den Rückgang der Alpengletscher haben. Weil nur in Höhen deutlich über 3000 Metern Seehöhe, oder in günstigen Einzellagen, Altschnee auch über diese drei Sommermonate hinaus liegen bleiben kann, der aber für eine Eisbildung entscheidend ist.

Damit steigt auch die Biomasse in den Alpen, weil die Vegetationsperiode sich (durch veränderte Intensität, also raschere Anstiege) verlängert, und die Baumgrenze sich nach oben schiebt. Die Alpen werden gegenwärtig weniger weiß, aber bedeutend grüner.  Für die Nutzung der Alpen durch den Tourismus sind das sehr günstige Bedingungen.

Wir, für uns, ziehen aber auch andere Schlüsse. Denn Aigners Untersuchungen zeigen einmal mehr, daß man von Klima und Auswirkungen durch dessen Veränderungen nur sinnvoll sprechen kann, wenn man die Diskussion streng regional führt. Denn erst dann wird man der Subtilität einzelner Veränderungen gerecht, und kann realistisch über Ursachen und Wirkungen sprechen. Das zeigt sich auch bei der Betrachtung der kleinklimatischen Veränderungen in den Alpen, wo Faktoren wie veränderte Nutzung (zwischen dem Rückgang der Almwirtschaft und dem Ansteigen der Baumgrenze bestehen zweifellos Zusammenhänge) und Wärmeinseleffekte (höherer technischer Ausstattungsgrad der Besiedlungen in höheren Regionen) eine große Rolle spielen. 

Auch das Wechselspiel zwischen Wetterbedingungen und Nutzen für den Menschen ist viel komplexer als oft so naiv dargestellt, und zeigt nicht nur klare Vorteile für höhere Temperaturen, sondern läßt auch darüber nachdenken, was im Einzelfall zuerst war: Der Mensch, der die Temperaturen in seinem Kleinraum durch die Kultivierung der Erde ihm vorteilhafter gestalten kann, und die Natur, die Bedingungen vorgibt. 

Zumalen vielfach "Klima" zwar als "anthropogen" gesehen wird, aber seltsamerweise nur im Zusammenhang mit "Katastrophen". Während es sonst wie ein mächtiger, schicksalshafter Naturhammer behandelt wird, der auf uns niederschlägt. So daß um "das Klima zu retten", Maßnahmen notwendig sein sollen, angeblich, die von jenen Ursachen, die diese "pöhsen Wirkungen" ausgelöst haben, völlig verschieden sind.