Es gibt nichts Gefährlicheres als "etwas Bildung", schreibt dazu William M. Briggs.
Wer einmal begonnen hat, von dieser Quelle zu trinken, muß sie bis zu
ihrem Grund durchtauchen. Etwas, das aber nur für eine kleine Zahl von
Menschen möglich ist. Die heutige Bildung ist deshalb in überwiegendem
Maß lediglich dazu angetan, die Ansprüche auf Anerkennung und Stellung
durch Erringung eines Zertifikats zu erhöhen und die Zahl der Großmäuler
ins Unermeßliche zu steigern. Sie hat mit Bildung im eigentlichen Sinn
jedoch rein gar nichts zu tun. Stattdessen steigt nicht nur der Druck
auf jeden Einzelnen, zu allem und jedem eine "Meinung" zu haben, sondern
auch der Anspruch, daß diese Meinung von Wert sei. Es ist absurd zu
glauben, daß jeder genug zu allem wissen könnte, um dazu auch wirklich
fundiert etwas sagen zu können.
Aber
es ist genau so absurd zu meinen, daß alles, was in allen möglichen
Lehranstalten gelehrt würde, auch einer solchen Verbreitung wert wäre.
Das ist zumindest heute ganz offensichtlich falsch. Wenn aber etwas
gelehrt wird, dann muß die angebrochene Flasche bis zum letzten Tropfen
geleert werden. (Anders als Briggs findet der VdZ hier das alte römische
Sprichwort passender, das von "multa sed multae", "Viel, aber nicht Vieles", spricht.
In
der Art aber, in der bei uns "Bildung" vermittelt wird, muß die Arbeit
jeder Regierung immer zersplitterter, nervöser, rechthaberischer und
ineffizienter werden. Damit muß sie in immer größeren Widerspruch zu
einem der Grundprinzipien des Gemeinwohls, der Subsidiarität, geraten.
Einem Prinzip, in der die übergeordnete Einheit nur jene Aufgaben
erfüllen darf, die die untere nicht zu erfüllen vermag. Und zwar in
erster Linie, weil diese dazu nicht berufen und in der Lage ist, nicht,
weil sie da oder dort einmal indisponiert ist und versagt. Stattdessen
macht sich ein Druck auf Uniformität breit - die man dann "Vielfalt"
nennt.
Weil
aber Bildung zunehmend mit Kosten und damit "Ertrag" verknüpft wurde,
stehen alle Bildungsinstitutionen unter dem Zwang, bestimmte "meßbare"
Ergebnisse zu erzielen. Damit wächst die Bereitschaft, nicht über
Inhalte zu lehren, sondern über Verhalten bestimmte Ergebnisse zu
produzieren. Das Spiel der Freiheit wird somit aus der Bildung verbannt.
Aus Bildungsvermittlung, die ein Erfahrungs- und persönlich
unterschiedlicher Reifungsprozeß ist, wird Ideologievermittlung und
Indoktrination. Während die Erfahrung zu einer Verhaltenslehre wird,
sich "wie ein Gebildeter" zu verhalten.
Die
Verrohung des Krieges hängt direkt damit zusammen. Denn zur
Besonderheit des Soldatenstandes zählt vor allem der soldatische Ethos.
Doch Offiziere, die bereits in den heutigen Ideologie- und
Indoktrinierungsanstalten "vorgebildet" wurden, sind dazu nicht mehr in
der Lage, weil ihnen diese Persönlichkeitsdimension fehlt. Ähnliches
gilt es auch vom Priesterstand zu sagen. Im Gleichschritt mit dem Abbau
von Geistessubstanz an den Universitäten haben sich auch die
Priesterseminare davon befreit. Für beide Stände gilt heute, daß sie
sich weit mehr der weltlichen Anerkennung widmen, als ihr Handwerk zu
erlernen. Hier (wie mittlerweile überall) wird die mehr oder weniger
gekonnte Simulation einer Identität zum Ersatz für eine organisch an der
Wirklichkeit gewachsene Identität, die aus der in Verantwortlichkeit
geleistete Hingabe an eine Sache, einen Inhalt erwächst bzw. sich
stärkt, nicht an einem Erlernen des "Verhaltens - wie".
Fälschlicherweise
wird heute davon ausgegangen, daß das Handwerkliche auch später zu
erlernen sei, vorerst gehe es um die Erreichung eines "Dekrets", eines
Zertifikats. Die Realität aber zeigt, daß solch ein Dekret den Träger
verändert, und einen Initiationsritus darstellt, der die Seele
verändert. Weil die Person auf einen Stand hebt, in dem die Erlernung
des Handwerkszeuges für diesen Stand unter diesem Stand selbst liegt.
Also nie mehr erfolgt, sondern mit dem Dekret bereits "vorhanden"
angenommen wird. Denn ein Erlernen liegt - natürlich! - unter diesem
Stand. Heutige Bildungsdekrete sind deshalb wie Etiketten auf leeren
Flaschen, die ihren verkündeten Inhalt gar nie trugen und tragen werden.
Denn unter dem Rechtfertigungsdruck, der aus der Verquickung der
Lehranstalten und Universitäten mit Geld und Kapital (und Politik)
erfolgt, orientiert sich ihre "Bildungsvermittlung" vor allem an der
Vermittlung der Fähigkeiten, Dekrete zu erwerben, nicht an inhaltlicher
Reifung.
Der Vorhersage Richelieus über die Explosion der "Quatschköpfe" im Land muß nichts mehr hinzugefügt werden, sie hat sich vollauf bewahrheitet. Und je mehr "Bildung" - umso mehr. In gleichem Maße hatte er recht, als er von dem Aufkommen der Zweifler sprach. Die zwar alle erschüttern, aber nicht mehr errichten können. Oh ja, man kann andere Menschen leicht verunsichern, schon gar solche guten Willens, und umso mehr, als man mit Bildungsdekreten wedelt. Wir haben es eben viel zu sehr mit Leuten zu tun, die alles wissen, und dessen völlig sicher sind ... weil sie eben eine Identität angenommen, zugesprochen bekommen haben, die dem in Wahrheit Ungebildeten genau das zusagt.
Das hat - auch darin hat Richelieu völlig recht behalten - zur Folge, daß sich die geistige Arbeit (die "freien Künste") der mechanischen Arbeit überlegen fühlt. Aber die konkrete, handwerkliche Arbeit, die Arbeit an und mit einer Maschine, einem Apparat, den es zu konstruieren, zu reparieren gilt, hat den unersetzlichen pädagogischen Vorteil, daß sie ein direktes Lernen am Erfolg ermöglicht, der in der Sache selbst liegt und vor allem: in ihr direkt erkennbar wird. Eine Maschine läuft - oder läuft nicht. Eine Arbeit fruchtet - oder sie tut es nicht. Das formt den Charakter, macht ihn realistisch und realitätsoffen.
Dem Träger eines Zertifikats der Freien Künste hingegen steht diese Erfahrung nur höchst selten offen, manchmal überhaupt nicht. So kann er nicht unterscheiden, ob das, was er "weiß", nicht völlig sinnlos ist. Noch dazu, wo er von seiner Identität gerne über eine realistische Prüfung über die Wirklichkeitsrelevanz seines "Wissens" hinweggetragen wird. Also hängt er von einem Anerkennungshorizont ab, der nicht von einer Sache geprägt ist, sondern von ... Ideen, Dynamiken von Gruppenidentitäten, und vor allem: Anerkennungszwang, der nur vom Wort abhängt. Schon das stärkt die Neigung solcherart Gebildeter zu Konformität und Verschmelzung mit Macht und Mehrheit einer Sichtweise.
*301019*
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