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Sonntag, 5. Januar 2020

Letzte Worte eines weisen Mannes (2)

Es gibt nichts Gefährlicheres als "etwas Bildung", schreibt dazu William M. Briggs. Wer einmal begonnen hat, von dieser Quelle zu trinken, muß sie bis zu ihrem Grund durchtauchen. Etwas, das aber nur für eine kleine Zahl von Menschen möglich ist. Die heutige Bildung ist deshalb in überwiegendem Maß lediglich dazu angetan, die Ansprüche auf Anerkennung und Stellung durch Erringung eines Zertifikats zu erhöhen und die Zahl der Großmäuler ins Unermeßliche zu steigern. Sie hat mit Bildung im eigentlichen Sinn jedoch rein gar nichts zu tun. Stattdessen steigt nicht nur der Druck auf jeden Einzelnen, zu allem und jedem eine "Meinung" zu haben, sondern auch der Anspruch, daß diese Meinung von Wert sei. Es ist absurd zu glauben, daß jeder genug zu allem wissen könnte, um dazu auch wirklich fundiert etwas sagen zu können. 

Aber es ist genau so absurd zu meinen, daß alles, was in allen möglichen Lehranstalten gelehrt würde, auch einer solchen Verbreitung wert wäre. Das ist zumindest heute ganz offensichtlich falsch. Wenn aber etwas gelehrt wird, dann muß die angebrochene Flasche bis zum letzten Tropfen geleert werden. (Anders als Briggs findet der VdZ hier das alte römische Sprichwort passender, das von "multa sed multae", "Viel, aber nicht Vieles", spricht.

In der Art aber, in der bei uns "Bildung" vermittelt wird, muß die Arbeit jeder Regierung immer zersplitterter, nervöser, rechthaberischer und ineffizienter werden. Damit muß sie in immer größeren Widerspruch zu einem der Grundprinzipien des Gemeinwohls, der Subsidiarität, geraten. Einem Prinzip, in der die übergeordnete Einheit nur jene Aufgaben erfüllen darf, die die untere nicht zu erfüllen vermag. Und zwar in erster Linie, weil diese dazu nicht berufen und in der Lage ist, nicht, weil sie da oder dort einmal indisponiert ist und versagt. Stattdessen macht sich ein Druck auf Uniformität breit - die man dann "Vielfalt" nennt.

Weil aber Bildung zunehmend mit Kosten und damit "Ertrag" verknüpft wurde, stehen alle Bildungsinstitutionen unter dem Zwang, bestimmte "meßbare" Ergebnisse zu erzielen. Damit wächst die Bereitschaft, nicht über Inhalte zu lehren, sondern über Verhalten bestimmte Ergebnisse zu produzieren. Das Spiel der Freiheit wird somit aus der Bildung verbannt. Aus Bildungsvermittlung, die ein Erfahrungs- und persönlich unterschiedlicher Reifungsprozeß ist, wird Ideologievermittlung und Indoktrination. Während die Erfahrung zu einer Verhaltenslehre wird, sich "wie ein Gebildeter" zu verhalten.

Die Verrohung des Krieges hängt direkt damit zusammen. Denn zur Besonderheit des Soldatenstandes zählt vor allem der soldatische Ethos. Doch Offiziere, die bereits in den heutigen Ideologie- und Indoktrinierungsanstalten "vorgebildet" wurden, sind dazu nicht mehr in der Lage, weil ihnen diese Persönlichkeitsdimension fehlt. Ähnliches gilt es auch vom Priesterstand zu sagen. Im Gleichschritt mit dem Abbau von Geistessubstanz an den Universitäten haben sich auch die Priesterseminare davon befreit. Für beide Stände gilt heute, daß sie sich weit mehr der weltlichen Anerkennung widmen, als ihr Handwerk zu erlernen. Hier (wie mittlerweile überall) wird die mehr oder weniger gekonnte Simulation einer Identität zum Ersatz für eine organisch an der Wirklichkeit gewachsene Identität, die aus der in Verantwortlichkeit geleistete Hingabe an eine Sache, einen Inhalt erwächst bzw. sich stärkt, nicht an einem Erlernen des "Verhaltens - wie". 

Fälschlicherweise wird heute davon ausgegangen, daß das Handwerkliche auch später zu erlernen sei, vorerst gehe es um die Erreichung eines "Dekrets", eines Zertifikats. Die Realität aber zeigt, daß solch ein Dekret den Träger verändert, und einen Initiationsritus darstellt, der die Seele verändert. Weil die Person auf einen Stand hebt, in dem die Erlernung des Handwerkszeuges für diesen Stand unter diesem Stand selbst liegt. Also nie mehr erfolgt, sondern mit dem Dekret bereits "vorhanden" angenommen wird. Denn ein Erlernen liegt - natürlich! - unter diesem Stand. Heutige Bildungsdekrete sind deshalb wie Etiketten auf leeren Flaschen, die ihren verkündeten Inhalt gar nie trugen und tragen werden. Denn unter dem Rechtfertigungsdruck, der aus der Verquickung der Lehranstalten und Universitäten mit Geld und Kapital (und Politik) erfolgt, orientiert sich ihre "Bildungsvermittlung" vor allem an der Vermittlung der Fähigkeiten, Dekrete zu erwerben, nicht an inhaltlicher Reifung.

Der Vorhersage Richelieus über die Explosion der "Quatschköpfe" im Land muß nichts mehr hinzugefügt werden, sie hat sich vollauf bewahrheitet. Und je mehr "Bildung" - umso mehr. In gleichem Maße hatte er recht, als er von dem Aufkommen der Zweifler sprach. Die zwar alle erschüttern, aber nicht mehr errichten können. Oh ja, man kann andere Menschen leicht verunsichern, schon gar solche guten Willens, und umso mehr, als man mit Bildungsdekreten wedelt. Wir haben es eben viel zu sehr mit Leuten zu tun, die alles wissen, und dessen völlig sicher sind ... weil sie eben eine Identität angenommen, zugesprochen bekommen haben, die dem in Wahrheit Ungebildeten genau das zusagt.

Das hat - auch darin hat Richelieu völlig recht behalten - zur Folge, daß sich die geistige Arbeit (die "freien Künste") der mechanischen Arbeit überlegen fühlt. Aber die konkrete, handwerkliche Arbeit, die Arbeit an und mit einer Maschine, einem Apparat, den es zu konstruieren, zu reparieren gilt, hat den unersetzlichen pädagogischen Vorteil, daß sie ein direktes Lernen am Erfolg ermöglicht, der in der Sache selbst liegt und vor allem: in ihr direkt erkennbar wird. Eine Maschine läuft - oder läuft nicht. Eine Arbeit fruchtet - oder sie tut es nicht. Das formt den Charakter, macht ihn realistisch und realitätsoffen. 

Dem Träger eines Zertifikats der Freien Künste hingegen steht diese Erfahrung nur höchst selten offen, manchmal überhaupt nicht. So kann er nicht unterscheiden, ob das, was er "weiß", nicht völlig sinnlos ist. Noch dazu, wo er von seiner Identität gerne über eine realistische Prüfung über die Wirklichkeitsrelevanz seines "Wissens" hinweggetragen wird. Also hängt er von einem Anerkennungshorizont ab, der nicht von einer Sache geprägt ist, sondern von ... Ideen, Dynamiken von Gruppenidentitäten, und vor allem: Anerkennungszwang, der nur vom Wort abhängt. Schon das stärkt die Neigung solcherart Gebildeter zu Konformität und Verschmelzung mit Macht und Mehrheit einer Sichtweise.