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Freitag, 24. Januar 2020

Zukunft als Zwang zum Sozialismus (1)

Es ist natürlich immer interessant zu sehen, was man vor fünf Jahren prognostizierte, das in diesem Jahr Wirklichkeit sein sollte. Und Gerd Leonhard hat da in vielem auch recht behalten, was er 2015 vorhersagte.

Auffallend ist aber vor allem eines: Daß der liberalistische Wirtschaftsmoloch eine Veränderung mit sich bringt, die aus seiner Ausrichtung auf technische Ablaufoptimierung stammt und sich mit Zwang schmückt. Und eine Umstellung von Lebensvollzügen bedeutet, den der VdZ zumindest, wäre er vor die Wahl gestellt, glatt ablehnen würde. Weil sie keineswegs reine Ablaufoptimierungen (also Erhöhungen von Energiedichte wären, wie fälschlich behauptet), sondern die Natur der Vorgänge selbst verändern.

Solche Entwicklungen gehen nicht in Sprüngen, sondern Schritt für Schritt. Eine ganze Kultur kann da regelrecht "hineinschlittern", und wacht eines Morgens auf und "ist eine andere". Und die Tür zum nächsten Schritt ist fast nie der "große Sprung", sondern der kleine Schritt, der irgendeinen Vorgang "optimaler" gestalten würde, der irgendeinen Teilvorteil bringen würde, der irgendeine kleine Bequemlichkeit stützen würde. Bis wir vor einem Gesamtbild stehen das einen großen, ja ganz großen Verlust an Lebensqualität anzeigt, der uns erschrecken müßte. Denn plötzlich ist alles, wirklich alles an unserer Lebensweise umgebaut, bis zu einem Punkt, wo wir meinen könnten, anders gar nicht mehr überleben zu können, weil selbst unverzichtbare Prozesse nur noch über diese technischen Prozesse erledigbar sind.*

Fast nein wirklich alles, was Leonhard da 2015 sagt und uns damit ein wenig Überschau liefert, ist technischer Natur. Und hat in der einen oder anderen Form mit Internet, social media und Digitalisierung zu tun. Die wie ein D-Zug über uns alle drüberbraust. Ganz so als wäre "Fortschritt" nur eine technische Ablaufoptimierung! Das ist er aber in keinem Fall. Denn Fortschritt, wenn wir das Wort schon verwenden, muß um ein solcher zu sein eine Erhöhung der Energiedichte PRO VORGANG sein. Wir aber haben es praktisch immer mit einer Reduktion der eigentlichen Vorgänge, und einer Aufsplitterung in zahlreiche weiter (sic!) zu tun, während der Hauptvorgang immer mehr nur noch nach Normvorgaben erfüllbar ist.

Dieses Umstellen auf immer mehr Technik ist somit keineswegs eine Optimierung von an sich bekannten Abläufen. Im Gegenteil. Sie reduzieren die Komplexität des Lebens selbst, und machen zweidimensional, das aber aus seinem Wesen her drei- oder mehrdimensional ist und auch sein muß. Wir haben es somit mit technischen "Innovationen" zu tun, die auch unser In-der-Welt-sein betreffen, weil sie Kommunikationsvorgänge reduzieren und damit verarmen (weil über bloße Automatismen, die der Möglichkeit der Technik entsprechen, und diese ist immer zweidimensional) laufen lassen.

Was aber als Vorteil aussieht, ist in fast allen Fällen von einem ungeheuren, qualitativ aber höherwertigen Verlust begleitet. Denn wir lagern in der Technik Leiblichkeit, persönliches Vermögen aus, und setzen durch solche Vorgänge (materiell in der Maschine, immateriell in Programmen) "Prothesen" in beziehungsweise an unseren Leib. In den wir anderseits die Welt unverzichtbar eingliedern. Gleichzeitig ist diese Entwicklung von einem Abbau von Verantwortung gekennzeichnet, denn sie bedeutet, daß das Eigentumsverhältnis zu den Dingen verschwindet. (Man denke an die Vision der Mobilität in der Stadt, in der niemand mehr ein Auto braucht, dafür bestehende, selbstfahrende Autos über Vernetzung pausenlos unterwegs und per App buchbar sind.)

Das heißt, daß sich der persönliche Besitzanspruch, das Territorium des Leibes gewissermaßen, ausweitet (was meist übersehen wird). Damit wird nicht nur die Unverzichtbarkeit auf Weltdinge größer, sondern die Freiheit, Vorgänge auch anders zu gestalten, geringer. Die Technik wird zum Zwang, um überhaupt noch leben zu können. 

Und verbindet sich noch dazu mit dem Zwang, im Erwerbsleben ein bestimmtes Einkommensminimum zu erzielen. Die Abhängigkeit von Geld und auf Geld (nicht auf Wert!) ausgerichtete Arbeit steigt also. Und zwar vor allem quantitativ, weil wie gezeigt die Energiedichte jeder Arbeitsminute sinkt, während die Anzahl der nötigen Vorgänge steigt. (Simples Beispiel: Früher ging man mit ein paar Noten unter dem Arm zum Klavierunterricht, machte sich für nächsten Dienstag einen Termin aus, und alles war erledigt. Schaue der Leser einmal genau, wie viele Dinge und ausgelagerte Vorgänge er heute braucht, will er so einfache Dinge regeln. Und mache er keine Ausnahme, rechne er auch ein, was an Umwegen zu machen ist, weil andere Vorgänge durch Zeit-, Geld- und Dinge-Aufwand Auswirkungen haben. Auto, Handy, ständige rasche Ortswechsel, Aufgezeichnetes in Computern, Erwerbsarbeit auch der Frau, etc. etc.)

"Wir leben in einer mobilen Welt. Und daran führt auch kein Weg vorbei. Und wir leben noch dazu in einer vernetzten Welt." Was Gerd Leonhard so nonchalant daher erzählt ist in Wahrheit nicht einfach eine Frage des Lebensstils, den man halt auch ändern kann. Es ist eine Veränderung des Wesentlichen im Leben, nein, es ist eine Verlagerung weg von allem, was noch Substanz hat hin zur positivistischen, spiritualistischen Bewußtseinswirklichkeit. 

"Mobil" heißt auch "Entwurzelung" und damit substantieller Verarmung, so einfach könnte man es nennen. Es bedeutet ein Auflösen der eigenen Substanz, die durch virtuelle, flüchtige Vorgänge ersetzt werden soll (wenn das denn ginge). 

Oh nein, der VdZ ist nicht unbedingt "technikfeindlich", eher freilich hat er etwas gegen mechanische, vorhersehbare Abläufe und kann sich an Technik nur sehr bedingt begeistern, hält sie meist für Gehirnmechanik. Deshalb ist sie recht leicht lern- und vermittelbar. Aber er ist nicht gegen Verbesserung als "Fortschritt", ja "Wachstum", weil das im Wesen des Menschen begründet liegt: Die Verdichtung weil Zusammenfassung der Energie in jedem seiner Vorgänge, sodaß sich bei jedem seiner Taten die Handlungsebene in immer mehr Umfassenderes, Universelleres schiebt (was letztlich Begriff, Wort, Geistiges bedeutet), was nur durch Tugend einerseits, durch Erinnerung (sic!) als Speicherung (sic!) anderseits möglich ist. Je allgemeiner Begriffe sind, um das zu illustrieren, desto mehr Einzeldinge tragen sie mit sich, selbst wenn man diese Einzeldinge "vergißt" oder nicht einmal direkt als vereinzelte Dinge "kennt".

Morgen Teil 2)