Es
ist natürlich immer interessant zu sehen, was man vor fünf Jahren
prognostizierte, das in diesem Jahr Wirklichkeit sein sollte. Und Gerd
Leonhard hat da in vielem auch recht behalten, was er 2015 vorhersagte.
Auffallend
ist aber vor allem eines: Daß der liberalistische Wirtschaftsmoloch
eine Veränderung mit sich bringt, die aus seiner Ausrichtung auf
technische Ablaufoptimierung stammt und sich mit Zwang schmückt. Und
eine Umstellung von Lebensvollzügen bedeutet, den der VdZ zumindest,
wäre er vor die Wahl gestellt, glatt ablehnen würde. Weil sie keineswegs
reine Ablaufoptimierungen (also Erhöhungen von Energiedichte wären, wie
fälschlich behauptet), sondern die Natur der Vorgänge selbst verändern.
Solche
Entwicklungen gehen nicht in Sprüngen, sondern Schritt für Schritt.
Eine ganze Kultur kann da regelrecht "hineinschlittern", und wacht eines
Morgens auf und "ist eine andere". Und die Tür zum nächsten Schritt ist
fast nie der "große Sprung", sondern der kleine Schritt, der
irgendeinen Vorgang "optimaler" gestalten würde, der irgendeinen
Teilvorteil bringen würde, der irgendeine kleine Bequemlichkeit stützen
würde. Bis wir vor einem Gesamtbild stehen das einen großen, ja ganz
großen Verlust an Lebensqualität anzeigt, der uns erschrecken müßte.
Denn plötzlich ist alles, wirklich alles an unserer Lebensweise
umgebaut, bis zu einem Punkt, wo wir meinen könnten, anders gar nicht
mehr überleben zu können, weil selbst unverzichtbare Prozesse nur noch
über diese technischen Prozesse erledigbar sind.*
Fast
nein wirklich alles, was Leonhard da 2015 sagt und uns damit ein wenig
Überschau liefert, ist technischer Natur. Und hat in der einen oder
anderen Form mit Internet, social media und Digitalisierung zu tun. Die
wie ein D-Zug über uns alle drüberbraust. Ganz so als wäre "Fortschritt"
nur eine technische Ablaufoptimierung! Das ist er aber in keinem Fall.
Denn Fortschritt, wenn wir das Wort schon verwenden, muß um ein solcher
zu sein eine Erhöhung der Energiedichte PRO VORGANG sein. Wir aber haben
es praktisch immer mit einer Reduktion der eigentlichen Vorgänge, und
einer Aufsplitterung in zahlreiche weiter (sic!) zu tun, während der
Hauptvorgang immer mehr nur noch nach Normvorgaben erfüllbar ist.
Dieses
Umstellen auf immer mehr Technik ist somit keineswegs eine Optimierung
von an sich bekannten Abläufen. Im Gegenteil. Sie reduzieren die
Komplexität des Lebens selbst, und machen zweidimensional, das aber aus
seinem Wesen her drei- oder mehrdimensional ist und auch sein muß. Wir
haben es somit mit technischen "Innovationen" zu tun, die auch unser
In-der-Welt-sein betreffen, weil sie Kommunikationsvorgänge reduzieren
und damit verarmen (weil über bloße Automatismen, die der Möglichkeit der
Technik entsprechen, und diese ist immer zweidimensional) laufen
lassen.
Was
aber als Vorteil aussieht, ist in fast allen Fällen von einem
ungeheuren, qualitativ aber höherwertigen Verlust begleitet. Denn wir
lagern in der Technik Leiblichkeit, persönliches Vermögen aus, und
setzen durch solche Vorgänge (materiell in der Maschine, immateriell in
Programmen) "Prothesen" in beziehungsweise an unseren Leib. In den wir anderseits
die Welt unverzichtbar eingliedern. Gleichzeitig ist diese Entwicklung
von einem Abbau von Verantwortung gekennzeichnet, denn sie bedeutet, daß
das Eigentumsverhältnis zu den Dingen verschwindet. (Man denke an die
Vision der Mobilität in der Stadt, in der niemand mehr ein Auto braucht,
dafür bestehende, selbstfahrende Autos über Vernetzung pausenlos
unterwegs und per App buchbar sind.)
Das heißt, daß sich der persönliche Besitzanspruch, das Territorium des Leibes gewissermaßen, ausweitet (was meist übersehen wird). Damit wird nicht nur die Unverzichtbarkeit auf Weltdinge größer, sondern die Freiheit, Vorgänge auch anders zu gestalten, geringer. Die Technik wird zum Zwang, um überhaupt noch leben zu können.
Das heißt, daß sich der persönliche Besitzanspruch, das Territorium des Leibes gewissermaßen, ausweitet (was meist übersehen wird). Damit wird nicht nur die Unverzichtbarkeit auf Weltdinge größer, sondern die Freiheit, Vorgänge auch anders zu gestalten, geringer. Die Technik wird zum Zwang, um überhaupt noch leben zu können.
Und
verbindet sich noch dazu mit dem Zwang, im Erwerbsleben ein bestimmtes
Einkommensminimum zu erzielen. Die Abhängigkeit von Geld und auf Geld
(nicht auf Wert!) ausgerichtete Arbeit steigt also. Und zwar vor allem
quantitativ, weil wie gezeigt die Energiedichte jeder Arbeitsminute
sinkt, während die Anzahl der nötigen Vorgänge steigt. (Simples
Beispiel: Früher ging man mit ein paar Noten unter dem Arm zum
Klavierunterricht, machte sich für nächsten Dienstag einen Termin aus,
und alles war erledigt. Schaue der Leser einmal genau, wie viele Dinge
und ausgelagerte Vorgänge er heute braucht, will er so einfache Dinge
regeln. Und mache er keine Ausnahme, rechne er auch ein, was an Umwegen
zu machen ist, weil andere Vorgänge durch Zeit-, Geld- und Dinge-Aufwand
Auswirkungen haben. Auto, Handy, ständige rasche Ortswechsel,
Aufgezeichnetes in Computern, Erwerbsarbeit auch der Frau, etc. etc.)
"Wir
leben in einer mobilen Welt. Und daran führt auch kein Weg vorbei. Und
wir leben noch dazu in einer vernetzten Welt." Was Gerd Leonhard so
nonchalant daher erzählt ist in Wahrheit nicht einfach eine Frage des
Lebensstils, den man halt auch ändern kann. Es ist eine Veränderung des
Wesentlichen im Leben, nein, es ist eine Verlagerung weg von allem, was
noch Substanz hat hin zur positivistischen, spiritualistischen
Bewußtseinswirklichkeit.
"Mobil"
heißt auch "Entwurzelung" und damit substantieller Verarmung, so
einfach könnte man es nennen. Es bedeutet ein Auflösen der eigenen
Substanz, die durch virtuelle, flüchtige Vorgänge ersetzt werden soll
(wenn das denn ginge).
Oh
nein, der VdZ ist nicht unbedingt "technikfeindlich", eher freilich hat er etwas gegen mechanische, vorhersehbare Abläufe und kann sich an Technik nur sehr bedingt begeistern, hält sie meist für Gehirnmechanik. Deshalb ist sie recht leicht lern- und vermittelbar. Aber er ist nicht
gegen Verbesserung als "Fortschritt", ja "Wachstum", weil das im Wesen
des Menschen begründet liegt: Die Verdichtung weil Zusammenfassung der Energie in jedem
seiner Vorgänge, sodaß sich bei jedem seiner Taten die Handlungsebene in
immer mehr Umfassenderes, Universelleres schiebt (was letztlich Begriff,
Wort, Geistiges bedeutet), was nur durch Tugend einerseits, durch
Erinnerung (sic!) als Speicherung (sic!) anderseits möglich ist. Je
allgemeiner Begriffe sind, um das zu illustrieren, desto mehr Einzeldinge
tragen sie mit sich, selbst wenn man diese Einzeldinge "vergißt" oder
nicht einmal direkt als vereinzelte Dinge "kennt".
Morgen Teil 2)