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Sonntag, 12. Januar 2020

Sicher Gewußtes - Sicher Falsches (3)

Teil 3) "Die Welle" - ein wissenschaftlicher Niederschlag


Ähnlich ihm kam auch sein Kollege Philip Zimbardo in Verruf. Er hatte 1971 die berühmte Gefängnisstudie angefertigt, in der er "bewies", wie sich unter bestimmten Umständen selbst in Gefangenensituationen neue Hierarchien zwischen Aufsehern und Untergebenen bildeten. 

Beide hatten nunmehr gezeigt, daß unter bestimmten Umständen der Aussichtslosigkeit auch früher ganz harmlose, normale Menschen plötzlich zu Monstern wurden, sobald man sie dazu ermächtigte. Ein berühmt gewordener und bis heute sein Unwesen treibender Versuch habe angeblich gezeigt, daß augenblicklich in einer nachgestellten Gefängnissituation sich jeder der ihm zugeteilten Rolle gemäß verhielt. Aufseher drangsalierten Gefangene, Gefangene verhielten sich wie ausgelieferte Unterworfene. 

Erst 2018 wurde enthüllt, daß diese Studie alles mögliche, aber nicht die von Zimbardo gefundenen Ergebnisse erbracht hatte. So hatte etwa der Psychologe seine als "Aufseher" eingeteilten Studenten vorher eindrücklich angehalten und sogar trainiert, sich "aggressiv" zu verhalten. Insgesamt waren außerdem die Bedingungen der Studie höchst fragwürdig und für das zu Beweisende völlig ungeeignet. Es war eine schöne Inszenierung, keine Studie. Und sowohl der Film wie das Buch, das unter "Die Welle" bis heute Interesse finden, sind interessante Geschichten, aber nicht Gewißheiten über den Menschen. Dem als freiheitsbegabtem Wesen eben immer gewisses Fehlverhalten möglich ist, der aber kraft dieser Freiheit auch immer die Wahl hat, sich für das Richtige zu entscheiden. Weil dieses Richtige als das Wahre nicht einfach von einer Umgebung vorgegeben wird. Beeinflußbar ist vielmehr die Haltung dazu, gewiß, aber nur beeinflußbar der Gewissensstimme nicht zuzuhören, nicht bestimmbar, dem Falschen zu folgen. 

Und es gibt genug Beispiele, die das Gegenteil auch dieser (betrügerischen) Aussage beweisen. Wir haben die positiven Beispiele, die die Größe und Großartigkeit des Menschen zeigen, nur zu leicht aus dem Blickfeld verloren. Sie wurden und werden gerade heute auch oft sträflich, ja in bösartiger Absicht verschwiegen. Weil sie in das, was angeblich über den Menschen "mit Gewißheit" ausgesagt wurde, diese Niedrigkeit, die ihn angeblich beherrscht, ja die SEINE NATUR sein soll, damit in DIE NORMALITÄT, von der wir überzeugt worden sind, einfach nicht passen. Von Menschen, die den Menschen halt gerne so schlecht hätten. Vielleicht, weil sie sich damit selbst jene Gewissensruhe verschaffen wollen, die sie durch eigene Verderbtheit nicht erwerben können.

Das heißt alles zwar nicht, daß an den abstrakten Aussagen solcher "Forschungen", wie Zimbardo oder Rosenhan sie behaupteten, alles falsch ist. Aber beide waren von ihrer Intuition, wie sich Menschen verhalten KÖNNEN, so hingerissen, daß sie nicht nachforschten, um das herauszufinden, ob es denn so sei, sondern Studien anfertigten, die genau das Gewollte belegen SOLLTEN. 

Psychiater haben zu viel Macht, und neigen dazu, diese zu mißbrauchen. Es gibt (oder gab) Krankenanstalten mit furchtbaren Mißständen. Es ist eine große Gefahr, daß Ärzte ihre Patienten unter der Brille einer Diagnose sehen, die einer normalen, spontanen Reaktion keine Chance mehr gibt, dieses Urteil noch zu durchbrechen, sondern alles im Licht einer Pathologie und der Art, wie der Patient damit umgeht, deuten. Und über die Neigung im Verhalten von Menschen, denen in einer Situation von einer Autorität Macht über andere gegeben wird, müssen wir nicht viel diskutieren.

Aber weder beweist das, daß es so sein MUSZ, noch daß es meistens so ist, noch daß es Studien gäbe, die genau das "bewiesen" hätten. Das sagt einem ein wenig Menschenkenntnis und Welterfahrung. Es gibt auch so ein Verhalten wie Kinsey es "gefunden" hat, aber das ist nicht die Normalität, sondern das ist der nie ruhende Anruf durch eine Situation, diese Normalität zu BRECHEN. Es ist aber NICHT NORMALITÄT, und niemand weiß das besser als die sich so Verhaltenden selber. Im Gegenteil, wenn an diesen Gesichtspunkt verliert, wird das Verhalten der Menschen noch unverständlicher und zementiert sie auf einem Verhaltensniveau ein, in dem sie sich noch leichter, ja fast gedrängtermaßen selbst verfehlen.

In gar keinem Fall aber kann man in all diesen Fällen von "Wissenschaft" oder "wissenschaftlichem Beweis" sprechen. Und in jedem Fall haben solche betrügerisch als Wissenschaft ausgegebene "Studienergebnisse" unter einer Krankheit zu leiden, die heute extrem weit verbreitet ist und mit manchen sehr grundlegenden Mißverständnissen zu tun haben. Die in erster Linie das betreffen, was mit "Gewißheit", also mit mathematisch gestützter Wahrscheinlichkeit zu tun hat, die automatisch zu Gewißheitsannahmen verführt, die wissenschaftliche Ergebnisse bis zur Unbrauchbarkeit verfälschen können. 

Wäre etwa Rosenhan einfach vorsichtiger gewesen, ehrlicher, hätte er auch Widersprüchliches zugelassen, hätte er am Ende vielleicht sogar gesagt, daß es dies und das gibt, daß es aber nicht dem eigentlichen Studienzweck entsprungen ist, sondern (sagen wir) im Einzelfall vorkam und -kommt, hätte er vermutlich nicht nur kaum weniger Einfluß gehabt. Sondern er hätte vielleicht, ja recht sicher zur Besserung mancher Zustände beitragen können, über deren Notwendigkeit, sie abzustellen, es keinen Zweifel gibt. Aber wer weiß, wie sehr hätte sich wohl die Gesamtsituation der Psychiatrie in den USA wenigstens dahingehend verändert, als es nicht zu Zweifeln der politischen Autorität gekommen wäre, die diesen Zweig der Krankenfürsorge nicht so schlecht mit Mitteln versorgt hätte sein lassen.

Aber ganz sicher ist, daß sich die Vernunftbasis ganzer Völker und Kulturen gesünder weil wirklichkeitsgerechter entwickelt hätte, wenn ihnen nicht "Gewißheiten" und "Wahrheiten" als verbindlich serviert worden wären, die zu oft verheerenden Fehlurteilen geführt haben. Und über Generationen bis heute ihr schreckliches Spiel in den Köpfen so vieler Menschen fortführen.