Teil 3) "Die Welle" - ein wissenschaftlicher Niederschlag
Ähnlich ihm kam auch sein Kollege Philip
Zimbardo in Verruf. Er hatte 1971 die berühmte Gefängnisstudie
angefertigt, in der er "bewies", wie sich unter bestimmten Umständen
selbst in Gefangenensituationen neue Hierarchien zwischen Aufsehern und
Untergebenen bildeten.
Beide
hatten nunmehr gezeigt, daß unter bestimmten Umständen der
Aussichtslosigkeit auch früher ganz harmlose, normale Menschen plötzlich
zu Monstern wurden, sobald man sie dazu ermächtigte. Ein berühmt
gewordener und bis heute sein Unwesen treibender Versuch habe angeblich
gezeigt, daß augenblicklich in einer nachgestellten Gefängnissituation
sich jeder der ihm zugeteilten Rolle gemäß verhielt. Aufseher
drangsalierten Gefangene, Gefangene verhielten sich wie ausgelieferte
Unterworfene.
Erst
2018 wurde enthüllt, daß diese Studie alles mögliche, aber nicht die
von Zimbardo gefundenen Ergebnisse erbracht hatte. So hatte etwa der
Psychologe seine als "Aufseher" eingeteilten Studenten vorher
eindrücklich angehalten und sogar trainiert, sich "aggressiv" zu
verhalten. Insgesamt waren außerdem die Bedingungen der Studie höchst
fragwürdig und für das zu Beweisende völlig ungeeignet. Es war eine
schöne Inszenierung, keine Studie. Und sowohl der Film wie das Buch, das unter "Die Welle" bis heute Interesse finden, sind interessante Geschichten, aber nicht Gewißheiten über den Menschen. Dem als freiheitsbegabtem Wesen eben immer gewisses Fehlverhalten möglich ist, der aber kraft dieser Freiheit auch immer die Wahl hat, sich für das Richtige zu entscheiden. Weil dieses Richtige als das Wahre nicht einfach von einer Umgebung vorgegeben wird. Beeinflußbar ist vielmehr die Haltung dazu, gewiß, aber nur beeinflußbar der Gewissensstimme nicht zuzuhören, nicht bestimmbar, dem Falschen zu folgen.
Und es gibt genug Beispiele, die das Gegenteil auch dieser (betrügerischen) Aussage beweisen. Wir haben die positiven Beispiele, die die Größe und Großartigkeit des Menschen zeigen, nur zu leicht aus dem Blickfeld verloren. Sie wurden und werden gerade heute auch oft sträflich, ja in bösartiger Absicht verschwiegen. Weil sie in das, was angeblich über den Menschen "mit Gewißheit" ausgesagt wurde, diese Niedrigkeit, die ihn angeblich beherrscht, ja die SEINE NATUR sein soll, damit in DIE NORMALITÄT, von der wir überzeugt worden sind, einfach nicht passen. Von Menschen, die den Menschen halt gerne so schlecht hätten. Vielleicht, weil sie sich damit selbst jene Gewissensruhe verschaffen wollen, die sie durch eigene Verderbtheit nicht erwerben können.
Das
heißt alles zwar nicht, daß an den abstrakten Aussagen solcher "Forschungen", wie
Zimbardo oder Rosenhan sie behaupteten, alles falsch ist. Aber beide waren von ihrer
Intuition, wie sich Menschen verhalten KÖNNEN, so hingerissen, daß sie
nicht nachforschten, um das herauszufinden, ob es denn so sei, sondern
Studien anfertigten, die genau das Gewollte belegen SOLLTEN.
Psychiater
haben zu viel Macht, und neigen dazu, diese zu mißbrauchen. Es gibt (oder
gab) Krankenanstalten mit furchtbaren Mißständen. Es ist eine große
Gefahr, daß Ärzte ihre Patienten unter der Brille einer Diagnose sehen,
die einer normalen, spontanen Reaktion keine Chance mehr gibt, dieses
Urteil noch zu durchbrechen, sondern alles im Licht einer Pathologie und
der Art, wie der Patient damit umgeht, deuten. Und über die Neigung im
Verhalten von Menschen, denen in einer Situation von einer Autorität
Macht über andere gegeben wird, müssen wir nicht viel diskutieren.
Aber
weder beweist das, daß es so sein MUSZ, noch daß es meistens so ist,
noch daß es Studien gäbe, die genau das "bewiesen" hätten. Das sagt
einem ein wenig Menschenkenntnis und Welterfahrung. Es gibt auch so ein
Verhalten wie Kinsey es "gefunden" hat, aber das ist nicht die
Normalität, sondern das ist der nie ruhende Anruf durch eine Situation,
diese Normalität zu BRECHEN. Es ist aber NICHT NORMALITÄT, und niemand
weiß das besser als die sich so Verhaltenden selber. Im Gegenteil, wenn
an diesen Gesichtspunkt verliert, wird das Verhalten der Menschen noch
unverständlicher und zementiert sie auf einem Verhaltensniveau ein, in
dem sie sich noch leichter, ja fast gedrängtermaßen selbst verfehlen.
In
gar keinem Fall aber kann man in all diesen Fällen von "Wissenschaft"
oder "wissenschaftlichem Beweis" sprechen. Und in jedem Fall haben
solche betrügerisch als Wissenschaft ausgegebene "Studienergebnisse"
unter einer Krankheit zu leiden, die heute extrem weit verbreitet ist
und mit manchen sehr grundlegenden Mißverständnissen zu tun haben. Die
in erster Linie das betreffen, was mit "Gewißheit", also mit
mathematisch gestützter Wahrscheinlichkeit zu tun hat, die automatisch
zu Gewißheitsannahmen verführt, die wissenschaftliche Ergebnisse bis zur
Unbrauchbarkeit verfälschen können.
Wäre
etwa Rosenhan einfach vorsichtiger gewesen, ehrlicher, hätte er auch
Widersprüchliches zugelassen, hätte er am Ende vielleicht sogar gesagt,
daß es dies und das gibt, daß es aber nicht dem eigentlichen
Studienzweck entsprungen ist, sondern (sagen wir) im Einzelfall vorkam
und -kommt, hätte er vermutlich nicht nur kaum weniger Einfluß gehabt.
Sondern er hätte vielleicht, ja recht sicher zur Besserung mancher
Zustände beitragen können, über deren Notwendigkeit, sie abzustellen, es
keinen Zweifel gibt. Aber wer weiß, wie sehr hätte sich wohl die
Gesamtsituation der Psychiatrie in den USA wenigstens dahingehend
verändert, als es nicht zu Zweifeln der politischen Autorität gekommen
wäre, die diesen Zweig der Krankenfürsorge nicht so schlecht mit Mitteln
versorgt hätte sein lassen.
Aber
ganz sicher ist, daß sich die Vernunftbasis ganzer Völker und Kulturen
gesünder weil wirklichkeitsgerechter entwickelt hätte, wenn ihnen nicht
"Gewißheiten" und "Wahrheiten" als verbindlich serviert worden wären,
die zu oft verheerenden Fehlurteilen geführt haben. Und über
Generationen bis heute ihr schreckliches Spiel in den Köpfen so vieler
Menschen fortführen.