Norbert
Bolz hat zweifellos Unterhaltungsfaktor. Aber auch fast nur solchen. Insofern
ist es manchmal durchaus amüsant und entspannend, ihm zuzuhören. Denn innerhalb
gewisser Grenzen sagt er recht trefflich, wo der Schuh drückt. Richtig,
werter Leser dieser Zeilen, das hatten wir ja schon ... als Merkmal des
Liberalen. Bolz ist einer, und er ist Protestant. Beides sind die
schlechtesten Voraussetzungen, um den Problemen, eben dem Stein im
Schuh, ontologisch auf den Grund zu gehen.
Insofern
hilft nicht viel weiter, was er sagt, außer daß es für gewissen
Small-Talk und Geplaudere im Kaffeehaus oder in Talk-Shows präpariert.
Aber das macht er ordentlich, und dafür ist er auch sympathisch genug.
Außerdem sagt er da und dort ja Richtiges, vor allem wo er als
Wissenschafts-Insider spricht, und er ist in seinem Rahmen wahrhaftig,
das ist ihm auf jeden Fall positiv zuzuschreiben. Man sollte nur nicht
den Fehler machen, es sich in der Blase solcher Kritikplaudereien allzu
wohlig einzurichten.
In diesem Vortrag spricht er etwas
an, das freilich nicht nur für den Wissenschafts- und Politikbereich
gilt. Die Blase, in der sich solche Leute befinden, geht nahtlos vom
Schul- auf den Universitätsbetrieb, und von dort auf den Berufsbereich
über. Aber das betrifft heute sehr viele Menschen, auch in früher
alltäglichsten Bereichen. Der Bereich jener, die wirkliche
Wirklichkeitserfahrung haben, die also von ihrem Tun einerseits, und der
Reaktion der Welt anderseits, existentiell abhängig waren und sind,
wird immer kleiner. Was dann die Lücken zwischen Schule, Universität und
Leben betrifft, werden die von permanentem Medienkonsum, vor allem durch
pausenlose Eingebundenheit in social media gefüllt. Damit bleibt die
Membran der Entwirklichung (als Entwurzelung) intakt.
Ein Wort sei herausgegriffen, das Bolz anführt: Das vom "Phantomproblem".
In solchen abgeschlossenen Blasen passiert es allzu leicht, daß sich
Probleme ergeben, die in der Wirklichkeit gar keine sind. Die aber kraft
der Medienmacht dieser Berufsfelder (die bevorzugt entwirklicht sind),
kraft der Autorität, die sich mit ihrer Stellung verbindet, zu
"wirklichen" Problemen hochstilisiert werden und den Diskurs beherrschen.
Der dann zur sinnlosen Quatscherei - zum BULLSHIT - wird, der von völliger Indifferenz, ja Ignoranz der Wahrheit als (auch: gemeinschaftsbildendes) Kriterium getragen ist.
Ganz
am Anfang zitiert Bolz noch etwas, das zu wichtig scheint, als daß es
unterginge, es scheint sogar das Hauptpünktchen auch der political
correctness zu sein: Die Menschen, das Volk läßt sich von Medien gar
nicht beeinflussen. Was tagein-tagaus gehört wird, ist genauso schnell
wieder vergessen und hat oder hätte keine Relevanz. Die hat es nur für opinion leader,
Führungskräfte, Autoritäten, Intellektuelle, Politiker, die den
Medienquatsch ernst nehmen. Und erst im Blick auf diese Autoritäten
folgt dann das Volk in der Einschätzung der Weltdinge.
Man kann deshalb sehr oft beobachten, daß ein alltäglicher Disput über dies oder das gar kein Streit über die Dinge selbst ist. Dazu wissen die Menschen in der Regel viel zu wenig Relevantes zu sagen. Es ist vielmehr ein Streit über den Rang und die Stellung der Autorität, von der sie diese Einschätzung übernommen haben. Die Menschen folgen also gar keinem Urteil, sie folgen Personen, denen sie folgen.
Entsprechend
ist ein Streit unter "Fachleuten" selbst fast immer kein Streit um
sachliche Fragen, sondern einer um die größere Autorität der sich
behauptenden Personen als Gestalt. Es ist ein Streit um den Ort, an dem
man in der Schöpfungsordnung steht, und den man verdient zu haben meint.
In jedem Fall ist dieser "höher" - nach dem Autoritätsschema, das sie
in der Kindheit erfahren haben - als der, an dem sie ursprünglich
standen oder an dem sie sich erfahren haben. Der ihnen aber nicht
gereicht hat. Es ist also ein Streit um den Platz zur Rechten und Linken
Gottes DURCH Leistung.
Das ist zugleich schon der tiefere Sinn der political correctness.
Sie ist eine Erfindung von Minderheiten, gewissermaßen, von Gruppen,
die sich aufgrund der Gruppenidentität, der Stellung dieser Gruppe in
einer größeren, umfassenderen Gruppe untergeordnet erleben.
Morgen Teil 2)
*131119*
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