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Mittwoch, 24. November 2021

Die Art und Weise, in den Krieg zu ziehen

Die Auflösung des Sozialen, erfolgt durch die Auflösung der vergangenen Selbstverständlichkeiten, all der normalen, selbstverständlichen Verbindlichkeiten in allem, den Familien, den Ehen, den Arbeitsverhältnissen (wo sich jeder selbstverständlich verpflichtet fühlt, der zur hingebungsvollen Leistung, jener zum gerechten Lohn), den Nachbarschaften und und und (selbst ein Rettungswesen oder die Feuerwehr sind längst teilmonetarisiert, auch wenn es offiziell nicht zugegeben wird) hat zu Gewaltverhältnissen im Sozialen geführt. Wo das Gesetz der Durchsetzung, des Stärkeren, des Skrupelloseren nicht einfach gilt, sondern vor allem als Idealbild. (Allein die faktische Realität ist ja noch oft anders, aber sie wird durch das Ideal bestimmt und ihm gemäß verändert.)

Aber Gewaltverhältnissen ist auch der Umbau der alltäglichen Zustände in Kriege. Und tatsächlich zeigt der Sprachgebrauch, daß wir uns in lauter Kriegen befinden. Krieg gegen den Terror, Krieg gegen das Klima, Krieg gegen Corona, Krieg Krieg Krieg. Krieg bedeutet, daß die selbstverständliche Ganzheit des Lebens aufgegeben wird, und zugunsten des Teilzieles - des Bestehen des Ganzen - der Strategie des Staates alles unterworfen wird. Um von diesem Kriegs- und Kampfgeschehen her das Leben bis ins Kleinste hinein besitzen zu lassen.

Karl Eugen Gass* schreibt einmal in seinem wunderschönen und wie die goldgelbe Abendsonne reifen "Pisaner Tagebuch", daß man die Herrschaftsform eines Staates an der Art erkennen kann, wie der Einzelne in den Krieg geht. 

Wie recht er damit hat. Und man sieht es gerade in diesen Monaten, die schon zu Jahren wurden, wieder, ja immer deutlicher: Die Art, wie die Menschen sich dem staatlich angeordnet geführten Kriegen (eigentlich muß man fast von Kriegen des Herrschergeschlechts sprechen, in denen es nur um dessen und deren Umgebung Macht, Einfluß und Bestand geht, nicht um ein wie auch immer geartetes "Staatsganzes", als Einheit von Haupt und Leib) fügen und in ihm kämpfen (oder den Kampf verweigern) hat sich von Anfang an durch die merkwürdig hohe Gewaltbereitschaft der Obrigkeiten gezeigt. 

Die sich mehr und mehr gesteigert hat. Mittlerweile können wir die Herrschaftsform erkennen, der wir unterliegen. Und erkennen, wie groß die Lüge um "Demokratie" auch als große Vision der Humanität immer gewesen ist. 

Mittlerweile hat sie ein Ausmaß und eine menschenverachtende Unverschämtheit erreicht, die mir ob ihrer breiten Akzeptanz endgültig Angst einflößt. Ein wenig hilft mir da nur, daß ich im Nachbarland "untergetaucht" bin. Wo im Grunde niemand behelligt wird, auch wenn die Obrigkeiten gerne mit allen Säbeln rasseln, und operettenhaft die Truppen zu Trommeln paradieren lassen.

Ganz Operette wird es freilich nie. Dazu fehlt dem Ungarn das, was der Italiener so überreich hat: Diese Leichtigkeit der Form gegenüber, diese Lust zu Maskerade und Puppenspiel. Zu sehr zieht es die Magyaren zum Muladsag um die Guyaskesseln, und zum faulen Räkeln in der Pusztasonne. 

Die Nachlässigkeit, die ich früher nicht sehr mochte, habe ich gerade in diesen Zeiten aber sehr schätzen gelernt. Sie hat erst abgemildert, was woanders so martialisch daherkam und schließlich ganz verschwinden lassen, worunter nur wenige Kilometer entfernt die Menschen so leiden.

Und ich habe gelernt, daß diese Nachlässigkeit als "Gemütlichkeit" dem Österreicher zwar nachgesagt wird. Doch hat sie der gar nicht mehr. Denn man unterschätzt die Gelassenheit. Sie braucht viel Mut und Männlichkeit, etwas zu wagen. Sie braucht aber vor allem Liebe zum Nächsten, zum Land und zum König. Und sie braucht umgekehrt: Die Liebe des Königs zum Volk.

Auf solchem Boden aber wächst sogar der soldatische Mut, die Bereitschaft, sich "freiwillig" und hingebungsvoll dem Befehl des Königs zu unterwerfen. Weil man an seine Liebe glaubt, und deshalb an seine Bereitschaft nur an Gefolgschaft zuzumuten, was der Vernunft entspricht. In deren höhere Kreise der Gemeine halt keinen Einblick hat. Aber er will das ja auch gar nicht, denn es lebt sich viel angenehmer, wenn die eigenen Gedanken mit den Kreisen der eigenen Lebensführung auch übereinstimmen.



*Das mich von früher Jugend an begleitet, obwohl ich es bis vor einigen Jahren nie verstanden habe. Ich habe es nur "gerochen", geahnt, gefühlt, habe dabei aber um eine geistige Bruderschaft und -liebe gewußt, deren "Gleichheit" - denn das ist Bruderschaft - ich erst heute erfüllen kann. Gass war Offizier der Wehrmacht, und ist auch als solcher im Zweiten Weltkriege (in Italien) gefallen.

Sein Tod war ein großer Verlust, sieht man es von der Vollkommenheit seines Geistes her. Sieht man den Sprachraum als Ganzen, kann man es etwas relativieren, so seltsam kalt das auch klingen mag. Aber damals war die deutsche Sprache (als geistiger Raum) generell noch reich (oder zumindest: reicher) an hohen Geister, daß sich auch nach 1945 noch viel Geist bewahrte. Hätte sich nicht der Ungeist (durch fremde Hilfe) so breit gemacht, wäre "alles anders gekommen." Heute ist Geist in unserem geistigen Raum dermaßen solitär, daß er nicht einmal mehr erkannt werden kann. 

Die einzige Hoffnung liegt auf Einzelnen, die - wie ich bei Gass - etwas "ahnen", riechen, fühlen, von dessen Ankunft sie heute aber noch nicht das Geringste wissen. Sodaß sie wenigstens in brüderlichem Geiste auf den Reichtum verweisen können, damit er nicht vergessen werde. So etwas hatten wir ja schon. Denn ungefähr so muß es zur Zeit der Völkerwanderung gewesen sein. Sodaß der Geist der Antike nach einem halben Jahrtausend der Verborgenheit doch wieder fruchtbar werden konnte.

Denn in Wahrheit ist es immer ein und derselbe Geist, um den es geht. Er ist ewig und er ist absolut.