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Mittwoch, 17. November 2021

Wer wen angesteckt hat (2)

*Eine Anmerkung zum Adel der Schallenbergs: Wer "Witiko" von Adalbert Stifter gelesen hat, sieht in jedem der Landadeligen des Mühlviertels des Dichters Vorbild. Der so herrlich und nachvollziehbar die Entstehung von Adel oder gesellschaftlicher Hierarchie generell anhand derer in der Mühlviertler-Böhmischen Landschaft darzustellen vermag.
 
Dennoch hat der VdZ beim Adel der Schallenbergs so seine Bedenken. Nicht zuletzt wegen deren Sproß, der jüngst ins Kanzleramt Österreichs geschossen wurde. Einmal mehr, weil damit ein Schallenberg in den Beamtenadel "vergoldet" wurde? Als der Adel nämlich begann, fraglich zu werden. 

Auch aus der Geschichte dieser Mühlviertler Adelsfamilie könnten sich Rückschlüsse auf einen gewissen Familiencharakter ergeben, der sich im jüngsten Sproß durchaus wiederfindet. Weil dieses Haus, wie man hört und liest, sich auch zu Zeiten im Kreise der sich um das berühmt-berüchtigte Freimaurerschloß Rosenau im Waldviertel sammelnden Landadeligen hervorgetan hat. Immerhin war ja auch ein Schallenberg einmal Landeshauptmann dieses Österreich unter der Enns, zu dem das Waldviertel gehört.

Nun ist das Schloß Rosenau nicht einfach nur ein Freimaurerzentrum früherer Zeiten, und nicht zufällig hat sich das Freimaurertum in der Renaissance zu bilden begonnen, die zeitlich mit der Reformation quasi beginnt. Sondern die dort konspirierenden Adeligen (vor allem kleine Landadelige, so wenig diesen nur Schlechtes nachgesagt werden soll) steht in enger Verbindung mit der Schallaburg (ob die Namensähnlichkeit Zufall ist?) bei Melk. Die im 17. Jahrhundert ganz bewußt sogar als De-Evangelisierungszentrum gegen das katholische (und damals ums Überleben kämpfende) Benediktinerstift Melk (sogar in Sichtweite) ausgebaut wurde. Sondern auch die Zirkel um das Waldviertler Schlößlein. 

Der vielleicht deshalb so ruhig hat sein Wesen entfalten können (und der Großteil des einfachen Landadels im unterennsischen Österreich war protestantisch, und blieb es auch, gegen das kaiserliche Edikt, und natürlich gegen den Westfälischen Frieden, schlichtweg). Vielleicht hat es mit den Schallenbergs zu tun, die ja gewissermaßen "welche der ihren" waren, daß diese österreichischen Adeligen auf so tolerante Herren in Wien stießen. Und in aller Ruhe ihre Wirtschaften und ihre Bibliotheken und Schlösser pflegen konnten. 

Viel auffallen durften sie halt nicht. Aber das tun Geheimgesellschaften ohnehin nicht gern, die ja geheim sind, weil sie wissen, daß man so viel mehr erreichen kann als wenn alles bekannt ist. Und viel tun haben sie in Österreich ja eh nimmer müssen, die Kaiser waren doch ohnehin fast alle Freimaurer, seit sie sich so rund um Adam Weishaupt im 17. Jahrhundert bei uns gebildet haben, und ihren Ideen gegenüber mehr als aufgeschlossen.

Man kann also fast sicher davon ausgehen, daß die Schallenbergs seinerzeit, als alles danach aussah, als würde Luther in den Herzen, vor allem aber in den Köpfen (plötzlich mußte man ja nix mehr glauben, was man nicht auch verstand, selbst wenn zwischen den Ohren nur kümmerlich Stroh war) auch der Österreicher ob wie unter der Enns siegen, protestantisch wurden. Und solcherart zu jenem Zirkel der protestantischen Kleinadeligen zählten, die sich heimlich ihrer "wahren Lutherischen Religion" erfreuten. Und die Renaissance umso herzlicher umarmten. 

Vielleicht aber sind sie wieder katholisch geworden, die Schallenbergs, und haben als Dank dafür (oder als Anreiz? Wer weiß, wer weiß ...) einen schönen Titel, höheres Prestige, und einen einträglichen Posten am Hof bekommen, der außerdem so ganz ihrer Charakterstärke entspricht. Eine oberflächliche Recherche bestätigt jedenfalls solche Spekulationen. Kämmerer. Darf man vermuten, daß die Schallenbergs seither ziemlich ... naja, wie sagen wir es ... vermögend sind?

Denn zufällig wurden sie, die gerne mit der Mode gingen, als es ums Wechseln der Konfessionskleider ging, im frühen 17. Jahrhundert durch die Erhebung in den Reichsfreiherrnstand vom Kaiser* wieder auf dessen Schoß gehoben, sozusagen. Der ohnehin über jeden froh war, den er nicht einfach weiter tolerieren mußte (wie das in Österreich der Fall war), sondern der ohne Skandal offiziell wieder ansehbar wurde. Und durch seine Verbindungen in die protestantischen (und freimaurerischen) Kreise war mit dem Schallenberg schon was anzufangen. 

Das hat sich wohl auch ein Herr Sebastian Kurz gedacht. Der da im Beamtensöhnlein Schallenberg einen Standesgenossen traf, der schon formbar war. Und nicht nur das: Mit dessen Familienerbe, mit dem der Bub selber eh nix anfangen kann, sich so herrlich der Rahm aus dem Topfe der Reputation (in Österreich ist ein "von" eben ein "von", und wie!) schlecken läßt. Sodaß der süße weiße Schmand einem selbst dann bis zu den Ohren klebt.

*Ferdinand II., nehme ich an. Richtig, der Kaiser, bei dem sich Spanien und /Österreich unter einer Fahne fanden, und der die Gegenreformation bei uns begann. Würde sich da nicht auch eine Bekehrungsgeschichte" der Schallenbergs gut einfügen? Interessanterweise ist Ferdinand nämlich bei den Jesuiten in Ingolstadt erzogen worden, "damit er mit dem Lutheraner Kleinadel nicht zu sehr paktiere", schreibt die englische Wikipedia. 

Naja, die Habsburger waren für jeden dankbar, der sich auf ihre Seite schlug und sie ein bißchen lieb hatte. Außerdem war damals Not am Mann - sein Cousin, der ungarische König Matthias, auf den die Magyaren so stolz sind, weil er sogar Wien eingenommen hatte, machte ihm den böhmischen Thron streitig, und nicht nur den. Da war jede Allianz von Nutzen. Also auch die bekehrungswilligen Schallenbergs.