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Samstag, 20. November 2021

Die Vorstellungen von Vikingern (3)

Die späte Phase der Vikinger. Erst wird der Christ in der Schlacht besiegt, dann wird er ausgeplündert. - Aber in diesem Stadium beginnt ein Faktor aufzustehen, den es bisher im Leben eines Volkes nicht gegeben hat. Weil die einen in einem Gesamtsystem des An-sich-reißens schwächer werden, sobald sie das Schwert aus der Hand legen, sobald sie die andere Wange auch hinhalten, sobald sie dem Hemd auch noch den Rock hinterdrein werfen, ab diesem Moment beginnt die Ausplünderung und der Diebstahl das bestimmende Element zu werden. Und ab diesem Moment - auch bei den Vikingern, ist archäologisch binnen kurzer Zeit die Zunahme von Migration festzustellen.

Schlechten Menschen geht es immer gut. Guten Menschen sehr oft schlecht. So hat es meine Mutter oft formuliert. So resigniert sie das auch meinte, es steckt ein Funke Wahrheit drin, nimmt man den "kurzen Blick". Der feststellt, daß scheinbar der Christ in Nachteile gerät.
Auch bei den Indianern Amerikas hat es schreckliche Auswirkungen gegeben. Die Huronen, der erste zur Gänze christianisierte Indianerstamm Nordamerikas, wurden von den in den Kriegen skrupellos gebliebenen Irokesen - ein Völkermord! - ausgelöscht. 

Auch die Lebensweise der Vikinger, die immer "internationaler" wurde  (Siehe Anmerkung**), erlosch wie eine Kerze. Und genauso offensichtlich parallel zu dem Maß, in dem sie christianisiert wurden. Die Gewaltbereitschaft, der die Vikinger über zwei, drei Jahrhunderte ihren "Aufstieg" als europäische Großmacht, ja als Machtfaktor von Britannien bis zum Knotenpunkt der Seidenstraße in Peshawar verdankten, schwand. 

Die Vikinger wollten schließlich nur noch eines: Wurzeln. Sich dem Ort zuwenden, auf ihn hin transzendieren. Somit die Erfüllung ihrer Bestimmung dort finden, um so in Ruhe in ihren neuen Siedlungsräumen zu leben, der Landwirtschaft, dem Handwerk, der Seefahrt, dem Fischfang und dem einmütigen Handel nachgehen, ihre Familien unterhalten und friedvoll in ihren Betten sterben. 

Das Große hatten sie nie gehabt: Die Vision eines Reiches. Und dieses Große lieferte auch nicht das Christentum, denn das Reich Gottes IST NICHT VON DIESER WELT. 
Ihre Vorstellungen von Glück und Wohlfahrt waren schon früher stets nur auf sich, ihre Familie und ihre unmittelbare Umgebung bezogen. Somit waren sie - ohne das zu wissen - bestens dafür geeignet, sich wo immer sie hinkamen, mit der Zeit zu assimilieren. Zu spät hatten sie sich zu einem Königtum geeint.

Sodaß sich auch der Fernhandel aufhörte. Denn die langen Wege, die sie für Jahrhunderte (mit-)beherrscht hatten, waren nur durch ihre Gewaltbereitschaft offen zu halten gewesen. Man hatte sie schlicht gefürchtet, und deshalb ihre Ansprüche respektiert. Eine Zeit lang drängten noch Vikingergruppen aus dem Landesinneren nach, um die Küsten-Vikinger zu ersetzen. Bis auch diese die große Sehnsucht nach Seelenfrieden ereilte.

Sie verloren damit nicht nur ihre südlichen Reiche - Sizilien, die Lombardei (Lombarden), das damals so fruchtbare Nordafrika, letztlich auch die Normandie und schließlich England - sondern wurden durch die aggressiveren Dänen (die nicht zufällig zum Protestantismus "konvertiert" waren, der der irdischen Skrupellosigkeit Tür und Tor öffnet) jahrhundertelang unterworfen. Und sie hörten auf, den Osten - Rußland - zu dominieren.

In der Kurzsichtigkeit des Kapitalisten, als den wir diesen Menschen der Gewalt bezeichnen wollen, der die mit ihm heidnisch gewordene Welt wieder so beherrscht wie zur Zeit der Vikinger, wird aber lediglich und jedesmal sofort Bilanz gemacht. Langfristige, ja ewige Güter kennt er nicht. Somit ist zwar diese einfache Bilanz "negativ", aber das stimmt auf lange Sicht nicht.

Man übersieht nur allzu rasch jene Güter, die in ihrer Qualität weit über all dem stehen, was er sich am Abend auf den Tisch legt und in seine Listen (Siehe Anmerkung***) eintragen kann. Das geistige Gut hingegen kann er nicht messen und wiegen. Dabei ist es erst dieses Gut, das sein wirkliches Streben nach Glück sättigt.

Es ist deshalb eine lehrreiche Übung, der wir uns von Zeit zu Zeit unterziehen sollten. Uns nämlich vorzustellen, wie Archäologen in eintausend Jahren beurteilen und interpretieren werden, was von uns zurückbleibt und noch untersucht werden kann. 

Nicht nur weil dann klar werden kann, welche Rolle die Vorstellung von Zeitläufen dabei spielt, die wir nach Vorstellungen von Wirklichkeiten bilden, denen das Untersuchte unterlag. Wie wenig also Zeit und Zeiträume überhaupt eine Rolle spielen, um etwas zu beurteilen, wie viel Rolle sie aber spielen, um unsere Vorstellung abzusichern, mit "historischer Wirklichkeit" auszustatten. Weil jeder Zeitraum einer unendlich komplexen Maschine gleicht, in der kein Teil ohne den anderen gedacht werden kann. Sodaß auch die Beurteilung von Kausalitäten einer Gesamtwirklichkeit entspricht, die sich nicht aus dem Aufgefundenen erklären läßt. Das nur belegen kann, nicht erklären.


*141121*