Es ist für den Propheten selbst schwer zu verarbeiten, und och mehr für sein gesamtes Umfeld, seine Mutter, seine Verwandten, in einer Aufgabe geboren zu werden, die ihn aus dem übliche Spiel der Menschen - grosso modo: Haus bauen, Kidner zeugen, Bäume pflanzen, einen prosperierenden Lebensbetrieb aufzustellen und zu unterhalten, um ihn dann weitergeben zu können - herausnimmt, und zu einer Rolle der scheinbaren "Sinnlosigkeit" verdammt. Er kann seine Tüchtigkei nicht nachweisen, wie jeder Bäcker oder Versicherungsvertreter im Nachbarort, sondern nahehzu im Gegenteil:
Er wird auch noch geplagt und geschlagen, weil Gott an ihm ein besonderes Werk der Zurüstung vollzieht. Denn erst dann kann er den Propheten "brauchen", und dafür braucht er ihn dann auch, wenn dieser der Weltaufgabe seiner eigenen Herkunftsfamilie gestorben ist. Was Gott sogar durch "Versagen", durch "Scheitern" zeigt. Sodaß der Prophet sogar jede weltliche Glaubwürdigkeit verliert, weil sein "Leben" keinerlei Autorität zuerkannt hält. Autorität wie der Lehrer, der Bürgermeister, der Architekt, der Vorarbeiter in der Strrangießerei, der Ingenieur im Grubenbau, die Ärztin im Geriatriezentrum. Wo immer er sich doch ein "gutes Leben" zusammenschummeln will - Gott hebt es mit einer unbarmherzigen Zielsicherheit aus. Also klagt auch der Prophet Jeremia, nicht anders als seine "Zunftkollegen"
Weh mir, Mutter, dass du mich geboren hast, einen Mann, der mit aller Welt in Zank und Streit liegt. Ich bin niemands Gläubiger und niemands Schuldner, und doch fluchen mir alle. Kamen Worte von dir, so verschlang ich sie; dein Wort war mir Glück und Herzensfreude; denn dein Name ist über mir ausgerufen, Herr, Gott der Heere.
Der Prophet hat ein besodere Schicksa, ds er weder gewählt hat, noch liebt, denn wer liebt ein Leben, das jedes weltichen Aspekts entbehten muß, um vollzogen zu werden?
Er gehört nicht sich selbst. Insofern ist er zwar nur prototypisch für jeden Menschen, aber in seinem Fall hängst sein gesamtes tun und Lassen - sein Beruf, wenn man so will - von seiner subjektiven Vervollkommung ab. Vernachlässigt er diese, bleibt ihm keine der irdischen Freuden, die den Menschen im Alltag scheinbar doch noch zu trösten vermögen.
Der Prophet aber hat die Wahl nicht. Es ist eine alte Überzeugung, daß der Poet, der Dichter, der Künstler generell in diesem Punkt dem Schicksal des Propheten gleicht. Und nach wie vor steht Dichter und Prophet bei Völkern und Kulturen in engem Zusammenhang und Rang. Nicht nur m arabischen Raum (von wo ich es aus Erfahrung kenne), aber bei weitem nicht nur dort, wird das sogar zum "Heiligen" erweitert, ist der Poet auch ein Gottgeliebter.
Und in vielen "Naturvölkern" ist das nach wie vor der Fall, ja verschmilzt damit sogar oft noch die Priester- wie die Königsrolle. Königs Davids Schicksal ist aber auch für uns so zu sehen. Und beim Staufer Friedrich II. kann man viele dieser Elemente gleichermaßen verwirklicht sehen, was diesem die Realsituation mit "hier der Gottähnlichste, dort der Papst" nicht gerade leichter machte. Denn die Vollendung des Zusammenfließens dieser Eigenschaften ist die Göttlichkeit selbst. Dazu fehlt aber das Sakrament, das dem König seit der Jahrtausendwende dann doch wieder abgesprochen wurde. Anders wie im muslimischen Raum oder wie in China, wo sich diese Unificatio bis in die Neuzeit erhalten hat.
Da brauchte es deshalb auch keinen Propheten mehr, denn im König war ohnehin alles bereits enthalten. Und verhielt sich dieser nicht nach Gottes Willen, so war es für das Volk durch ein mißgünstiges Schicksal erkennbar - und man forderte vom König den Abtritt. Meist als Opfer im Sühnetod, um Gott zu versöhnen. Eine Sitte, die sich in zahllosen weiteren Kulturen der Welt findet.
Allerdings findet sich in der Trennung, die sich mehr oder weniger weltweit dann durchsetzte, auch eine Trennnung der nicht selbigen Aufgabe: Der König wieder Künstler ist der "nur Zeigende", "nur Darstellende". Ja, auch der König, denn nicht der König regiert! Er hat nur die Macht, weil er ds Vollbild eines Volkes ist.
Das kann weil darf dem Propheten nicht reichen. Seine von Gott aufgetragene Pflicht ist die korrigierende, maßstäbliche Predigt, die Mahnung, die Aufforderung zur Umkehr für ein Volk, das sich verlaufen hat. Insofern auch die korrigierende Mahnung an den König, was den meisten gesundheitlich nicht gut bekommen hat. Johannes der Täufer kostete es sein Leben, und er war nur einer von vielen mit gleichem Schicksal.
Johannes war nur der erste "Christ". Der in Christus auch vom Mutterleib an nicht einfach einen Propheten erkannte, wie viele Juden es taten (weil sie Wirkbeweise Gottes erkannten - in den Wundern, in der überlegenen Weisheit Jesu), sondern jenen Gott selbst, dem er, Johannes, Prophet war. (Als Elisabeth die schwangere Maria begrüßte, erzhäte sie, daß ihr Kind, Johannes, vor Freude in ihrem Leib gehüpft sei, als sie sich trafen. "Nach mir kommt einer, dem die Rienem von den Schuhen zu lösen ich nicht wert bin.") Und den er ankündigen mußte, gelegen oder ungelegen.
Ich sitze nicht heiter im Kreis der Fröhlichen; von deiner Hand gepackt, sitze ich einsam; denn du hast mich mit Groll angefüllt. Warum dauert mein Leiden ewig und ist meine Wunde so bösartig, dass sie nicht heilen will? Wie ein versiegender Bach bist du mir geworden, ein unzuverlässiges Wasser.
Nur wenn er sich dem puren Handwerk ausliefert, das ihm aufgetragen ist, wird er die ihm mögiche Lebenserfüllung erfahren. Und dieses Handwerk ist noch direkter, ja fast schamlos bis auf die Knochen entblößt (denn jeder Mitbürger hat immer noch seine stille Kammer, seine Kleidung, seine Rollenbilder) Kaum sonst wo hängt die Tauglichkeit in seinem "Beruf" (als von Gott direkt gerufen sein) - den er nicht einmal wechseln kann, wie jeder andere - auch von seiner sitlichen Vervollkommnung ab. Förmlich für jeden sichtbar, wird seine innere Entwicklung selbst für die Welt erkennbar.
Wechselt er die Richtung, will er entfliehen, zurücksteigen, seinen Beruf abwerfen, prügelt ihn Gott gnadenlos zur Raison. Ja, er entzieht dem Flüchtling sogar die einzige Quelle, aus der der Prophet im Geiste leben könnte: Die Erfahrbarkeit seiner Nähe.
Der entlaufene Prophet stürzt in jene tiefste Finsternis der Heillosigkeit, wie sie dem Menschen eben erfahrbar sein kann. Der entlaufene Mensch des Alltags freilich ist immer eingebunden in ein Gewese des Volkes, der Familie, des Hauses, der Sippe, und insofern erfährt er keine so direkte Zurüstugn durch Gott, weil zu viel an ihm hängt, das in der Vorsehung Gottes eine Rolle spielt - als Welt.
Das ist gewiß Schonung, aber natürlich auch weniger Gnade. Doch gefragt wird sich kein Mensch freiwillig für solch eine Aufgabe bereit erklären. Nicht einmal die größten Propheten taten es. Wo immer sich deshalb ein Prophet zur Erfüllung seines speziellen Auftrages dann doch bereit erklärt, ist es seine ULTIMO RATIO. Denn es bleibt ihm ohnehin nichts von der Welt. Die gehört den anderen. "Welt? Nicht für mich."
Wenn der Prophet wieder bereit ist, sein Handwerk aufzunehmen, sich wieder vor das Joch zu spannen, bleibt ihm aber wenigstens der Trost des Geistes, so erdenlos udn sogar nicht sinnlich, sondern nur im Geiste erfahrbar der auch sein mag. Denn mit irdischem Feuerwerk ist auch diese Tröstung nicht zu vergleichen.
Aber eben - es ist der Lohn einer direkten himmlischen Aufgabe: Als himmlische Freude. Dereinst, und nach dem Ende seiner Tage. Während auf Erden der Trost nur darin besteht, in seinem beinharten Geschäft erfolgreich zu sein - als "eherne Mauer" erfahren zu werden, mit einem Wort, das als Wort Gottes selbst wie ein Stahlschwert durch die Reihen der Mitmenschen fährt. Niemand wird ihm aber auf Erden Denkmäler und Ehrensteine errichten. Sein Rang, der der Rang des Total-Gestorbenen ist, wird erst im Paradies offenbar.
Und dafür muß er wieder und wieder seine harte innere Rute sprechen lassen, und sich bedingungslos dem Wort Gottes ausliefern. Jenes Gottes, in dessen Hand alleine es liegt, was aus ihm "wird". Welcher Mensch aber kann damit leben? Ohne Identität, ohne Rolle, ohne Anerkennung, in Abgelehntheit und nie weichender Erfolglosigkeit nach irdischem Maß.
Darum - so spricht der Herr: Wenn du umkehrst, lasse ich dich umkehren, dann darfst du wieder vor mir stehen. Redest du Edles und nicht Gemeines, dann darfst du mir wieder Mund sein. Jene sollen sich dir zuwenden, du aber wende dich ihnen nicht zu. Dann mache ich dich für dieses Volk zur festen, ehernen Mauer. Mögen sie dich bekämpfen, sie werden dich nicht bezwingen; denn ich bin mit dir, um dir zu helfen und dich zu retten - Spruch des Herrn.
