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Freitag, 19. August 2022

Verlust der Einheit durch die Schrift

Eine der in seinen Auswirkungen auf eine sich immer mehr beschleunigende Diffusion des Sozialen gravierendsten Elemente war nicht nur die Etablierung des Buchdrucks, sondern dessen (kapitalistische) Kommerzialisierung. Lag sie erst in der Größe des für so eine Druckmaschinerie nötigen Kapitals begründet, so hat sie mit der technischen Entwicklung einhergehende Minimalisierung der Teilhabemöglichkeit als Konsument wie als Schaffender eine zwar scheinbare Wendung genommen, ihre Wirkweise aber in ein- und derselben Richtung multipliziert.

Sie hat den Einzelnen nunmehr aus sienem sozialen Gefüge herausgleöst, und ihn DIREKT mit einer Aussage mit Wahrheitsanspruch (denn JEDES Sprechen ist ein Sprechen mit diesem Anspruch) konfrontiert. Damit hat sich sein Forum nach und nach erst internalisiert und damit individualisiert, einerseits, wenn auch anderseits zentralisert. Weil das Angebot des zu Lesenden mit einem mal vom Inhalt getrennt wird, und keiner von Gott bestimmten und bestimmbaren Hierarchie unterliegt. 

Die Anpreisung als Element des Interesses eines Einzelnen wird ja sogar zum Element der Verführung, der Übertölpelung, also ein Verstoß gegen die Freiheit, die Gott immer läßt. Während die Autorität als gottgewoltle Autorität eben auch das von Gott Gewollte zuführt, wenn das zu Lesende vond er Autorität gewählt und dem Einzelnen angepaßt wird. Im übrigen die Idee des Lehrers. Das erst führt dazu, einen weiteren Bogen schließen zu können, nämlich den, daß die Welt in ihrem Ursprung von einem personalen Symbol ausgeht - und das ist die Schrift als Bewegungsbild (Begriff, also "schaffende Hand") selbst. 

Was (wir greien kurz vor) zu einem Weltbegreifen hinlenkt, in dem sämtliche Dimensionen der Schöpfung eine Differenzieung in jeweiligen Dimensionen (als Ebenen des Realen) in einer Linie stehen, die im rein gehauchten Wort beginnt, und bis zum (sagen wir) simpelsten Blattdetail der Birke oder der Formd des menschlichen Zahns führt, also unendlich dimensional ZUGLEICH (nicht technisch-funktional, also in diesem dümmlich-reduktiven Ursache-Wirkungs-Begriff eines "Hintereinander". und auch noch je für sich absolut zu denken) ist.

Diese Entwicklung ist natürlich als Kulturphänomen immer dort und zu einem Zeitpunkt zu beobachten, zu dem sich die Einheit einer Kultur bereits aufzulösen begonnen hat. Die Schrift ist der Versuch, diese Einheit aber noch aufrecht zu halten, indem er ihren Gebrauch offiziellen Wahrheitsinstanzen überläßt. Das waren erst die Fürsten und Könige, darin wieder vor allem die Priester (die die Prinzipien der Gesamtordnung schützten und parat halten), um allmählich in die Niederungen der Profanierung durch Verknüpfungspunkte zu wandern, die kontroversenanfällig, also potentiell einheitszerstörend waren, wie die Wirtschaft, wie Einzelverordnungen der Macht. 

Wobei die Beobachtungen von Kalr Witfogel durchaus Gewicht haben dürften, daß die zwangsweise Aufrechthaltung von Ordnung durch Gesetze durch große Kollektivprojekte (allen voran: Bewässerungsprojekte) angestoßen worden ist.

Aber das Aufkommen der Reformation ist nicht AUSFLUSZ einer bereits zerfallenden Ordnung, sondern Ergebnis eines bereits durch den Buchdruck einsetzenden und forcierten Zerfalls. Die durch Luther, der exakt diese Grammatik und Wirkung der durch den Druck mit beweglichen Lettern - daraus ist das Buch in der uns bekannten Form als erstes Massenmedium entstanden - angestoßenen Auflösung eines Ganzen zum Inhalt seiner gesamten Theologie gemacht hat. Die eine Medientheorie ist, die aus den Tatschen einer durch Medien disparat gewordenen Gesellschaft die Eigenschaften Gottes abgelesen hat.

Dadurch entstand als Modell des Menschen der mit seinem Buch alleine gelassene Mensch, der AUTONOM scheint. Denn er ist Gerichtshof und Angeklagter zugleich, prüft also mit demselben Instrument seine eigene Verfaßtheit: IST das wahr, was ich denke, ist das wahr, was ich hier beurteile weil lese, WAS soll es bedeuten.

Aus dieser Notwendigkeit, die sich aus den Gebrauchsbedingungen und -folgen des Produkts ergeben haben (sic!), entstand mit der Autonomisierung des Einzelnen auch sein Herauslösen des Erkenntnisprozesses aus einem Ganzen. Ja, das gesamte Selbstbefinden des Menschen veränderte sich. Er hat sich nicht mehr als Individualisierung des Kollektiven verstanden, sondern begonnen, sich als Urheber seiner selbst zu erleben. 

So ist auch die Tatsache aus dem Blickfeld verschwunden, daß alles menschliche Wissen aus einer vereinten Vielfachquelle stammt. Das aus Gegebenem, in seiner Personalisierugn durch Vertrauenspersonen, und der Weitergabe, also Geschenkhaftigkeit stammt. Von dort aus wird dann der Denkprozeß in Gang gesetzt, der im Wesentlichen aus dem Zwilling Vorstellungsbild (Vergleichsziel) und Phantasie (Fähigkeit des Findens von "Dazupassendem") besteht. 

Durch das Schreiben (Drucken) war nicht einmal mehr die Fähigkeit bedeutend, das in einem Akt des Zwischenmenlischkeit - der Rhetorik - in eine lebendige, personale Form zu bringen, die sogar alle Meidendimensionen umfaßt hat, wie die Musik. Denn das ist der wahre Hintergrund der Rhetorik - sie ist der lebendige Gedanke, daß Wissen ein zwischemenshclicher, immer personaler Akt ist. Ohne zu übersehen, daß die Anfänge dieser mit der Renaissance (die selbst bereits im Rahmen so einer Disparatheits-Bewegung zu sehen ist) so wuchtig einsetzenden Bewegung schon im 10. Jahrhundert begonnen haben. Bereits damals haben Hellsichtige wie Hugo de St. Victoire die Folgen der Steigerung der Bedeutung der Schrift im Rahmen menschlicher fundierung erkannt und scharf davor gewarnt: So würde sich die Wahrheit als Kulturgrund auflösen. 

Für Hugo darf sich deshalb auch das Geschriebene niemals von der menshclihen Rede entfernen, der Lesermuß deshalb beim Lesen murmeln, sprechen, weil er sonst mit dem ganzheitlichen, vieldimensionalen Inhalt des Geschriebenen - als Wort ein "Schwingungs- und damit Weltschöpferisches Moment", weil alles Leibliche Schwingung ist - schon gar nicht mehr in Berührung kommt. Während die Auswahl des "Gelesenen" niemals dem Einzelnen selbst überlassen bleiben darf.

Mehr noch, wird im Laufe der Jahrhunderte das Schreiben zu einem Surrogat des Menschen IN DER WIRKLICHKEIT. Der Kulminationspunkt des Schriftstellers, der aus dieser selben Zeitbewegung entstanden ist, wird sogar nun er, der nur noch in der Schrift existiert. Für ihn wird mit der einerseits induzierten, anderseits von ihm zu ertragenden Kulturbewegung die Schrift überhaupt zum Medium seines Existierens. 

Woraus das Ziel des Schriftstellers als Künstler mit dem des Heiligen identisch wird, weil er selbst zur "Grammatikmaschine" werden muß, der sein Schreiben entstammt, das wiederum nicht als Funktion in der Gesellschaft üblichen materialen Bewertungskriterien unterliegt. 

Ihm fehlt aber - heute mehr denn je -  das diese Spezialisierung entsprechende Pendent. Während sich nämlich im rahmen seiner Kultur das Schreiben IN IHM herausgesinthert hat, hat die Inflation der Schrift zum Verlust der Autoritätsstellugn geführt. 

Aus der heraus er den Mitmenschen mitteilen würde, was diese nicht selbst erledigen wollen weil können. Die Massendruckwerke (die sich im Internet noch einmal gesteigert haben) haben sogar eine generelle Entwertung der Schrift in ihrem Bauch enthalten und nachts entlassen, um ihr zerstörerisches Werk zu vollbringen. 

Und das war der Verlust der Hingewiesenheit auf einen Aspekt des Ganzen, der alles erst zu einem Sozialen (das darin besteht, daß jeder sich als FÜR ANDERE wesentlich erfährt) werden hätte lassen. Denn Autorität, die nun der Einzelne aber selber "finden" muß, läßt sich nicht selber vorsetzen. Was dem eigenen Urteil unterliegt, ist auch im Rang unter dem Urteilenden. 

Nur die Autorität ist es aber, die überhaupt Wissen entstehen läßt, das sich dann als Gewißheit äußert, die wiederum Basiselement für Persönlichkeit ist. Als jene Gestalt, die der Einzelne ins Außen entfaltet und hält (eine Frage der Spannungstrage also), um sämtliche Berührungspunkte mit einem ANDEREN in sich zu vereinen. 

Also muß eine der Folgen des Massenprodukts Druckwerk sein, daß sich die Identität des Einzelnen (als das selbstverständliche, immanente "Dasein", immer aktiv als Existieren) aufzulösen beginnt. Umso aggressiver, ämpferischer muß damit das Auftreten sein, weil jede Begegnung - ohne Basis, ohne Vertrauen - zur existentiellen Gefahr wird. 

Die Entstehung des Kapitalismus (die in die Zeit der Renaissance fällt) ebenso, wie die Entstehung der Physik (als personsloser Automatisus) und daraus folgend die Entstehung einer neuen auffassung des Lebendigen in der Evolutionstheorie sind die logischen Folgen davon. Und damit von "innen her" noch einmal eine Befeuerugn des Sozialen als Einheit. Einheit wird nur noch zur Option, die aber eigentlich gegen die elementarsten Tatsachen des Lebendigen, die auf Kampf ausgerichtet ist, steht. Survival of the strongest, später abgemildert zu the fittest, weil die Beobachtung Tatsachen liefert, die mit dem totalen Kampf aller gegen alle nciht vereinbar sind.