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Donnerstag, 11. August 2022

Liebe deine Feinde! (2)

Der Pfahl steckt tief im Fleisch, und schwärt und eitert seit Jahrhunderten. Soll die Ukraine einen himmlichen Auftrag mit apokalyptischer Dimension erfüllen? - Aber genau deshalb scheint es mir höchst angebracht, endlich auch einen Bericht der ukrainischen Glaubensbrüder zu bringen. Der die hierzulande völlig unbekannten Erscheinungen zum Thema hat, die in der Ukraine eine große Rolle spielen. In den Jahren 1914, und dann noch eimal im Jahre 1987, also novh in tiefsten Sowjetzeiten, und da sogar von vielen tausend Menschen gesehen, hatte es in Hrushiv (im Kreis Lemberg/Lwiv, also Galizien) Erscheinungen der Muttergottes gegeben.

Die zweite, die erst nur dem einfachen Mädchen Marina Kisin widerfuhr, erfolgte im April 1987, nur wenige Wochen vor dem Jahrestag der Explosion des Atomkraftwerks Tschernobyl, das nur wenige hundert Kilometer östlich entfernt steht. Die kaum 10jährige Marina schilderte die Gottsmutter Maria als in ein schwarzes Kleid gehüllt. Sie erzählte dem Mädchen, daß die Ukraine dazu auserwählt sei, die Sowjetunion zum Glauben zurückzuführen.

Die Behörden versuchten Nachrichten zu unterdrücken. Erst nach und nach berichteten lokale Medien, aber auch sonst verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer. Bald kamen tausende Ukrainer zu den angekündigten nächsten, bald regelmäüigen Erscheinungen. Noch mehr aber breitete sich die Nachricht in der Diaspora der Ukrainischen Volkes aus. Alleine in den USA und Kanada leben vier Millionen Ukrainer. Für viele ein Zeichen, aus den Katakomben herauszukommen.

Und die Anwesenden SAHEN SIE. In einen Lichtkranz von kräftigen Farben gehüllt, betete die Erscheinung der "schönen Frau" mit der anwesenden Menschenmenge den Rosenkranz. Obwohl die Erscheinung, von der alle überzeugt waren, daß es die Gottesmutter sei, die Lippen nicht bewegte, hörten die Menschen, wie sie das Vater unser laut mitsprach.

Schließlich gab sie auch Botschaften kund. Der Grund ihrer Erscheinung sei, daß das ukrainsche Volk so an ihrer Verehrung festgehalten habe, obwohl es so viel zu leiden hatte: Die Ukraine ist ein Land der Märtyrer. (und daran hat wohl niemand einen Zweifel, vielmehr befürchte ich ja gerade heute, daß diese Leidensbereitschaft erneut mißbraucht wird - von einem ideologischen Nationalismus, der die Augen für die Realität des Vielvölkerstaates, durch dessen geographische Mitte ein tiefer Graben verläuft, der die größten Völker trennt, verschleißen macht)

Der Film ist sehenswert, wenn er auch manche Kratzspuren im Hals hinterläßt. Aber er hat herrliche Bilder (vor allem aus dem (sehr österreichisch-barocken) Westen der Ukraine, die zweifellos eine andere, eigene Kultur ist), und er gibt einen ersten Überblick über die (sehr europäische) Geschichte des Landes und seiner Völker. (Die, bei aller Maßgabe, von der Rußlands weitestgehend einfach nicht zu trennen ist.)

Der Legende nach hatte schon der Apostel Andreas (also im 1. Jahrhundert) ein Kreuz auf einem Hügel in Kiew aufgestellt. (Solche Legenden lassen wir gelten, sie sind einfach zu schön.) Zum Christentum bekehrt wurden die Slawischen Stämme am Dnjepr aber im 10. Jahrhundert, und zwar von Byzanz aus, und namentlich durch die Bischöfe Kyril und Method. 

Auf den ersten bekehrten Vikingerfürsten Vladimir (Kiew war damals einer der befestigten Handelsposten der Vikinger) gehe dann auch angeblich die erste Weihe des Landes andie Gottesmutter zurück, die angeblich 950 stattgefunden habe. Dort also gründen die (vorgeblichen) Aussagen der Gottesmuter von Hrushiw, daß die Ukraine "ihr besonderes Land" sei.

Es waren dann diese Bischöfe, die den Slawen ihre erste Schriftsprache brachten - als "slawonische" Bibelübersetzung. Wobei sie mit Sondergenehmigung aus Rom sogar die Volkssprache (die aber ohnein in zahllosen Dialekten vorkam, das vergißt man leicht in der Beurteilung der "Volkssprache" in der Orthodoxie) in der Liturgie verwendeten, die zu Teilen aber heute noch in "alt-slawisch" gefeiert wird bzw. lange als eigenes "Kirchenslawisch" allen Volkssprachänderungen widerstanden hat. Es waren also Griechen, die die von Schweden-Vikingern (die sowieso eng mit Byzanz als erstem Handeslpartner waren) regierten Slawen bekehrt haben, und ihnen auch ihre bis heute bestehende Schriftsprache brachten.

Durch den Film wird einem vielleicht auch klarer, daß die Zweiteilung der Kirche entlang einer "kulturellen Sollbruchstelle" geschah. Denn das Römische Reich hatte ja im Westen längst aufgehört zu bestehen, und war auch zuvor bereits in die zwei Teile geteilt - Rom und (später) Konstantinopel, aber in je eigener kultureller Prägung, die sich zuspitzte. Der mehr "zentralistischen" Richtung  des Orients stand bald der mehr individualistische (weil gar nicht so sehr auf ein politisches Reich zurückgehende, erst 800 als solcher gebildete) Westen gegenüber, mit ineinander übergehenden Grenzen. Wer eimal Grado oder Ravenna gesehen hat, erkennt es, aber sogar in Wien lassen sich noch byzantinische Spuren erkennen.

Von dort aber stammt auch die klarer betonte "Unweltlichkeit" der Kirche, sodaß im Osten das Kaisertum eindeutig auch die Kirche bestimmte. Etwas, das in Westeuropa zwar noch ebenfalls lange galt - der Bischof ist Teil es Hauses des Königs! - aber im Investiturstreit seine (in meinen Augen) unglückliche "Entscheidung" fand, aus dem sich dann ein "Kirchenorganismus" herausbildete, eigentlich eine Tautologie.

Und diese Überordnung des Fürsten über die Religion bestand natürlich auch in der Ukraine. Die über die Zeiten der "Goldenen Horde" (also unter dem Joch der Tatarenfürsten) in eine Geschichtseopche wilder Kämpfe um Macht und Bestand der Fürstentümer geriet, in dem der Sitz, die Zentrale, erst politisch und dann religiös nach und nach gen Norden bzw. Moskau abwanderte. Das sich als mächtigeres Fürtentum (wie alle diese slawischen Völker: Von der Tataren Gnade) behaupten konnte.

Die Christianisierung, in der sämtliche Formen, Liturgie, Lehre und Theologie von Byzanz übernommen wurden, war freilich der Preis des Fürsten der Kiewer Rus gewesen, mit der Allianz mit Byzanz Führungswillen behaupten zu können, um als mächtigster Fürst "alle Slawen zu vereinen." Im Jahre 988 ließ er sich taufen. 250 Jahre vor den nördlichern Moskowiter Slawen, wie die Ukrainer betonen, wurde somit Kiew offiziiell christlich.

Und aus Byzanz stammt auch die von Anfang an assgeprägte Verehrung der Gottesmutter, dieses "Sitz der Weisheit". der Sophia. In Kiew wurde auch die damals größte Marienbasilika gebaut, die nur noch von der Hagia Sophia übertroffen wurde. Kiews Rus also sah sich schon früh als "zweites Byzanz", ab 1452 sowieso.

Dabei stand der westliche Teil unter dem Einfluß des im Mittelalter erstarkenden Reiches von Polen-Litauen, das schon aus politischen Gründen "römisch" blieb. Und Polen hatte längst Führungsanspruch auch im Osten erhoben, und sich mehrmals um die Herrschaft über und in Moskau, das bald Zentrum der "Rus-sen" wurde, bemüht. Den politischen Grund gab - wie bei Karl dem Großen - die ... Häresie der (dann sich so nennenden) Orthodoxie. Also der (gegen die Häresie Roms) "Rechtgläubigen". Das ging im Frieden von 1687 zu Ende, ab wo die Ukraine und das westliche Weißrußland an den Zaren fielen.

So blieb aber der Anteil an mit Rom Unierten (aber eigentlich im Orthodoxen Ritus ihren Kult feiernden, man bekommt im Film einen Einruck davon) relativ hoch. Und wurde voo Moskaus Patriarchen meist nicht gerade freundlich behandelt. Es kam sogar zu blutigen Verfolgungen. Und Stalin, der im "Holodomor"den bislang entsetzlichsten Blutzoll gefordert hatte, waren die bereits recht nationalistischen Westukrainer ohnehin suspekt. (Aber wer war dem immer paranoideren Stalin nicht suspekt.)

Es gibt also eine zweite große Bruchlinie in der Ukraine. Sie verläuft von Nord nach Süd, und ist eine religiöse Linie. Sie teilt die Orthodoxie vom Katholizismus. Und hat damit auch alle Spannungen aus dem großen Mißtrauen, in dem sich Orthodoxie und Katholizismus seit den Zeiten von Westrom und Konstantinopel gegenüberstanden, übernommen.

   Repin - Die Saporoger Kosagekn antworten Sultan Mehmed..
Von ihr historisch völlig unterschieden wiederum sind der südliche und südöstliche Teil des heutigen Landes, die Ebenen entlang des Don. Das historisch Tataren- bzw. Kosakenland in Hetman-Struktur war, das sich den Zaren anschloß und durch den Chmelnitzky-Aufstand maßgeblich dafür gesorgt hat, daß die Westukraine von Polen-Litauen zu Rußland kam. Und im Süden die Türken aus dem Land drängte. Legendär das Bild von Repin über die Saporoschjer Kosaken "bei ihrer Antwort an den Sultan Mehmed".

Doch da hatte sich bereits eine Art Ineinsfall von "römischer" und "völkischer" Identität in der Westukraine herausgebildet. Der bereits den Zaren ein Dorn im Auge war, und schon im 19. Jahrhundert zu hohen Auswanderzahlen geführt hatte. 

Dazu kam dann noch Genosse Stalin, dem die selbständigen westukrainischen Kleinbauern ein Hort der Widerständigkeit waren. Sodaß die katholischen Ukrainer zu bevorzugten Opfern der Zwangskollektivierung (als Auslöschungsfeldzug gegen eine nicht universalistische sowjetische, also "bodenlose" Identität) gemacht wurden. Eine andere Landwirtschaft gab es ja damals gar nicht mehr, dafür hatten die Kommunisten durch ihre blutigen Enteignungen der Großgüter im Rest Rußlands schon gesorgt. 

Dabei waren die Bauern in Westrußland (wie die Arbeiter) den sozialistischen Ideen gar nicht so feindlich gegenübergestanden. Aber sie alle hatten einen Fehler gemacht: Sie hatten geglaubt, die Kommunisten würden ihr Programm der Entfeudalisierung ernst meinen. Rasch aber sahen sie, daß nur die Gutsherren durch die brutale Willkür inkompetenter Tschekisten ersetzt wurde.

Die ersten Marienerscheinungen in Hrschiw gab es angeblich bereits vor 200 oer gar 250 Jahren, genau weiß das offenbar keiner. Der Ort ist also in gewisser Hinsicht als "Himmelstür" aufgeladen". Selbst hier also: Ein gewisses orientalisches Erbe. Noch heute haben die Kirchenbauten und -orte in der Orthodoxie eine wesentlich stärkere Bedeutung für die Sakramente als Himmelseinbruch, als im Westen. Das schlägt natürlich auch zurück, und dann findet sich der Himmel an den Boden gebunden, nicht umgekehrt..

Wenige Wochen vor Ausbruch des 1. Weltkrieges, kam es erneut zu einer Erscheinung. Die Gottesmutter warnte dabei, daß wenn das Volk nicht seine Sünden bereue und Buße tue, Rußland ein gottloses Land und die ganze Welt dominieren werde. Wenn Rußland sich nicht bekehre, so die Botschaft (die sich hier mit Fatima deckt), würde das nicht nur zu einem Zweiten, sondern (Botschaft von 1987) sogar zu einem Dritten Weltkrieg führen. Zu dieser Aussage aber später noch.

Geschchten spektakulärer Bekehrungen machten auch 1987 die Runde. Hohe Offiziere der Roten Armee hätten ihr Leben von Stund an umgekehrt, als sie die Erscheinung sahen. Einer habe auf die Erscheinung geschossen, sei dann prompt zu Boden gestürzt, und in einem Zustand gewesen, in dem er in ein Krankenhaus eingeliefert hatte werden müssen. Nach drei Tagen erholt, quittierte er den Dienst, und wanderte fortan als Prediger von Dorf zu Dorf. An sein früheres Leben hat er keinerlei Erinnerung mehr, sein Leben begann mit der Erscheinung neu.

So wird im Film erzählt, der sich aber im Schwerpunkt um die Geschichte der Ukraine kümmert. Das formuliere ich deshalb so, weil mir ganz deutlich scheint, daß die Bestrebungen, eine "nationale Ukraine" zu sehen, seit zweihundert Jahren virulent sind - auch hier: an den Boden gebunden. Und sie sind durch ihre geschichtliche Tragik geeignet, den Blick für die heutige Realität zu trüben. 

Morgen Teil 3) Ein hochexplosives Gemisch, das auf den ultimativen Knall wartet, zu dem es berufen ist



Erstellung 30 Jui 2022 - Ein Beitrag zur