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Dienstag, 6. September 2022

Die Grundstimmung der Nutzlosigkeit

Bereits 1982 erscheint die deutsche Übersetzng von Jean Baudrillard's "Der symbolische Tausch und der Tod", wo er davon schreibt, daß wir (der Westen, unsere Kultur, unsere Kultur als Gesellschaft) in eine Richtung gegangen ist, in der immer weniger und bald nichts mehr produzhiert wird. Der Charakter der Arbeit hat sich von der Verfertigung von einem Produkt hin zu einer bloßen "Beschäftigung" gewandelt, in der sich die Gesellschaft nur noch mit der Reproduktion ihres eigenen Systems befaßt. 

Dementsprechend hat sich schon in den 1970er Jahren die Tendenz an den Universitäten gzeigt, daß die "Humanwissenschaften" immer stärkeren Zulauf erhielten. Immer weniger haben die Menschen die Welt selbst als ihre Aufgabe gesehen, in der sie sich hingebungsvoll einem schöpferischen Geschehen übergeben, sondern die Jugend wollte immer mehr Lehrer, Soziologen und Analysten sein, ihr Interesse galt dem Wissen - nicht dem Wissenserwerb, was ja die Wissenshaft selbst wäre - und der Kultur, alles eben was Faktoren der Reproduktion des allgemeinen Systems ist. 

DAS war es dann, schreibt Baudrillard, was die Proteste der 68er in Wahrheit ausgelöst hat. Nicht irgendweine Ausweglosigkeit. Auswege gibt es in der Reproduktion immer, sondern das Erleben der eigenen Nutzlosigkeit. 
"Denn das, was es nicht mehr gibt, sind Orte und Räume und Orte, an denen wirklich PRODUKTIVES geschieht."
Denn es geht in einer Gesellschaft nicht wirklich um Ausbeutung, schreibt er an anderer Stelle. Sondern es geht (sogar in den Streik- und Arbeiterprotesten, die allesamt so wie alles übrige längst zum Selbstzweck geworden sind) immer nur um den Code der Normalität. Daran will der Mensch teilhaben, und darum geht es ihm.

Deshalb sagt er 1982 voraus, daß unsere Gesellschaften in einer sich ständig weiter fortsetzenden Schockwelle - der Erfahrung der Nutzulosigkeit, die in der Mitte des 20. Jahrhunderts in der immer rasanter fortschreitenden Industrialisierung der Arbeit nie gekannte Ausmaße der "Kolonialisierung nach innen" erreicht hat, allmählich bis in die allerletzten Winkel erfaßt werden wird. Und sie wird endlose Proteste auslösen., die aber nicht bei den angestammten Bevölkerungen beginnen, sondern bie den "Ausländern", den "Randgruppen", den am wenigsten in die Struktur selbst eingebundenen. 

Als letzte werden erst die traditionellen Arbeiterschichten erfaßt. Denn sie sind die, die bereits am intensivsten darin geübt und daran gewöhnt sind, das System so lange es geht zu reproduzieren, die am innigsten integriert und an seiner Erhaltung beteiligt sind. Sie haben am meisten schon gelernt, diese tiefe existentielle Frustration zu ertragen, die den einwandernden Arbeitern etwa viel weniger erträglich ist.

Wobei man dabei bedenken muß, daß Baudrillard die Form des allerverbreitetsten Streiks als das beschrteibt, was wir heute als "innere Kündigung" bezeichnen. Das ist eine Haltung, in der dem Arbeiter im Grunde bereits völlig gleichgültig ist, was am Ende seines Tätigkeitsprozesses - seiner "Beschäftigung", seines "Jobs" - herauskommt. Er hat durch seine Handgriffe keinen Einfluß mehr auf das Gesamtgeschehen, auf ein Produkt, er produziert nichts mehr. Er ist nur noch tätig, weil er das sein muß, um an diesem System teilnehmen zu können, in dem er dann als Konsument (sic!) erst einen Sinn erfüllt. 
Hat nicht Yuram Harari in seinen Phantasien und "Begründungen" für den Transhumanismus immer wieder davon gesprochen? Daß wir mit der Umstand konfrontiert sind, daß ein immer größerer Anteil der Menschen NUTZLOS ist? 
Ich schreibe das nicht, weil ich daran glaube, ich schreibe das auch nciht, weil ich es für möglich hielte. Ich schreibe es, weil es zeigen soll, wie eine gewisse "universitär gebildete" und von dieser beeinflußte Schichte denkt. 
Und Kapitalisten (und lange schon auch die Politiker, als zwei Schichten, die immer schon in einem symbiotischen Verhältnis gelebt haben) lassen immer "fremddenken". Was sie deshalb so gefährlich macht, weil sie mit ihrer Kapital- und Politischen Macht diese Fremdgedanken dann tatsächlich und anleitungsgemäß umsetzen. 
Was wir hier und heute erleben ist dann eben der Ausgang des "aufgeklärten Menschenbildes", das den universitären Reproduktivanstalten entspringt.
Diese Wandlung des Arbeiters, die schon sehr weit um sich gegriffen hat, zum verantwortungslosen Maschinenteilchen (in dem Verantwortung sogar kontraproduktiv ist, weil das Gesamtgeschehen für den Einzelnen viel zu komplex, seine Handreichugn viel zu klein zu detailhaft wurde, um sein eigenes Handlen überhaupt noch beurteilen zu können) ist insofern grotesk, als es uns selbst zu Menschen gemacht hat, wie man sie früher als abschreckende Beispiele "aus den Kolonien" vor Augen gestellt hat. Mittlerweile also sind wir bzw. ist der Arbeiter des Westens selbst in einem Zustand der Kolonialisations-Mentalität. 

Aber das System braucht auch den Konsumenten, ja mittlerweile sogar nötiger als den Arbeiter. Die humane Gesellschaft hat sich deshalb immer umfänglicher dazu gewandelt, sich selbst durch Geldproduktion zu reproduzieren, und stattet alle (gewünschten) Systemteilnehmer mit jenen Mitteln aus, die dann durch ihren Konsum das System erhalten. 

Denn ihr leiblicher Verbrauch ist dann das Einzige, was noch ... produktiv ist, also etwas produziert: Den objektiven, ständig revolvierenden Zustand des Bedürfens. Dort liegt dann das Maß, in dem Geld von den Befriedigungslieferanten abschöpfbar wird. Und in diesem Menschen, der ein reines und steuerbares, sein Bedürfen geregelt (Gesundheit!) reproduzierendes Begierdewesen ist.