Dieses Blog durchsuchen

Donnerstag, 8. September 2022

Ergebnis hoffnungsvoller Geduld

Dieser Yukka-Palmenstock ist der Ableger einer Yukka, die ich vor 38 Jahren erhalten hatte, und ist selber bereits gut 28 Jahre alt. Zahlreiche weitere Generationen habe ich ihm bereits entnommen und in der Regel weiter verschenkt. MIt einigen treibe ich kleine Gestaltungsversuche, kappe die Spitzen, ziehe die neu sprossenden Stämme mal hie-, mal dorthin.

Im verglasten Umlauf im Innenhof meines Wohnhauses, vor meiner Wohnungstür, hat auch dieser Stock der zweiten Genratoin mittlerweile eine Höhe von 4 Metern erreicht, und tut nun etwas, das ich bei einer Yukka noch nie gesehen habe: SIE BLÜHT. Eine Yukka kann blühen? Ja, offenbar. Und ich habe immer daran geglaubt, weil es die Vernunft so sagt. Obwohl ich es noch nie gesehen habe.

Ich wußte nämlich bislang nicht, daß diese Palmenart aber so deutlich blühen kann (denn irgendwie muß sie ja blühen, irgendein Geschlechtsleben braucht sie ja zum Weiterbestand.) Nicht einmal auf Cypern, wo die im Freien wachsen, habe ich aber solche Blütenstände beobachtet. Bislang habe ich mich an meinen Yukkapflanzen einfach als an einem Baum erfreut, der das Ortsgefühl eines Lebens im Hain vermittelt, obwohl ich ihn vermutlich nie blühen sehen werde.

Aber jetzt, ganz an der Spitze, leider nur mit viel Bemühen (und noch mehr Vergrößerungstool für Bildschirmauflösung) auf der Photographie zu sehen, ist in den letzten Tagen eine fast einen halben Meter hohe und an der Basis ebenso breite Dolde mit dutzenden kleinen, schneeweißen, wunderschönen Blüten gewachsen, die wie ein "Baum im Baum" aussieht, und die Gesamtform der Pflanze andeutet weil wohl in sich enthält. 
 
Aber an diesem Ort blüht ohnehin offenbar alles. Selbst der glei9chermaßen Jahrzehnte alte, trotz Radikalschnitt vor Jahren erneut vier Meter hohe, mit festen, langen Stacheln bewehrte Kaktus bringt seit vier oder fünf Jahren regelmäßig riesige, stark duftende, fast unanständig gierig in die Umgebung lechzende, aber nur zwei Tage bleibende Blüten. Und auch diese Kakteenart hat noch niemand mir Bekannter je blühen sehen. Dazu mußten sie zu mir kommen.

Jemand hat einmal gemeint, daß es doch seltsam sei, daß ich lauter Grünpflanzen hätte, die doch allesamt nicht blühten. Vielleicht ist es aber so, daß ich die Geduld habe, selbst 30 Jahre auf diese wenigen Tage Freude zu warten, in denen sich alle Pflanzen zusammenfassen und zur reinen Gestalt komprimieren, und die eines Tages für jede Pflanze kommen. 

Und vielleicht sollten wir uns diese Eigenschaft generell mehr zu eigen machen. Gottes Mühlen, die er im Sein angelegt hat, mahlen langsam. Aber .. sie mahlen garantiert. Und treiben sogar aus Wüsten Oasen hervor.

Wie passend die Beobachtung dazu, die so hohen allgemieinen, archetypischen Wert hat - daß Pflanzen immer dann blühen, wenn sie ein letztes Lebeszeichen geben, ehe sie absterben (oder den Tod des kommenden Winters feiern.) 

In der Blüte nämlich nimmt jede Pflanze ihr ideales Wesen bei der Hand, und stellt es auf eine anderre Ebene - als reine Gestalt, als Symbolträger, dessen nächste und wahre Handlungsebene nur noch das Symbolische, also das Geistige ist (und hierein ähnelt also sogar die Pflanze, alles Lebende dem Menschen und damit Gott) - in die Welt. 

Blüte und Tod hängen also unmittelbar zusammen. Vor dem Tod gibt die Pflanze noch einmal ihren Eros, um sich fortzupflanzen und in die Art aufgehend, der ihr Wesensbild entstammt, weiterzuleben. Das Leben ersteht also auch hier aus dem Tod, und es kehrt dahin zurück: Als die völlige Selbstentleerung, die dem schöpferischen Göttlichen Platz macht, dem es sich hingibt.

In diesem Fall war es also gut, daß ich nur wenig (und nährstoffarme) Erde zur Verfügung gestellt habe, in der sich die Pflanzen nun so knapp wir möglich ernähren lernen müssen, daß sie fast meinen, ständig "erwürgt" zu werden. So, dem Tode nahe, blühen sie. Bis sie meine Gießkanne erlöst.