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Samstag, 8. Oktober 2022

Der Bogen von einst zum heute

Vielleicht werde ich es einmal übersetzen, irlgendwann einmal. Vorerst aber belasse ich es bei der geschlossenen Fülle, die im Gedicht "Prayer for my Daughter" von William B. Yeats vor mir liegt. 

Ich bewundere Anthony Esolen, der mir dieses Gedicht geschickt hat, und offenbar Tag für Tag zu einem ätherischen Atem fähig ist, der in meinen Mauern wie ein gehüteter, aber fest verschlossener Raum auf jene Momente wartet, in denen sich mein Herz zur gleichen Ruhe entschließen kann, weil es die wilde Jagd der Dämonen nicht mehr fürchtet, die ums Haus toben. Um sich in sicheren Burgen nur in diesem einen Augenblick zu verlieren, der so alles enthält. Für Tage, für Wochen, oder meinetwegen nur für eben so eine Stunde, wie Yeats sie beschreibt. Als er nachts hinausging vor sein Haus.

Ich war vor ein etlich Jahren in Irland und habe es besucht. Davor eine bewegende Skulptur, die ihn zeigt wie einen leidenden, der imme rnoch über die Erde schleicht. Sie macht aber sein jedes banale Fleisch verweigernde, menschliche, aber unendlich einsame Herz so fühlbar, daß mir die Tränen kamen. Als hätte die Gesellschaft im Bus, mit der ich dort war, das gespürt. Man wartete geduldig, bis ich weit verspätet so unmerklich wie möglich wieder zu ihnen stieß, und mich in meinen Sitz verkroch.

Dort stand er also, denn der vom Atlantik heranbrausenden, zerrenden, fordernden Sturm hat ihn aus der Stube getrieben. So erlebt er in dieem Brausen in einer großen Ahnung den Charakter der Stunde, die es 1919 (Yeats war da schon 54 Jahre alt und hatte ein bewegtes Leben bereits hinter sich) für Irland und für ihn, aber vor allem für diese ganze Kultur geschlagen hat, und vor dem ihn nur so wenig schützt. Der kleine Wald, der flache Hügel.

Er ahnt, er füht das kommende Leiden, er fühlt all die Stürme, die nun losbrechen, und die vom Atlanik her kommen. Ein Engländer hat mir einmal erzählt, wie unterschieden das Gefühl der Briten verglichen mit dem er Festlandeuropäer ist, es muß für Yeats in seinen vergangenen und bewegten Jahren so unendlich fein gestimmte Seele noch signifikanter gewesen sein. Der Brite sieht, so mein damaliger Freund, den Atlantik wirklich wie einen Teich. Das große, unüberwindliche Meer liegt im Westen, im Ärmelkanal. 

Was aber in Amerika ist, vor allem in New York, ist dem Leben und der Stimmung in London viel ähnlicher, ja man könnte, wenn man einschliefe und jemand würde einen still und heimlich über den Teich entführen, beim Aufwachen lange nciht bemerken, daß man nun in Amerika ist, und nicht in England.

In diesem Nordwesten von Irland, wo Yeats Haus stand und heute noch steht, muß das noch erfahrbarer gewesen sein. Umso dichter mußte wohl Yeats fühlen, was vom Westen nun herüberweht, und dem der gerade vergangene Krieg die Tore und Fenster so weit geöffnet hat. Nur Irland steht noch dazwischen, und es reckt seine Klippen dem Sturm entgegen, die ihn aber überspülen wie die hohen Wellen des Meeres. 

Die nordwetliche See an dieser Ecke Irlands ist besonders rauh, und viele viele Männer ließen ihr Leben in ihrem Ringen mit den Wassern, die als Fischgründe für viele die einzige Lebensgrundlage bildeten. An den Molen in der Nähe von Sligo stehen berührende Figuren in Bronze, die Frauen zeigen, die auf die See hinausblicken, ob ihre Männer nicht endlich kommen, und die eine oder andere hat sich bereits weinend abgewandt.

Was er nun aber vom Westen ommen ahnt wird alles umwälzen. Yeats sieht die Verflachung aller Hierarchien, den wuchtigen, brutalen, barbarischen Schritt, der alle Gewohnheiten niedertreten wird - das Leben wird sich verändern. Nicht nur das, es wird seine eigentlichsten, schönsten, seine irischesten - Yeats ist Patriot, und kann ein Dichter etwas anderes sein? - Seiten verlieren.

Es wird vor allem das verlieren, wofür er nun betet, Yeats weiß das, will aber dennoch und im Namen der Tochter noch hoffen, daß es ihm gelinge, diesen Schutz zu geben. Möge doch seiner Tochter noch die Schönheit erhalten bleiben,. die ihr in die Wiege gelegt wurde und nun groß und weit werden möchte. 

Wie hoffte er, daß sie noch jenen völlig geschützten Hausfrieden erleben kann, in der die Frau ihre schönsten Seiten entfalten kann. Weil alles Leben, alles Schöne, alles Heilige in der Lebensweise, den Gewohnheiten und Sitten, und in den Lebensfesten und -kulten liegt. Wie hofft er also auch, daß sie nie der Versuchung erliegen möge, sich in Meinungsstreit und Intellektualismen zu verlieren, die jeden Menschen fort und in die Fernen treiben.

Yeats hat das Gedicht im Juni 1919 geschrieben, also bereits mitten in die Unruhen hinein, die für einen großen Teil von Irland dann über viel Blut doch noch eine Form der Unabhängigkeit brachten. Für den sie fochten, weil sie jenes Leben bewahren wollten, das Yeats seiner Tochter so sehr wünscht. Wie anders sind seine Wünsche, ja wie vollkommen entgegengesetzt gegen die vielen Aufrufe,die uns heute um die Ohren pfeifen, um Meinungen und Weltsichten zu kämpfen, aufzustehen, auf die Straßen zugehen, "freie Meinung zu äußern". Nein, nie möge seine Tochter in diesen satanischen Orkus stürzen. Der 1918 über den Teich gekommen ist wie die Dämonen in der Nacht, und Europa seither heimsucht.

Denn erst dann kann sie wie das Laub glänzen, das die heiligen Büsche ziert, und erst dann wird deren Duft und Frische und Grün in den Stuben zum Lebensborn für die Welt. Wie häßlich aber sind dagegen all die Demonstrationen, die Protestaufmärsche, die es denn doch zu tun gilt, will man all den Hütten ihre geschützten Platz verschaffen, in denen die Frauen walten, und die Kinder in den Wiegen schlafen.

Wie sehr paßt doch dieses Gedicht in diese Zeit. Nicht wegen mancher vielleicht äußerlich ähnlicher Ereignisse wie Krieg, Blut, Kampf. Sondern es ist mir wie der Beginn eines Bogens, der sich seit 1918 über uns gespannt hat, und der nun auf der anderen Seite den Boden erreicht hat. 

Wir sprechen also hier von der Kultur des Abendlandes, denn - nein, es geht nicht shcon wieder um die Ukraine. Die sicher nicht der Nabel der Welt ist, auch wenn das ihr Anführer so gerne hätte. Aber unsere Kultur ist vom Kaukasus ausgegangen, wo sie nach Noah und er Sintflut ihren zweiten Anlauf genommen hat.

Von Sligo, gewissermaßen, bis zum Schwarzen Meer hat dieser Bogen sich gespannt, und erstickt nun wie eine widerliche Decke aus künstlichem, erdverhaßtem  weil alles Transzendente fernhaltenden Stoff - und die Erde haßt nichts mehr als die Durchtrennung ihres Lebensfadens, der in die Himmel reicht.
 
Sie haßt die Cleverness, die alles zerstört, was den Glanz der Engel trug, und sie möchte abstreifen, was sie in Banalitäten und Abgründe menschlicher Erniedrigung verstricken möchte. Für diese Teufelein hat sie nur Gräber bereit, die sie weit öffnet in der Hoffnung, die fremde Flut, die vom Westen über alles hereingebrochen ist, möge all der Haß und all die Arroganz, die über den Atlanik kam, in den Schlünden der Hölle wieder verschwinden.

Wie gleich dagegen die Sehnsucht nach diesem Leben der Schönheit, wie klein aber schon die Flamme der Hoffnung, sich gegen diese Lebensweise, die in Wahrheit nur aus dem Haß und der kranhaften Antagonie besteht, und alle Lebenswelten in Wüsten verwandelt, die noch solche sind. So, wie sie die Frauen auf ihren Herden, in ihren Sprüchen und Gebeten, ihren Wiegenliedern und Festen zelebrieren - dort, in den Sitten wird das Schöne geboren. Wo sich alles in jenem Kult zusammenfaßt, der der einzige ist, der Leben bringt - weil ist. Was kann einem dann der Sturm noch anhaben?

Deshalb Fluch allen, die den Völkern den Frieden ihrer Stuben und Wiegen  rauben, den Staub des Hasses über die zarten Häupter streuen, die jeden in Ideologiegewitter verstricken, jede Verrichtung, jede Handlung des Lebens in eine eisenes Korsett einer künstlich geschmiedeten Bedeutung pressen. Die alles in einen Sumpt der Häßlichkeit verwandeln.

Yeats war kein gläubiger Mensch, warum auch immer, und vielleicht wäre ich es im Irland der damaligen Zeit, wo die Kirche nach der schrecklichen Hungersnot in den 1850ern eine recht eigentümliche und unmännliche Gestalt angenommen hatte, auch nicht geworden. Er ist ein Kind der Bitterkeit. Aber ich habe mir oben die Freiheit genommen, sein Gedicht in meinen Horizont zu stellen und zu interpretieren mehr, als "wiederzugeben". 

Denn Yeats war auf jeden Fall Dichter, und damit jene weite Schale, die den Tau und den Schweiß und das Blut der Welt auffängt, ob sie nun will oder nicht, die in ihr brennen wie Säure, auf daß der Poet auf die Schiffe der Lüfte steigt, um ihnen zu entfliehen. Wie muß also die damalige Welt auf ihm gelastet sein, Wie Berge, aus denen ein (mir nicht mehr glaubhaft scheinendes, deshalb verzweifelt trotziges) "es liegt an uns, denn alles kommt aus uns, oder es ist nicht da" tönt. 

Womit er aber die unbedingte Schutzbedürftigkeit der Frau begründet, und ich frage mich denn doch, ob es hier nicht berechtigt ist, es so zu sagen. Weil Frau doch mehr den inneren Klang von "Welt", ja von "Landschaft" hat, als "einfach daseiender Raum," der das Schöne in sich trägt, ob er will oder nicht, wenn man ihn zu lieben vermag - und er wiederliebt. Im Lorberhain der Frau, wo die Dichter zuhause sind.

Wie schwer muß es ihm aber gewesen sein, dies aus dem Atlanik hereinbrechende Welle zu sehen. Ist es das doch schon für mich, ich sage es offen, in diesen Tagen die Flamme der Hoffnung nicht zu löschen, die oft schon so schwer zu erkennen ist. Der ich doch manchmal meine, gar nicht mehr NICHT glauben zu können. Der ich manchmal meine, schon aus Wissen, das mit das Leben eingetragen hat, diese Wahl gar nicht mehr zu haben.
Prayer for my Daughter
Willam B. Yeats
Once more the storm is howling, and half hid
Under this cradle-hood and coverlid
My child sleeps on. There is no obstacle
But Gregory’s wood and one bare hill
Whereby the haystack- and roof-levelling wind,
Bred on the Atlantic, can be stayed;
And for an hour I have walked and prayed
Because of the great gloom that is in my mind.

I have walked and prayed for this young child an hour
And heard the sea-wind scream upon the tower,
And under the arches of the bridge, and scream
In the elms above the flooded stream;
Imagining in excited reverie
That the future years had come,
Dancing to a frenzied drum,
Out of the murderous innocence of the sea.

May she be granted beauty and yet not
Beauty to make a stranger's eye distraught,
Or hers before a looking-glass, for such,
Being made beautiful overmuch,
Consider beauty a sufficient end,
Lose natural kindness and mayb
The heart-revealing intimacy
That chooses right, and never find a friend.

Helen being chosen found life flat and dull
And later had much trouble from a fool,
While that great Queen, that rose out of the spray,
Being fatherless could have her way
Yet chose a bandy-leggèd smith for man.
It’s certain that fine women eat
A crazy salad with their meat
Whereby the Horn of Plenty is undone.

In courtesy I’d have her chiefly learned;
Hearts are not had as a gift but hearts are earned
By those that are not entirely beautiful;
Yet many, that have played the fool
For beauty's very self, has charm made wise,
And many a poor man that has roved,
Loved and thought himself beloved,
From a glad kindness cannot take his eyes.

May she become a flourishing hidden tree
That all her thoughts may like the linnet be,
And have no business but dispensing round
Their magnanimities of sound,
Nor but in merriment begin a chase,
Nor but in merriment a quarrel.
O may she live like some green laurel
Rooted in one dear perpetual place.

My mind, because the minds that I have loved
The sort of beauty that I have approved,
Prosper but little, has dried up of late,
Yet knows that to be choked with hate
May well be of all evil chances chief.
If there’s no hatred in a mind
Assault and battery of the wind
Can never tear the linnet from the leaf.

An intellectual hatred is the worst,
So let her think opinions are accursed.
Have I not seen the loveliest woman born
Out of the mouth of Plenty’s horn,
Because of her opinionated mind
Barter that horn and every good
By quiet natures understood
For an old bellows full of angry wind?
 
Considering that, all hatred driven hence,
The soul recovers radical innocence
And learns at last that it is self-delighting,
Self-appeasing, self-affrighting,
And that its own sweet will is Heaven’s will;
She can, though every face should scowl
And every windy quarter howl
Or every bellows burst, be happy still.

And may her bridegroom bring her to a house
Where all's accustomed, ceremonious;
For arrogance and hatred are the wares
Peddled in the thoroughfares.
How but in custom and in ceremony
Are innocence and beauty born?
Ceremony's a name for the rich horn,
And custom for the spreading laurel tree.