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Freitag, 7. Oktober 2022

Die Angst vor dem Schmerz

Selbst das ist eine der vielen Schein-Topoi, von denen wir schon regelrecht umzingelt sind. Deren Wirkung man im Alltag dadurch bemerkt, daß die Aussagen udn Einschätzungen der Mitmenschen völlig wirr und widersprüchlich geworden sind. Was die meisten Menschen von sich geben sind als Meinungen deklarierte Sprechblasen, die sie wie in Trance von sich geben. 

Eine Seuche, die auch tief in "untere Schichten" greift. In dem Punkt hat Lisa Eckhart einmal etwas sehr Richtiges gesagt.
Die sogenannte Meinungsfreiheit, meinte sie, bedeutet in der Realität, daß jeder unter den Zwang gerät, unbedingt eine Meinung haben zu müssen.

Zwar glaube ich nach wie vor nicht an den einen, großen Plan. Einen solchen durchgängig, konsistent zu fassen traue ich den Menschen (und schon gar nicht den "Gebildeten" oder denen, die im offiziellen Zirkus "etwas zu sagen haben") die Vernunft nicht mehr zu. Traue ihnen nicht mehr zu, jene geistige Verfaßtheit also, die zur Einschätzung komplexer Lagen unbedingt nötig ist, überhaupt generieren zu können; viel zu viele sehe ich, die keinerlei Zugang mehr zu jener Verfaßtheit haben, in der man Wahrheit erkennen könnte. 

Ich traue den Menschen diese Vernunft nicht mehr zu, sie sind unterwegs dorthin in zu viele Trittfallen gestürzt, woraus sich der allergrößte Teil der Angst erklärt, die sich bald regelrecht riechen läßt. Viele wirken wie verstörte Tiere in einer Arena, die zwar ein Stück laufen und sogar um sich schlagen, weil sie sich vermeintlich wehren, aber dann doch an die hohe Seitenbande stoßen, wo sie stehen bleiben und hilflos nach oben schauen, ob sich nicht eine Hand entgegenreckt, die sie aus der Arena holen wollte.

Eine dieser Verwirrtheiten zeigt die Aussage über jene Stadien der Stimmungsentwicklung, in oder (noch schlimmer) ab denen ein Volk angeblich "aufsteht." Woraus sogar eine ganz eigentümliche Hoffnung entsteht es käme doch noch jener Turbo, der einen mitreißen würde. 

Wenn er in Italien auf dem Lande sei, erzählte mir einmal Martin Mosebach, erlebe er oft etwas, das es bei uns schon lang enich tmehr zu geben scheine. Wo immer er hinkomme, auf Bauernhöfe, in kleine Tavernen, in Arbeiterwohnungen, werde er fast fürstlich behandelt und meist gar großzügig bewirtet. Denn er sei für diese Menschen "il dottore", und das ist "der, der für mich denkt".

Aber es ist eine Tatsache, die historisch recht deutlich belegbar ist, daß ein Volk, daß Menschen, die wirklich arm sind, denen es dreckig geht, die im Elend leben, NIEMALS AUFSTEHEN. Im Gegenteil. Je ärmer und hilfloser eine Bevlkerung ist, desto weniger rebelliert sie.

Daß so oft das Gegenteil geglaubt wird geht auf die verkehrte Sicht der Geschichte zurück, die sich im Marxismus artikuliert hat. Und in der Karl Marx selbst eine Art Druckmittel an die Wand malen wollte, das ihn aus seiner eigenen oft sehr miserablen Lage holen wollte. Also malte er an die Wand, daß der Kapitalismus in einer (aus Hegel stammenden) unausweichlichen weil dialektischen Logik in den Aufstand der enteigneten, darbenden, ausgebeuteten Massen führen würde.

Nichts ist ferner der Realität. Auf die Straße gehen icht die, die wirklich leiden, sondern die, die sich vor einem NOCH NICHT BESTEHENDEN Leiden fürchten! Die also Abstieg (aus recht guter Höhe) fürchten, die nicht mehr nach oben kommen zu können fürchten. Auf die Straße geht, um es in einem bekannten Terminus zu fixieren, die sogenannte Mittelschicht* 

Auf die Straße gehen deshalb nie (bzw. nur in wenigen speziellen Ausnahmen, aber dann auch nur punktuell, gezielt, und ganz kurzfristig und -während) die wirklich Leidenden, sondern die, denen es NOCH relativ gut geht. Zu den Zeiten der großen Depressionen in den 1920er und 1930er Jahren hingeben waren die Menschen ruhig geblieben, und die Unruhen der 1960er sind von den Schichten der Kinder wohlhabender, ja sehr wohlhabender Eltern getragen worden. 

Und selbst die Aufstände der Pariser Bürger, die nach Versailles zogen, waren keine Aufstände der Armen. Daß man sie als "Hungerrevolte" bezeichne war nur ein Propagandatrick, weil sie sich damit legitimieren und mit herzerweichenden Beschreibungen und Bildern versehen besser verkaufen ließen. Aber historisch hat sogar die Revolution in Frankreich (nicht anders wie die in Amerika, zehn Jahre zuvor) nicht die Schichte der Armen initiiert, sondern die Wohlhabenden.

Der Mensch stirbt nicht vom Gift, er stirbt auch nciht vom Tod, er stirbt vor lauter Todesangst, er stirbt wenn man ihm droht, shat Arik Brauer einmal gesungen. Und er hat genau das gemeint: Die Angst vort dem Schmerz ist die eigentliche Qual, nciht der Schmerz selbst. Deshalb betrachte ich das augenblickliche Geschehen, in dem Europa wie in Angst erstarrt, es könnte bald sehr sehr schlecht werden, mit gewisser Gespaltenheit. Denn ich sehe, daß sich die Staatsorgane - Polizei und Militär - auf Aufstände vorbereiten. Ihnen stehen viele Menschen gegenüber, die sich durch alle möglichen Maßnahmen bereits auf einen "furchtbaren Abstieg" vorbereiten, den sie freilich abfedern zu können hoffen, während sie sich dafür rüsten, über kurz oder lang tatsächlich auf die Straße zu gehen. Daraus können meiner bescheidenen Meinung nach aber nur Scheintheater entstehen. Geweiß weden auch sie einige der wirklich Armen und Leidenden auf ihren Schild heben und auf die Fahnen schreiben, aber wirklich dafür fürchten müßte sich niemand. 

Dennoch tut die Politik so, als wäre DAS das Schreckensbild, das ihnen drohte. Wie kann das sein? Nun, sie tun zwar so, als wäre die Armut, das zu erwartende Elend das, wogegen sie kämpften, aber dieWahrheit liegt woanders. Die Politik fürchtet sich vor einer Revolution, die wie immer der Versuch der immer noch recht gut ausgestatteten Mittelschichten ist, an die Macht zu kommen. Menschen also, die auf irgendeine Weise zu kurz gekommen zu sein meinen, und in ihren Startlöchern scharrend auf den Anlaß gewartet haben, einen Umsturz legitimieren zu können, weil es "anderen" schlecht geht, während sie ihre Misere noch recht künstlich herbeizitieren müssen. 

Ein Freund hat es mir jüngst durch ein aktuelles Beispiel bestätigt. Er ist Grieche, und hat sein Land vor zehzn, zwölf Jahren verlassen. Damals war seine Heimat völlig am Boden, der Leser wird sich vielleicht erinnern, die Wirtschaft am Boden, die Menschen ohne gesicherte Versorgung mit Dingen des täglichen Bedarfs und sogar oft ohne medizinscher Hilfe. Aber was ist damals passiert? Es gab Demonstrationen, das stimmt, und die Griechen waren immer ein Volk, das sehr schnell auf die Straße ging. Aber so irgendwie war es ihnen gut gegangen, und diese gewisse Lebensart, die für die Welt so anziehend war, daß sie von überall her anreiste um dort einige Wochen als Gäste und Touristen mitzuleben, war allen immer noch möglich gewesen. Als das bedroht war, kam es auch vor zwölf Jahren einige Wochen lang zu heftigen Protesten im Land. 

Als es aber dann WIRKLICH allen schlecht zu gehen anfing, als die Troika der EU die revolutionären Ansätze der Regierung (mit dem Star, Finanzminister Yanis Varoufakis aus der Denkschule der "neuen Ökonomie", eine klar neo-kommunistische Form, die man denkerisch an Personen wie Baudrillard oder Graeber festmachen könnte) glatt vom Tisch wischte, um ihr Austeritätsprogramm zu oktroyieren, hörten die Proteste seltsamerweise sehr bald auf. 

Denn nun ging es den Menschen sehr bald wirlich schlecht. Die Lebensweise in Griechenland hat sich seither drastisch vereinfacht. Es kostet dem Großteil der Bürger alle Mühe, sich irgendwie über Wasser zu halten. UNd zwar in den alltäglichsten Bedürfnissen! ABer was ist jetzt? 

Mein Freund bezeichnet es als "Totenstille". Seit zehn Jahren geht niemand mehr auf die Straße, was für Griechenland wirklich höchst ungewöhnlich ist. Es gibt keine Gewerkschaft mehr, die die Arbeiter führte - sie sind entmachtet. Es gibt keine Bewegungen mehr, die die Armen sammelte - es gibt dafür sehr viele Hilfsstellen, wo sie sich stumm weil deprimiert (oder geduldig) anstellen, um sich und ihre Familie ernähren zu können. 

Auch aus dem England des 18. und 19. Jahrhunderts weiß man das. Zu Aufruhg und Arbeitsniederlegungen kam es nie durch die Masse der Molocher, wo Vater, Mutter und Kinder in die Schächte der Kohleberkwerke kriechen mußten, um sich wenigstens das nötigste (an Lohnes statt) im Werksladen eintauschen zu können. Zur Protsten und organisierten Protestbewegungen kam es erst und ausgehend von dort, wo es den Arbeitern bereits relativ gut ging. Wo sogar die Arbeitsbedingungen bereits gewissen Standards genügten, die Löhne so halbwegs ein Auskommen und einen Familienutnerhalt mögilch machten, es Schujlen für die Kinder gab, und eine halbwegs gute Versorgung mit Gütern bestand. 

Und DORTHIN gingen dann auch die Marxisten, um sich eine Schichte von Agitateuren zu schaffen. Bei den wirklich Armen flogen sie hochkant raus, Marx hat sich nicht nur einmal darüber mockiert und diese wirklich Armen gehaßt. Die sich so gar nicht verhielten, wie er es doch den geschichtlichen Automatismen zugeschrieben hatte. Und auch Lenin war sich dessen bewußt, daß seine politische Tätigkeit in St. Petersburg und Moskau so gar nicht der marxistischen Doktrine entsprach.

Die Mär, daß also die Armen es sind, die auf die Straßen gehen werden, wenn es im kommenden Winter und vor allem im Frühjahr 2023 zu massiven Einbrüchen im Lebensniveau kommen wird, ist also auf eine Weise völlig unbegründet. Die wirklich BEtroffenen werden still vor sich hin leiden, und alle Hände voll zu tun haben, sich und ihre Liebsten am Leben zu halten. 

Mir gellen stattdessen bereits die Ohren von jenen Schreihälsen, die scheinbar nichts besseres zu tun haben als Tag für Tag den "Aufstand der Massen" herbeizuflehen. Und resigniert, aber mit ungebrochener Ignoranz - was hätte denn das schon zu sagen? von wem kommt es denn? - von einem Volksaufstand zu faseln, der letzltlich nur sie, die sie ja wissen, was das Volk eigentlich will, auf höhere Sättel hieven soll.

Die momentanen Präventivmaßnahmen der Politik fallen somit unter dieselbe Kategorie wie die "Massen", die auf die Straße gehen werden - sie haben Angst vor dem Schmerz. Aber leiden? Leiden werden andere. Ihre Stimme hört immer nur einer - Gott.

Volk leidet nicht stumm, weil es zu dumm, zu ungebildet ist zu wissen, was es will oder wollen sollte. Das glauben nur die, die von der Substanz keinen Geschmack mehr im Mund führen, die also gar nicht mehr dazugehören und sich künstlich eine Rolle im Leben eines Volkes auf den Leib schreiben wollen. Volk will immer nur eine - leben. Einfach - leben. 

Und dazu will es in Ruhe gelassen werden. Denn das Volk weiß, ohne viel darüber quatschen zu müssen, daß sich das Leben immer so gibt, wie es ist, und daß man auf diesem Strom stehen muß, um seine Kraft mehrund mehr aufnehmen zu können. Die Politik hat deshab nie ein Volk zu formen, zu prägen, zu gestalten. Sie hat nur dafür zu sorgen, daß sich ein Volk zu seinem eigenen, natürlichen Besten entwickeln und fortleben kann. 

Hin zu seiner eigenen Natur, die dann auch die Kraft hat, hohe und höchste Kulturformen zu gebären und auf seinen Schultern zu tragen. Die höchste Kultur, die Europa je hatte, das hohe Mittelalter, hat gezeigt, was dann möglich ist. Es war nur nicht vorbereitet auf die Okkupation durch die Mittelschichten, weil es zu gut war, um sich diese Schlechtigkeit auszudenken ...


*Nicht der MittelSTAND, ich wiederhole das oft und oft, weil auch da die größte Begriffsverwirrung herrscht, und der Begriff einer MittelSCHICHT relativ neu ist, und nur Einkommens- und Konsumverhältnisse bezeichnet, unabhänggi vom STAND. Ich habe den dringenden Verdacht, daß diese Begriffsverwischung von dem mittlerweile extrem hohen Prozentsatz von staatsabhängigen, unproduktiven Beschäftigten stammt - darunter der sogenantne "Bildungsstand", also die Massen ungebrauchter Absolventen der Massenuniversität - für die das einer von vielen Kniffe ist, ihre Legitimität unhinterfragt zu lassen. 
Übrigens sind es auch diese "Intellektuellenschichten", die den Großteil der Revolutionären stellen, als verlängerter Arm von zweitgereihten Oberklassensprößlingen, und eine Instrumentalisierung des Volkes vorbereiten, um dieses so zu täuschen, daß es wenigsens kurze Zeit (lange geht das nie) mit "auf die Straße" gehen, also sich zumindest für kurze Zeit auf die Fahnen heften lassen, um der gesamten Revolution ihre Legitimität zu geben. (Siehe dazu auch J. Ellul, "Revolution")

**Denn die Folgen, die wirklichen Folgen des Wirkens der derzeit so eifrigen Abrißbirnen auf den Lebensstätten Europas durch Energie-Depravierung werden sich erst dann wirklich zeigen. Und sie werden sich zeigen, denn zielsicherer kann man eine Kultur (zu der auch Wirtschaft gehört, als eines jener Parameter, die bei einer hohen Kultur in einem gewissen "Gelichgewicht" stehen) kaum zerstören als durch Energieentzug, denn auf eine Weise IST Kultur sogar eine Steigerung des Energieeinsatzes durch Effizienzsteigerung, in alle dem machen wir exakt das Gegenteil.