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Freitag, 28. Oktober 2022

Filmempfehlung (3)

Der Film - Beginn der Geschichte - Die Geschichte ist einfach, und doch dramaturgisch komplex zum Fünfakter gebaut. Sie wird in den 90 Minuten ohne jedes Zuviel oder Zuwenig erzählt. Ein Mädchen an der Schwelle zur Erwachsenheit - im heiratsfähigen Alter, könnte man sagen - wächst alleine bei ihrem Vater auf. Dieser betreibt eine kleine private Detektei, und seine Klienten sind in erster Linie private Affairen. Darüber hat sich mit den Jahren ein Archiv heikler, pikanter Fälle angesammelt, in dem seine Tochter heimlich gerne  heimlich stöbert und ihre Phantasie nährt.  Bei ihrem heimlichen Studium stößt sie auch auf die umfangreiche Akte des reichen Amerikaners Frank Flannagan, den aktuellen Fall ihres Vaters, und ist fasziniert von ihm.

Dem Vater ist diese Leidenschaft seiner Tochter gar nicht recht, denn er wollte seiner Tochter diese geballte Dosis an menschlichen Fehlern und Schwächen nicht zumuten. 
"Aber du hast doch mit Mutter auch immer darüber gesprochen?" - "Mein Kind, deine Mutter war eine verheiratete Frau!" "Gott sei Dank."  
Er observiert Flannnigan, diesen über die Presse aller Welt bekannten Millionär und Playboy, wie der sich mit einer Frau, deren Mann geschäftlich verreist ist, in seinem Hotel zu einem Stelldichein trifft. 

    Nat Kind Cole - Fascination
Gelegenheiten, bei denen - solche entzückend-komischen Elemente sind typisch für Billy Wilders leicht absurden, verspielten, übermütigen Humor - der Millionär stets eine vierköpfige Zigeunerbanda zur Musikuntermalung engagiert, die stets und pünktlich um zehn Uhr zu spielen aufhört, jedesmal zum Abschied aber "Fascination" spielt, ehe sie auf Socken aus dem Zimmer schleicht. Der spätere Erfolg der Vokalversion des Lieds (am bekanntesten wohl die Version von Nat King Cole) verdankt sich sicher auch diesem Prequel.

Als der betrogene Ehemann zurückkommt und den Detektiv aufsucht, um dessen Erkenntnisse zu hören, zeigt ihm der Detektiv die die Untreue seiner Frau beweisenden Photos. Der Mann beschließt daraufhin, Flannagan zu erschießen.

Es dauert lange, und wie in jedem guten Plot schleßt sich ein ganz anderer Handlungsbogen quasi zufällig zu dieem Punkt, bis der Vater seiner Tochter auf die Schliche kommt. Und nun erst begreift, in welcher Gefahr sie sein könnte: Opfer eines norotischen Frauenhelden zu werden, der im Herzen seiner Tochter furchtbare Zerstörungen anrichten kann. Und wie es einem Vater ansteht, stellt er den Millionär zur Rede. 

Der erst jetzt begreift, was zu tun er beabsichtigt hat, und in diesem Moment auch erst begreift, wo seine Pflichten als Mann liegen. Vielleicht as erste mal in seinem Leben begreift er, was es heißt, sich mit einer Frau einzulassen, die nicht Objekt seiner Vergnügungslaunen ist.

Bewegend der Vater dabei:
"Mr. Finnegan, wenn sie es nicht ernstmeinen mit meiner Tochter - lassen sie den Fisch wieder vom Haken, werfen sie ihn wieder ins Wasser zurück."
Man fühlt dabei Wilder's wissenden Herzschlag dabei. Man spürt, wie er diese Gestalt, die er selbst geschaffen hatte, die aber nun so lebendig ist als stünde sie vo rihm, zui beschützen suchte. 

Ich möchte noch ein Wort zur Art der Darstellung in den Filmen Wilders sagen. Die nämlich die perfekte Antithese zum heute in unseren Ländern vorherrschenden "Realismus" darstellt. Wilder ist nämlich in seiner Dramaturgie auchinsofern klassisch und abendländisch, als er nicht ohne Platos Verständnis der Wirklichkeit er Welt ist. Das erkennt man an der Typologie, die Wilder immer wählt. 
In Wilders Filmen schafft sich der Zuseher noch die Bilder selbst. Deshalb ist auch der Schaupsielstil eben das - Stil. Stilisiert. Und DAS erst schafft beim Zuseher das Sehen. Da erst beginnt also Kunst: In der Vermittlung des Unsichtbaren, das im apperzeptiven Zuseher zum Gesehenen wird.

Seine Handlungsstränge sind immer "herausgenommen" aus der Welt, aus dem bloßen Gemengelage der Zeit. Wie mit einem Skalpell hebt er nur einen bestimmten Strang aus dem unendlichen Meer der Welt heraus, isoliert ihn, und überhöhnt ihn dann zu einem typischen Geschehen, und macht darin einen Archetyp erkennbar. Den nun der Betrachter in sich aufnehmen kann, ohne in seiner Freiheit beeinträchtigt zu werden!

Denn das ist das Geheimins der Kunst der Dramaturgie: Sie nimmt NICHT, wie der heutige Realismus es versucht, der den europäische Film schon nahehzu erdrückt und nicht mehr als Kunst gültig macht, den Menschen so heimtückisch, daß er sich gar nicht mehr entscheiden wiel gegen die Sinneseindrücke wehren kann. Die Kunst des Dramas MUSZ deshalb überhöhne, MUSZ abstrahieren, MUSZ mit Wunder und Märchen arbeiten. 

Wen kümmert, wie der Mann wirklich seine Millionen verschiebt, wen kümmert, was er wirklich arbeite, woher sein Geld stammt, und ob er wirklich an seine Liaison dachte. Hier geth es um ein archetypisches Geschehen, das sich in dieser ARt im Leben qusi JEDER FRAU, jedes Vaters, jedes Mannes wiederholt! Das NICHT - wie im nackten Realismus der Gegenwart nämlich der Fall ist, wo der Zuseher sich dann bestenfalls nachträglich so irgendwie einen Identifikationspunkt als ganze Perspon suchen kann, währen der zuvor einfahc durch die (eigentlich: barbarische, reduktive) Eins-zu-Eins-Realität der faktischen Details erschlagen wird. Die ihm eine Wirklichkeit vortäuschen, die doch in Wahrheit gelichfalls eine Weltanschauung ausgesucht hat, die aber nun nihilistisch ist, materialistisch, ohne jede Transzendenz.

Der Mensch ist utopisch, schreibt Ortega Y Gasset einmal. Er meint dies natürlich nicht als Aufruf, einer Ideologie anzuhangen, und dann proto-fastistisch diese gedchte Realität in allen Details durchzusetzuen, auf daß sie "wirklich" werde, was abger nurdie Simulation von Wirklichkeit ist. Nein. Was Y Gasset meint ist, daß der Mensch nur ind er Selbstüberschreitung lebt, das heißt sich auf ein Ideal hin überschreitet weil danach ausstreckt. 

Damit steigt er immer aus dem Moment der Zueit aus, aber ERST DAMIT schafft er Geschichte! Weil der Augenblick entsteht, in dem er sein Menschsein in der Welt mit dem Tau des Ewigen umfängt, in dieses Ewige erst durch den eigenen Tod hineinhebt. Das ist sein Utopie, und nur in dieser Bewegugn "auf - zu" kann es dann wirkliche Realität geben. Die die Realisierung eines aus dem Ewigen, nur aus dem Transzendenten stammenden Wirklichen ist, kein zufälliges, begierdegetriebenes Faktisches. Erst so wird der Mensch zu schöpferischen Wesen, udn damit ers tso zum Ebenbild Gottes.

In der dramatische Kunst entsteht erst so Wahrheit. Denn wahr is tkeineswegs das, was "da" ist. Auch wenn die Gegenwart das verleugnet weil gar nicht mehr begreift - das Wahre ist immer ein chirurgisch aus dem Insgesamt Herausgegriffenes. Und die Kunst kann nur etwas - also einen solchen ausschnitt - darstellen. 

Dieses Wahre ist dann auch wiedererkennbar im Betrachter. Und somit kann es erst bewegend sein! Als Theater im eigenen Kopf, gewisermaßen, in dem das eigenen Ich aus der puren Datenfülle der Sinne einen Topos herausgreift, in sich wiedererkennt, und damit mitleiet. 

Des zeitgenössischen Films ingegen läßt die Figuren am Boden kleben. Der Betrachter wird dadruch hinabgehzogen, ins Nichts, nicht in eine "Realitt", sondern ind ie Vorentschidung daß die Welt auch ein Nichts IST. Das ohne Rettung, ohne Hauch des Ewigen ist, und somit in der Suche nach Wahrheit nur niedrige Menschen übrigläßt.

 Aber das ist nicht wahr! Das wiß nur nicht mehr davon, daß da Herz sich erheben muß. Es braucht dazu das Aufheben DURCH DAS ARCHETYPISCH-TAPOLOGISCHE als das wirklich wirkliche alles Gesehenen (das Detail nur ist, weil es Detail an einem Ganzen ist!) 

Das Geschehen muß deshalb von den dramatischen Künstlern auf die Hände des Wundervollen gestellt werden, wel auch die Welt eben wundervoll ist - voller Wunder, ein einzhiges Wunder! Keineswegs in sich abgeschlossene Kammer!

Wer Wilder einmal so begreift - und ich tue das, ich sehe das in seinen Filmen, mit allem Weh und Ach, ich habe es angedeutet - sieht, wie er in dieser Spannung zwischen platonischer Idee und einer märchenhaften Weltauflösung stehen will. Der Zuschauer kann sich distanzieren, und sieht ein Schaupsiel eines Verhaltensausschnittes, den man von sich selber kennt und erkennt, weil er auch zu Ende geführt wird. In diesem Fall - ungemein WAHR zu Ende geführt wird! Denn Wilder konterkarriert dann die in diesen Jahren aufbrechende sexuelle Revolution, ist das dem Leser dieser Zeilen bewußt? 

Wilder ruft in "Ariane - Liebe am Nachmittag" noch einmal eine seelische Haltung auf, die nur zehn Jahre später mit Füßen getreten und zertrampelt werden wird. Und zwar ausgerechnet von jenen, die die LIebe auf ihre Fahnen geschrieben haben. 

Was, muß man nach dem Film sagen, unterscheidet diese 68er denn aber überhaupt von einem reichen Millionär, der doch auch nur Spaß und Liebe will? Und auf Frauen trifft, die dieses Spiel mitspielen wollen, weil sie meinen, es mitspielen zu müssen, um noch tauglich für die Menschwerdung - ein Geschehen als Mann und Frau - zu sein? Angesicht einer MEDIENWELT (wie in diesem Film!) die ganz andere Normen verkündet. Normen, die der eigenen Natur so widerstreben, die sie zerstören werden, wenn man ihnen schutzlos ausgeliefert wird. Und keinen Vater hat, der diesen Schutz übernommen hat, ernst nimmt, und sogar dafür kämpft. Und sei es, daß er sein Geschäft dabei verliert.

Billy Wilders Kunst - er zeichnet auch hier verantwortlich für Drehbuch und Regie, und scheint außerdem als Produzent auf, was immer eine interessante Aussage ist, weil der Produzent tatsächlich etwas riskiert, also ganz anders hinter dem Film steht als jeder nur per Gage Beschhäftigte - ist nicht realistisch, und doch so wirklich. Dazu braucht es aber eine Distanz in den Mitteln, die aus dem unendlichen Gemengelage des Realen einen Abschnitt wie mit dem Seziermeser heraushebt. Er trifft damit eine Aussage, die sich gewaschen hat, und so manchen Skandal auslösen würde, würde sie heute so gemacht. Wilder hätte heut edas, was er damals umgehen wollte - Berufsverbot, das kann man als sicher annehmen. Ich will behaupten, daß er das wußte. Ob er selber wußte, daß er so denkt weil geprägt ist, oder nicht.

An den US-Kinokassen fiel der Film durch, was Kritiker dem bereits dem für eine solche Rolle zu alten Gary Cooper zuschrieben. Der hat sich angeblich furchtbar darüber geärgert, und sich, wie es heißt, sofort einer Gesichtsoperation unterzhogen, die seine Falten straffen sollte. Ich kann mich dieser Sichtweise überhaupt nicht anschließen, die Gründe habe ich oben auseinandergesetzt. Vielmehr schließe ich mich der Meinung an, daß der Film ein viel zu wenig bekanntes Meisterwerk ist. An dem - neben der bewegenden Schauspielleistung - die messerscharfen, extrem präzisen Dialoge bestechen, auch wenn das bei Filmen von Billy Wilder ohnehin immer der Fall und eine ungemein spritzige Dialogführung sein Markenzeichen ist. In diesem Fall kommen sie sogar in der deutschen Synchronfassung perfekt.

Trailer "Ariane - Liebe am Nachmittag" (1957)
Drehbuch und Regie: Billy Wilder




Erstellung 17. Oktober 2022 - Ein Beitrag zur