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Freitag, 14. Oktober 2022

Es bleibt nur, was im Kult ist (2)

Maria lactans. Die Gestalt der weltgebrdenden und welternährenden Frau. Ohne Eros der Frau keine Welt. - Das ist der Grund, warum es in der Malerei gar nicht wenige Darstellungen der Gottesmutter gibt, die - das Jesuskind auf ihrem Arm - ihre blanke Brust darbietet, aus der ein Strahl ihrer Milch dringt, den der Mund des Heiligen auffängt. Was der Heilige Bernhard von Clairveaux in einem Gesicht sah und als seinem geistigen Erleben zugrundegelegt begriff, ist auch die Wahrheit hinter jedem künstlerischen Schaffen. Als dem Dasein eines Standes, der dem Nützlichkeitsgeflecht der übrigen Stände entzogen ist. - und entzogen sein muß. Denn das ist seine Aufgabe. In den Künstlern, den Priestern, den Denkern, alle wiederum Teil des Hauses des Königs.

Denn dahinter zeigt sich die tiefe Wahrheit, daß dieses Fleischliche, das die Schöpfung ist - in seiner Erstursächlichkeit im Sohn Gottes, den sie empfing, gebar und großzog - aus der nährenden Milch der Verköperung der Reinheit des Menschen (als Schlüssel der Schöpfung, s. o.) selbst Fleisch annimmt! Getrieben von ihrer "inneren Forma", die in der von der Milch der himlischen Mutter alle Nahrung erhaltende Gestalt des menschlichen (vollkommenen) Werkes. 

Denn es ist diese erbsündefreie, allerreinste Haltung, diese höchste Sittlichkeit, die die Gottesmutter darstellt weil also IST, die alles Werk zu seiner wahren Schönheit und Größe führen kann. Von ihr stammt also auch das Ferment, das ein Werk zu seiner Vollkommenheit zusammenführt, und das wir durch ihre Mittlerschaft, in der sie es der Menschheit wieder erworben hat, selbst erhalten. 

Weil sie das Notwendige ist, das aus einem Samen (Idee) eines Geschöpfs die Aufnahmefähigkeit zur  Form hin bereiten, stärken, bilden kann, um dann vollkommene, reine Gestalt zu werden. Wer schaffen will, aber nicht die Schönheit und Vollkommenehit des Geschaffenen sucht, schafft nicht - was immer sonst macht, er "macht nur etwas".

Deshalb haben Heilige zu allen Zeiten die Gottesmutter als ihre "nährende Mutter" begriffen, als die Mutter, an deren Brust sie saugen (müssen), wollen sie vollkommen werden.  Denn sie ist die Mittlerin aller Gnaden. So, wie es die Mutter braucht, die allem Samen das Leben vermittelt. Über das er zwar eines Tages "frei" verfügen kann, wenn er sich also zu einem völligen Eigensein abnabelt, das aber dieses vermittelte Leben braucht, um diesen Akt des Frei- und Eigenseins vollziehen zu können. Denn was sich von dieser Ehe zwischen Himmel und Erde entfernt, stirbt.

Natürlich fand und findet das in einem Zeitcharakter statt, und deshalb sind auch die Brüste der "Ganz Schönen" - Maria, das Urbild der Frau (als der neuen, zweiten Eva, der Stammmutter aller folgenden Frauen) - im Stil der jeweiligen Zeit "besonders schön". Und haben ihren Eros! Der deshalb beim Betrachter Sittlichkeit voraussetzt, damit dieser Eros bei ihm nicht in die Konkubisenz, also die rein irdischte Begehrlichkeit abgleitet. 

Die aus dem Akt der Verehrung der Mutter Gottes ÜBER das Bild einen Akt der Beschmutzung und schweren Sünde machen würde. Weshalb diese Darstellungen v. a. später, als das Abendland bereits aus seiner himmlischen Geschlossenheit herausgefallen ist, die das Mittelalter noch weitgehend war, immer sehr vorsichtig gehandhabt und vor der breiten Öffentlichkeit eher verborgen wurden. 

Aber von dort ausgehend, von diesem Ahnen des eigentlichen Zusammenhangs der geschaffenen Dinge, stammt auch die bis zu den Anfängen der archäplogisch feststellbaren Menschheit reichenden Darstellungen der Brüste der Frau (ich verweise hier auf die im Donauraum, also bei jener Kuzltur, die noch vor der Sintflut in diesem Raum ausgebreitet hatte, und auf die zahlreiche Bildnisse und Statuetten, die man von den Alpen bis nach Rußland fand, deren wahrscheinlich schönste die Venus von Willendorf in Niederösterreich ist*), die Bedeutung der Milch als Kulturträger und die im indogermanischen Raum tief verankerte Verehrung der Kuh (wobei die des Rindes einen damit zusammenhängenden, aber anderen Sinn hat, und natürlich der Verehrung der Kuh auch vorausgeht, sich im Geld übrigens zu einer an sich sehr schönen Symbolik der Weltpotenz herausgebildet hat) - die auf diesen ursprünglichen weil metaphysischen, also ontologischen, geahnten "Sachverhalt um die Schöpfung" zurückgeht. 

Und es kann mich zu Tränen rühren, wenn ich beim Almabtrieb die Kühe mit Blumenkränzen geschmückt sehe, die in die schnöde Erdentiefe, voller Getriebe und menschlicher Neigung zu Zeitverlorenheit und Unordnung, zurückgeführt werden -  nachdem sie ihre Zeit im Himmel hatten. 

Und ich erinnere noch lebhaft die beiden Mächen, die ich in jungen Jahren kannte, und die ihre Ferien als Sennerinnen auf der Alm verbracht hatten. Ihnen war - nach Monaten des Nährens (auch der fallweisen Wanderer), des Melkens und  Käsens - ein Glanz, ein Eros des Schönen und Fruchtbaren eigen, den ich nie mehr vergessen habe. Weil er mich hat ahnen lassen, wozu der Mann eigentlich berufen wäre. 

Ein wenig davon, ein schon schwächerer Abglanz, findet sich immer noch  - in Trägerinnen entsprechener Trachten. Denen ich überhaupt das schönste Abbild einer Frau verdanke, dessen ich in meinem Leben bislang ansichtig werden durfte, in Gestalt einer Frau am Bock einer herrlich geschmückten, leichten Kursche, die von zwei Falbenhengste gezogen wurde, deren sichtbares Temperament sie mit sanfter Hand höchst gekonnt dirigierte.

Der Ritus, die ritualisierte Handlung, hebt das Profane aus dem Staub, und flicht es in den Glanz einer vom Himmel durchstrahlten Welt. Hebt sie wieder in den Glanz der ursprünglichen Schöpfung, die der Mensch durch Nutzen, durch Konsum, durch eigene Schwäche und Zustimmung zum Mangel an seinem Urbild ... in den Staub riß. 

Wenn ich nun auf Erinerung zurückgreife, so aus einem bestimmten Grund. Denn auch die Erinnerung gehört zu jenem geschlossnene Formenkreis der Erhaltung der Schöpfung "in sich - durch sich" (denkt man Gott als Mensch und Erlöser und Heiland in diesen Kreislauf), dessen eigentliches Tragewerk ... der Ritus, das Rituelle ist. Sodaß schon von dieser metaphysishcen Warte auch begreifbar wird, warum die Welt im höchsten Kult, dem Kult des Opfers Gottes des Sohnes vor Dott dem Vater, ihren Ausgangs- wie ihren Zielpunkt hat. Dem der Priester die gesamte Menschheit, die sich in der Kirche in ihren festlichsten Gestalten eingefunden hat, in ihrer  also zur Eigentlichkeit gebrachten Erscheinung im Fleisch, bie jedem Meßopfer abspielt. Wo das Volk Gott in seinem innertrinitarisch gedeuteten und nun sichtbaren Geschehen mit den im Glauben erhellten Augen sieht, als Vorgriff auf den Himmel, als wahrer Himmel, in dem sich Welt und Gott berühren, und das Paradies anbricht. Wenigstens für diese Stunde der Zeitenthobenheit, wenigstens für diesen Tag des Anfangs der Neuen Schöpfung, den Sonntag. der unser ewiges Schicksal ist. 

Was nicht im Ritus geborgen ist, findet deshlb auch nicht als eignetliches Schöpfungswerk statt. Die Profanierung, die wir deshalb erleben, die wir vor allem als plumpe Reduktion auf "technische Vorgänge" (in völliger Verkennung der "Effizienz der Natur"; nirgendwo gibt es so viel "Unnötiges", nur Ritualen des Selbstglanzes Dienendes wie in der Natur!) erfahren müssen, ist deshalb eigentlich ein Akt des Diebstahls, wo der Teufel die Schöpfung ihrem eigentlichen ZIel entreißt. Indem er sie - dem Vergessen in den Rachen wirft. Und sei es der bloßen Auslieferung ans subjektiv Gefühlichte, das nichts ritualisiert und damit verfleischlicht, sondern gierig hinuntergeschluckt und im selben Moment verkonsumiert wird, in dem es entstehen gelassen wird. Wo ritenlos also Leben in dem Moment vernichtet wird, in dem es entsteht. Und alles Lebern wird vernichtet, das nicht in die Ewigkeit des Leibes, des Fleisches hinübergeführt wird, das also nicht ins Werk der Schönheit weist.

Es bleibt nur, was im Kult ist. Es ist nur, was im Kult ist. Und es wird nur bleiben, was im Kult des Lebens ist, den der Mensch in seien Ritualen und Gebräuchen der Zeit enthebt, vor Gott trägt, um es in seinem - ewigen! - Gedächtnis aufbewahrt zu wissen. 

Und das, werte Herrschaften und Leser, ist ein so reales (freilich nicht "billiges", "nur zu konsumierendes") Erfahren, daß es als eigentlicher Antrieb in jedem Menschen steckt. Und deshalb viel, sehr viel Arbeit und Lärm braucht, um seinen Anruf aus dem subjektiven Wahrnehmen wirklich zu verdrängen. 

Und wenn ich dieser Zeit eines nicht glaube dann das, worauf sie sich angeblich beruft: Daß sie nach "ihren Gefühlen" handele ... Sie weiß gar nicht mehr, was Gefühle sind, wenn sie an einer Welt hangt, die immer konsequenter den Ritus ablehnt. Weil sie innere Anrufe fürchtet, die diesem Erfahren wahrhaftiger Schönheit entgegensteht, die aufzunehmen das Herz erst in der Wahrheit zum Gold- weil Altargefäß ausgeschmolzen werden müßte. Denn das Unreine kann nicht das Schöne sehen und schon gar nicht halten. 

Das Unreine scheut sogar die Schönheit. Und dem Unreinen.wird jede Milch der Welternährung zum bittern Getränk, dem er den Mund verweiger, weil es umso stärker erfährt, wie wenig sie dem Anruf zur Vollkommenheit entspricht. Eine Welt aber, die keine Vergebung der eigenen Schuld mehr sucht (dennn die Reinigung  muß gegeben, gewährt werden, sie kann nicht gemacht werden, ihre Nahrung kommt von oben, von der Reinheit selbst), die sie gar nicht mehr erkennen will, sondern auf andere und anderes umlegt, wird zur Wahrheit unfähig und verdammt sich selbst zu Blindheit und Irrtum. In so einer Welt kann es dann nicht einmal mehr "richtige Handlungen" geben. Sie richtet sich selbst zugrunde.


Venus von Willendorf

*Ich habe vor Jahren das Original im Wiener Kunsthistorischen Museum betrachten können. Und ich war völlig verblüfft, wie diese auf den Abbildungen eher seltsam wirkende Figur real gegenüber gestellt erotisch und anziehend wirkt. Sie ist tatsächlich ein Kunstwerk! In ihr tritt dem Betrachter eine die Welt nährende, laktierende Frau entgegen, die den Samenpotenten, den Träger der Ideen - den Pater potens, den Mann, der durch die Vaterschaft zum Mann wird, also zeugen WILL - anwegt, sich in die Welt der Mater(ia) beizulegen, um durch sie im Werk zu zeugen.