Neuerlich sei "The European" hier zitiert, in einem lesenwerten Bericht über die reale, aber eben real gar nicht vorhandene Wirkung der Internet-Vernetzung. Der in dieselbe Kerbe schlägt, wie hier seit langem geschlagen wird. Zwar sei die Empörungskultur ausgeprägt und groß, vernetzt, und immer aktuell und aufgeregt. Aber sie bewirkt nichts.
Vielmehr wird aus dem Bericht erkennbar, daß die einzelnen Gruppen untereinander perfekt vernetzt sind, aber wie hermetische Zellen im Insgesamt der Gesellschaft und auch der Öffentlichkeit dahinschwimmen. Niemand nimmt von ihnen Notiz, Empörungskampagnen im Internet bewirken überhaupt nichts. Das Internet bewegt gar nichts und niemanden.
Wollen sie wirklich etwas erreichen, ja wollen sie wirkliche Öffentlichkeit, müssen sie sich an herkömmliche Wege und Medien wenden. Erst dort wandelt sich Gruppenempörung in Öffentlichkeit. Das Rauschen im Internet ist nämlich keineswegs Parameter der Relevanz im wirklichen Leben. So stehen die Journalisten zwischen Schylla und Charybdis - einerseits sollten sie Relevantes nicht übersehen, anderseits täuscht das Internet Relevanz vor, die gar keine Wirklichkeit hat. Um als Journalist Relevantes von Nichtrelevantem zu unterscheiden,
braucht es aber eine Realitätsfundierung, die das Internet niemals
erbringen kann.
Vieles, ja das meiste im Netz, vor allem dem der social media, ist bloße Selbstresonanz, selbstläuferischer Widerhall, den Medienbediener einander liefern. Netzaktivisten erreichen mit dem Netz und mit ihren Netzen letztlich nur sich selbst.
Warum aber haben sich die Journalisten der Zeitungen und Sender
plötzlich auf das Thema eingelassen? Sie sind selbst einer Täuschung
erlegen, der vorgetäuschten Relevanz der Internetdebatte. Journalisten
folgen im Netz vor allem politischen Aktivisten. Vor allem Twitter ist
ein gutes Medium, um schnell zu erfahren, was gesellschaftskritische Leute interessiert.
An die Stelle der aktiven Recherche von Themen, die Menschen bewegen,
kann auf diese Weise das Lauschen auf die Wellen des Stroms, des
Nachrichten-Streams treten. Aber das Anschwellen des Rauschens ist nicht
unbedingt der Wichtigkeit einer Sache zu verdanken, es kann sich auch
um ein Resonanzphänomen in einem allzu engen, allzu homogenen Raum
handeln. Journalisten sollten sich dieser Gefahr bewusst sein, damit sie
nicht selbst zum Medium, zum Verstärker solcher Resonanzen hin zur
Öffentlichkeit degenerieren.
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