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Montag, 19. November 2012

Geostrategie und Weltmarkt

Auf interessante geostrategische Zusammenhänge weist ein neues Buch von Peter Schweizer hin. Dieser vertritt in seinem Buch „Victory: The Reagan Administration’s Secret Strategy That Hastened the Collapse of the Soviet Union“ die These, daß das, was die Sowjetunion wirklich zum Kippen brachte, ihre Unfähigkeit war, sich mit der Ölförderung weiter zu finanzieren.

Die erste Amtshandlung Reagans 1981 war die Freigabe der Ölförderung im eigenen Land, sowie der Einfluß auf die OPEC, einen freien Markt außerhalb ihrer Preisbindung zuzulassen. Der Ölpreis weltweit wurde daraufhin wieder zu einem Marktpreis, und sank in Folge bis zum Tiefpunkt im Mai 1986 auf unter 10 Dollar das Faß. Denn die OPEC-Länder, die sich ja vorwiegend durch Öl finanzieren, erhöhten zum Ausgleich ihre Fördermengen. 

Für die Sowjets ein entscheidendes Desaster. Das enorm teure SDI-Programm der USA, das die Amerikaner in die Lage versetzte - theoretisch - einen atomaren Erstschlag ohne Angst vor Konsequenzen zu führen, entschied nun den Kampf um die Weltmacht. Denn die Sowjetunion konnte erstmals nicht mehr mitziehen. Ja, ihre Finanzen brachen zusammen. Der Kurswechsel unter Gorbatschow war somit erzwungen.

Ähnliche Auswirkungen hatte dieses politische erzwungene Marktverhalten auf die Länder des Nahen und Mittleren Ostens. Der Iran wurde genauso getroffen, während die Saudis mit amerikanischen Geldern und Rüstungsgütern ruhiggestellt, aber damit noch mehr an die USA gebunden wurden. Spekulationen, daß Sadam Hussein bzw. der Irak deshalb ein Kriegsziel wurde, weil er aus dieser Zwangsjacke ausbrechen, einen neuen Ölmarkt mit Euro-Verrechnung einführen wollte, dürften ein fundamentum in re haben. Noch dazu wo die USA der weltgrößte Schuldner schon deshalb ist, weil der Dollar als Weltmarktwährung enorme Verbindlichkeiten bedeutet, ein Rückfluß nicht mehr gebrauchter Dollar in die USA das Land völlig aus den Angeln heben würde.

Am Ende, so schreibt The European, habe aber die US-Ölindustrie unter dem Preisverfall bereits selbst gelitten. George H. W. Bush war schließlich persönlich nach Arabien geflogen, um über eine Drosselung des Exports zu verhandeln.

Nach wie vor hat der Ölpreis gewaltige Auswirkungen auf die russische Selbstfinanzierungsmöglichkeit. Je nach Rechnung, muß der Barrelpreis auch heute 100-115 Dollar betragen, damit Rußland keine Schulden machen muß. Nun baut sich eine neue Gefahr auf: das Fracking (Gasgewinnung aus Schiefergas) wird den Gaspreis weltweit dramatisch fallen lassen. Die enormen Mengen, die in den USA bereits gefördert werden, drücken ihn nach unten, und damit wird auch Rußland als Gaslieferant immer weniger gefragt. 

Die Notwendigkeit der Amerikaner, die Ölförderung und -preise im Nahen Osten (bzw. in der OPEC) zu kontrollieren, ist also längst nicht mehr an ihrem Bedarf an Öl orientiert. Schon lange trägt saudisches Öl kaum mehr als 10 % des amerikanischen Bedarfs, Tendenz weiter fallend. Die riesigen Schiefergasvorkommen in den USA bewirken dort mittelfristige eine weitere Verringerung des Verbrauchs von Öl durch den Umstieg auf Gas. 

Das wegen seiner mehr als problematischen Umweltauswirkungen nicht überall so rücksichtslos gefördert werden kann, wie in Amerika. Denen durch das Fehlen jeder Verwurzelung mit dem Boden wegen der von Anfang an gegebenen Virtualisierung ihrer Lebensweise - als ein Land, gegründet von Entwurzelten - solche Fragen wenig Kopfschmerzen bereiten. Dicht besiedelte Länder haben also weit größere Probleme, in dieser Konkurrenz zu bestehen. Und Hochseeförderung wie in der Nordsee ist weit teurer. Die USA werden deshalb sehr bald zu Gasexporteuren werden. Bei weiter fallenden Gaspreisen.
 
Nunmehr aber geht es schon lange nur noch darum, den Nahen Osten dem Zugriff Chinas und Asiens vorzuenthalten. Und zwar auch über Ölpreise - der nahe Osten ist OPEC-organisiert. Ihr Demokratieverständnis liefert ihnen dafür den entscheidenden Hebel. Denn amerikanische Demokratie bedeutet die Marginalisierung von Identität und Kultur, die eigentlichen Träger eines Staates, zugunsten einer Fragmentierung der Gesellschaften in individualisierte, wurzellose, virtuelle Lebensentwürfe. Denen Staats- und Machtpolitik nicht mehr bedeutet als die Abführung eines Videospiels, als Preisgabe der "wirklichen" Erde. 

Die geostrategische Position der USA steht also auf zwei Säulen: auf der Beherrschung des Energiemarkts (der über Öl ja auch die Nahrungsmittelproduktion mitregiert), und der Beherrschung der virtuellen Welt und Informationsebenen als Entscheidungsforum, an dessen Relevanz alle glauben (müssen), denn nur so lange behält er seine Relevanz, so lange ist er geostrategisch entschärft, so lange alle mit Megaproblemen (wie Klimakatastrophe) befaßt sind, die verhindern, daß die Menschen wieder ihrer eigenen Wahrnehmung vertrauen. Das läßt ihr den Boden (und damit die Menschen) weltweit wie reife Früchte in die Hände fallen, das zeigt daß sie selber sehr wohl nie vergessen haben, worum es wirklich geht. Hier zeigt sich der einzige wirkliche Gegner, der ihnen noch verblieben ist - China, das auf andere Weise versucht, die Böden zu gewinnen.

Der wirkliche geopolitische Feind Amerikas, weil das einzige Hindernis, hat sich also nie geändert: es ist das abendländische Europa. Demgegenüber man seit dem Bürgerkrieg von 1861-65, der die abendländische Kultur im eigenen Land aushebelte, auf der Siegesstraße fährt. Das Feindbild "Kommunismus" war ihr da nur willkommenes Vehikel, nicht anders als die Kriege 1914/18 und 1939/45, wo sich Europa ausgeliefert hat. Denn hier haben sich nur jeweils völlig adäquate Systeme des Technizismus und der Pseudologie bekämpft. Nur hatten die einen die bessere Propaganda, die bessere Technik und mehr Rücksichtslosigkeit.





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