Brot und Spiele für den Plebs - es hat sich nichts geändert. Und unten stehen die Gladiatoren, die alles geben, für einen kurzen Moment des Ruhms, auf den alle hoffen. Objektiviert in Zahl und Masse. Und oben sitzen sie, die Massen, rülpsen das Cola herauf und putzen sich die Chips-Krümel von den T-Shirts, und johlen und jubeln, und fühlen sich bestenfalls schlecht informiert, wenn sie ihre Entscheidungen treffen müßten, diese nicht einfach alternativlos sind.
Die FAZ bringt den nächsten Problemkreis auf den Tisch - die Dokumentarfilmer.
Man hat es geahnt, jetzt ist es schwarz auf weiß nachzulesen: Die
Dokumentarfilmer nagen am Hungertuch. Viele von ihnen verdienen so gut
wie nichts, sie sind das Prekariat des deutschen Fernsehens. Sie sind
abhängig von ARD und ZDF, weil die Privatsender für das dokumentarische
Fernsehen nur das Nötigste tun. Und die Öffentlich-Rechtlichen machen
das für sie Beste aus ihrem Nachfrageoligopol: Sie zahlen so wenig wie
möglich. Wie wenig, das lässt sich nun in einer Studie der
Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm (AG Dok) nachlesen. Demnach verdienen
etwa Dokumentarfilmregisseure im Schnitt 1380 Euro netto im Monat, rund
achtzehn Prozent der für die Studie befragten liegen sogar unter dem zu
versteuernden Minimum von 636 Euro netto im Monat. Nur fünfzehn Prozent
der Dokumentarfilmer können von ihrer Arbeit leben, alle anderen
verdienen Geld in anderen Jobs und sind auf finanzielle Unterstützung
angewiesen. Weniger geht nicht.
Aber das Fernsehen ist selber schuld. Wenn es jedem möglich ist, über den Bildschirm zu flimmern, was ist es dann noch wert? Geld? Das kann doch jeder. Wenn jeder kompetent genug ist, Information "zu wählen" - dann ist sie nie mehr wert, als er ohnehin bereits weiß oder kennt. Dann liefern auch Dokumentarfilme nur noch die Bilder zu bereits bestehenden "Meinungen". Die jeder zu allem zu haben permanent aufgefordert wird. Und sei es über die Computermaus. Wir haben es ja immer gewußt.
Offen für alle, offen für Laien, verschwimmt jeder Unterschied, verlieren sich die Kriterien für Qualität, zählt bestenfalls noch "Originalität". Oder die technische Auflösung eines Bilds.
Da wird jemand bestenfalls zum Helden, wenn er völlig sinnlos aus 32000 Metern Höhe abspringt und sein Leben riskiert. Was kommt als nächstes? Der Sprung vom Mond ist doch nun auch schon langweilig. Die Bilder wären die gleichen.
Das Wesen so eines Sprungs aber darzustellen, herauszuarbeiten, und sei es die Sinnlosigkeit zu demonstrieren, das wäre die Aufgabe eines guten Dokumentarfilmers gewesen. Weil das doch mehr heißt als die Kamera draufhalten.
Fernsehen und Internet, in ihrer Geschwisterschaft, in ihrer Dauerverfügbarkeit, in ihrer Zugängigkeit für jeden (und längst steht das Medium auf dem Niveau des Handyfilmers, zack, halt mal drauf! das gibt sicher 1 Million Clicks!), haben sich als Bühne selbst demontiert. Ihre Inhalte sind wertlos geworden, das ist die Botschaft, die das Medium selbst transportiert. Auch wenn es eine Bewegung von zwei Seiten her ist, die sich zur Spirale der Entwertung aufgebaut hat. Alles das schlägt sich natürlich auch im Geld nieder.
Das sind nur einige der Zahlen, die verdeutlichen,
dass ein Berufsstand vom Aussterben bedroht ist, dass Einzelkämpfer und
kleine Firmen keine Chance haben. Bezeichnend sind auch die allgemeinen
Zuschreibungen der knapp hundert für die Studie befragten
Dokumentarfilmer (die AG Dok zählt 870 Mitglieder): „Ich und viele
meiner Kollegen können uns kaum über Wasser halten, ich weiß oft nicht,
ob ich die Miete zusammenkriege, bin manchmal komplett ohne Geld. Ich
kann mir im Jahr eine Hose, einen Pullover und alle zwei Jahre ein paar
Schuhe leisten. Möbel finde ich oder bekomme sie geschenkt“, heißt es
da, oder: „Die Honorare stagnierten fünfzehn Jahre, seit fünf Jahren
fallen sie. Ich stehe vor der Entscheidung, den Beruf aufzugeben.“
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