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Dienstag, 20. November 2012

Vorneherum

In Ergänzung zum jüngst hier zu lesenden Beitrag über das Target-Problem, bringt die Frankfurter Allgemeine Zeitung eine Kontraposition des belgischen Ökonomen Paul de Grauwe: Er sieht das Target-Problem  nur als Scheinproblem. Darin würde das Grundproblem Nordeuropas, vor allem aber Deutschlands, lediglich umgeschichtet.

Denn das wahre Problem seien die Exportüberschüsse. Diese würden Deutschland seine Konjunktur zum Schein aufrechthalten. Würden sie nicht existieren, sähe manches überhaupt anders aus.

Im Klartext: Die Verlagerung auf die Target-2-Statistik sei nur eine Zwischenfinanzierung durch die Zentralbanken, die damit die landeseigene Konjunktur finanziere. Zwar mit Risiko, aber dieses Risiko liege nicht in der Fahrlässigkeit der Zielländer, der Schuldner, sondern sei bewußt in Kauf genommen, um die deutsche Konjunktur stabil zu halten. Und es sei um nichts höher als volkswirtschaftlich gesehen zuvor bestanden hätte. Gäbe es Target 2 nicht, würde die Wirtschaftslage Deutschlands heute anders aussehen, schon gar weil das Risiko bei den Unternehmen und Banken selbst bleiben würde. Wie zuvor. Gerade der Export aber habe Deutschland gerade in den letzten Jahren geholfen, die Wirtschaftskrise zu überstehen, sei also politisch gewollt und gefördert. Hätte Deutschland seine Leistungsbilanzüberschüsse schon seit Jahrzehnten durch mehr Importe reduziert, wäre dieses (zugegeben: mittlerweile enorme) Risiko nicht so hoch.

Target 2 (das Verrechnungssystem zwischenstaatlicher Warenlieferungen in der EU, Anm.), dem gegenüber Deutschland mittlerweile den ungeheuren Forderungsstand von 700 Mrd. Euro aufweist - hat aber nur die Risiken der Banken (ganz Nordeuropas) übernommen und weitergeführt, weil diese nicht mehr bereit oder in der Lage waren, die Exportüberschüsse zu finanzieren. 

Es ist also lediglich eine weitere, aber offenere Vergesellschaftung von Risken - und insofern ein für heute recht kennzeichnendes Verfahren der Systemsicherung durch die Politik, ganz analog zum eigentlichen Währungssystem, bei dem nicht anders vorgegangen worden wäre, so de Greuwe. Zerfällt das Währungssystem, sind auch diese Forderungen zugegebenermaßen so gut wie sicher abzuschreiben. 

Aber vor allem Deutschland, der Exportweltmeister, habe davon gut gelebt, denn diese kreditfinanzierten Exportüberschüsse, die in den südlichen Ländern Scheinbooms ausgelöst hätten, waren seit Jahrzehnten gegeben. Von Risiko-Steigerung könne also keine Rede sein.



Anmerkung: Natürlich ist das Target 2 nur eine Weiterführung des Systems, wie es als Beispiel die österreichischen Banken mit ihrem Expansionsdrang nach Osteuropa praktiziert haben. Die mit ihren Kreditausweitungen für diese Länder, allesamt mit enormem Nachfragepotential nach Waren die sie nicht selbst produzierten, die Exporte Österreichs (und damit das Wirtschaftswachstum des letzten Jahrzehnts) über diesen blasenhaften Boom in diesen Ländern finanziert haben - und nun vor gewaltigen Risikobeträgen standen und weiter stehen. Die schon jetzt nur mit staatlichen Hilfen (sowie Teilrückzügen aus diesen Märkten) bewältigt werden konnten. Mit denen nun der Steuerzahler zurückzahlt, was er viele Jahre lang längst konsumiert hat, was die Politik ausgab, weil sie sich auf die damit erkaufte Steigerung des BIP berief: als Reichtum, der nie existierte, der - bestenfalls - irgendwann in diesen Ländern erwirtschaftet worden wäre, den man sich also selbst finanziert hatte.* Target 2 macht nichts anderes, es erlaubt nur noch mehr Spielraum durch Kreditausweitung, aus dem die nordeuropäischen Länder ihren "Wohlstand" durch Exportkonjunktur finanzieren.



*Was im übrigen auch ein wenig mehr den Fokus auf die Exportgarantien der Österreichischen Nationalbank lenken sollte.




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