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Mittwoch, 21. November 2012

Wegen des Lebens leben

Das Amt macht den Minister - denn es wird in seinen Anforderungen Teil der Persönlichkeit. In jedem Fall. Wenn auch nicht immer auf dieselbe Weise. Es ist eben klar, daß es die Anforderung selbst ist, die eine individuelle Fähigkeit als Antwort wachruft, oder nicht. Deshalb ist selbst das Karrierestreben nur bedingt, nicht in jedem Fall zu verwerfen. Gerade auch das Festkrallen an einer Position vermag jenen Antrieb zu liefern, ihren Ansprüchen gerecht zu werden. 

Amoveatur ut umoveatur - es ist bekannt, daß ein erlangtes Amt auch mutig machen kann, gerade den höheren Anforderungen zu genügen. Selbst vormalige Kritiker können so meist umgewandelt werden. Weil das höhere Amt häufig die Kraft hat, subjektive Ansichten, Positionen sogar umzustülpen. Das gilt auch von den Grünen zu sagen, wie von den neuen Bewegungen, von denen derzeit alle sprechen, wenn sie in die Parlamente kommen. 

Allerdings kann nur die vorhandene Amtslogik, ihr konkretes Prozedere „unfreiwillig“, also ihr selbst gemäß, gegen vormalige subjektive Ansichten, verändern. Eine „Reform“ der demokratischen Institutionen, als Rückerdung an den individuellen Lebensvollzug, ist aus ihrer immanenten Logik selbst heraus deshalb undenkbar. Dazu ist deren Systematik zu zentralistisch angelegt, weil die Demokratie zum absoluten Staatsprinzip wurde. Das macht ja den Sog der gegenwärtigen Zustände aus, deren Weiterentwicklung in der EU und in sie hinein unausweichliche Eigengesetzlichkeit ist. 

Denn die Demokratie ist an sich kein Halt für ein Volk, für einen Staat. Kein geschlossenes rationalistisches Gebilde, definitives Ergebnis der Aufklärung, kann sich aus sich selbst heraus rechtfertigen, sich seine Maßstäbe vorgeben. Nur die Fundierung in einem Dritten - dem Leben selbst - könnte das. Und tut es nach wie vor, auch wenn das kaum noch erkennbar oder vergessen ist. Die Demokratie der Gegenwart braucht deshalb die immer bewußt-präsente Logik einer immer nur aktualistischen, immer gefährdeten Macht, und sie braucht damit den Propaganda-Charakter - nur darin ist Stabilität „machbar“. 

Wo der Einzelne sein genuines Wahrnehmen auflöst in abstrakte Prozessanforderungen eines Apparates, in den hinein er sich - per Gesetz dekretiert - auflöst. Dem zu widerstehen, als Einzelner, er nicht in der Lage ist. Weil ihm nur das Bewußte als Instanz zur Verfügung steht, und damit das Sprachinventar in allen Gewichtungen der Gegenwart selbst, und im je individuellen bewußten Horizont.* Das Leben selbst ist aber vorbewußt. Ihm die Treue zu halten ist rational nicht im selben Maß begründbar, wie der Rationalismus selbst. Seiner selbst in den objektiven Vorgängen entwurzelt, fehlt aber dem Einzelnen fast immer die Charaktergrundlage, die Vorprägung seiner Persönlichkeit also, um sein Tun und Denken mit der Quelle selbst abzustimmen. Die jedem Einzelnen immer offensteht. Solange er lebt.




*Was die Bedeutung der staatlich definierten "Bildung" vor Augen stellt, die ein Gleichförmig- bzw. Zurechtmachen der bewußten Horizonte bedeutet. Denn die Inhalte und Ziele der Bildung ergeben sich aus den Anforderungen der Demokratie selbst. Nicht eben aus dem Leben. Volksbildung könnte nur dezentral, ja lokal und autonom funktionieren, weil sie von Identität nicht zu trennen ist. Und Identität kann nur lokal, aus dem engsten Umkreis heraus, entstehen.



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