Die Kleine Zeitung bringt einen Bericht über einen Möbel-Design-Wettbewerb, der der heutigen Lebensstimmung Rechnung trägt - Möbel für eine Gesellschaft der Nomaden.
Der
Begriff "Möbel" stammt übrigens von "mobile", und verfolgt man die
Geschichte der Möbel zurück, so gründet alles in der Truhe, dem Stück,
in dem alles Persönliche Platz hatte. Immer bereit, weiterzuziehen.
Nicht einmal Stühle waren noch im Mittelalter üblich, man saß auf Truhen
und Gebäudenischen, oder am Boden, legte Tafeln, Bretter auf Böcke, zum
Essen, die man wieder "aufhob", wenn gespeist war. "Stühle" hatte nur
der Papst, der Kaiser, der Fürst, der Richter, maximal. Niemand sonst
rechnete mit längerem Sitzen, die "Sitzmöbel" waren Klappmöbel, wenn
überhaupt. Das Lebensgefühl war dem Gesamtrahmen entnommen: Atmosphäre
des Raumes war alles, seine höhere Würde und Weihe. Das Möbel
bedeutungslos. Leben bezog man aus dem Großen Ganzen, der Quelle von
allem. Ihr gegenüber gab es nur jene Gewißheit, die der Glaube, der
wachsende Glaube konstituieren kann.
Wir
sind nur Gast auf Erden, Trabanten eines Ewigen, Unveränderlichen,
Vorgegebenen, Transzendentalen. In ihm liegt alle mögliche Sicherheit.
Noch in der Gotik stand das menschliche Leben deshalb unter der Vorgabe
der Natur. Gotische Siedlungen und Städte waren der Schöpfung, den
natürlichen Gegebenheiten eingeschmiegt, menschliches Denken, Wahrheit,
war die Übereinstimmung mit der vorgegebenen Natur aus Gottes Hand. Denn
alles erzählt von seinem Hervorbringer, atmet dessen Geist. Sicherheit
gibt es nur in Gott. Aber dort - dort GIBT es Sicherheit. Und aus dieser
Quelle nährt sich immer menschliche Vitalität, ungebrochen.
Mit
dem Umbruch des Weltbildes, der Fragmentierung der Welt, der Loslösung
des Wahrheitsbegriffs in der Wissenschaft hin zu einer Abstraktion,
begann der Mensch sich der Welt als gegenüberstehend, sie zu unterwerfen
gerufen, sehend. Damit begann die Kultur, die gesamte Erde als "zu
gestaltende" zu sehen. Die Möbel wurden, mit der Architektur, "seßhaft",
ein neuer Eigentumsbegriff zog ein. Über Renaissance und Barock
entwickelte sich das Möbel schließlich mehr und mehr zur Funktion. Die
gesamte Möbelproduktion des 19. Jhds. war bereits ein Ringen mit der
Funktionalität, so wie in der gesamten übrigen Industrieproduktion.
Stücke waren nicht mehr Werk eines Meisters, sie waren Ensemble von
Einzelfunktionen. Das 19. Jhd., schildert es Modris Eksteins so
überzeugend in "Rites of spring", war bereits in Jahrhundert in
Bewegung, in dem sich die Kräfte des Bewahrens, des Klammerns an die
Fundamente, mit den neuen ideen in immer schärferen Konflikt gerieten.
Auf der Suche nach dem Normalen, nach dem Sicheren, standen sich zwei
Konzepte der Sicherung gegenüber.
Morgen: 2. Teil - Heutige Möbel für heutige Menschen
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