Maximilien de Robespierre |
aus 2007) Die Logik der Aufklärung führt direkt in den Vernichtungswahn, in die Diktatur. Diese für viele skandalöse Aussage (man beachte die Reaktionen auf die Rede M. Mosbachs anläßlich der Verleihung des Büchner-Preises, wo er eine Linie von Saint-Just zu Hitler und Stalin zog) ist aber sehr gut begründbar, und an Belegen auch in der Gegenwart fehlt es bei weitem nicht. Es fehlt uns nur die zeitliche Distanz, um das Heute klarer zu sehen. Die Greuel der französischen Revolution, die immer noch viel zuwenig in ihrem Ausmaß bekannt sind, die Parallelen der damaligen Jahre zu totalitären Regimen der jüngeren Vergangenheit, sind aber augenfällig und abstrahiert auf dieselben Grundgedanken zurückzuführen. So kann gezeigt werden, wie sie auch heute wirken, die Gedanken der Aufklärung - und sie tun dies anders, als man ihnen als moralisches (positives) Ressentiment umhängen möchte.
Die Aufklärung geht davon aus, daß es eine Wahrheit gibt, die dem Menschen in der Vernunft - und zwar allen Menschen gleichermaßen, und ohne Vermittlung - zugängig ist. Doch das diese Vernunft Tragende ist der menschliche Instinkt, sein Sein im ursprünglichsten natürlichen Zustande. (Rousseau)
Dieses "höchste Wesen" (Robespierre) ist im Grunde eine Metapher für ... Gott, öffnet aber das Tor für jede Form von Irrationalismus. (Robespierre: "... (ist) alles was gut ist ist sein Werk oder es selbst. Das Schlechte gehört zum verderbten Menschen, der seinen Nächsten unterdrückt oder unterdrücken läßt.") Deshalb kommt es (s. u. a. Antoine de Saint-Just, der die Umgestaltung "ist") sogar zur klaren Pädagogik der Instututionen, die "... menschlichen Hochmut unwiderruflich unter das Joch der öffentlichen Freiheit beugen werden." (Saint-Just)
Dies, verbunden mit dem Gedanken, daß der Mensch "an sich gut" sei, führt zum Gedanken, daß der Mensch nur durch die historischen Zufälle durch menschliche Unzulänglichkeiten, Irrtümer und Egoismen geschaffen vom "Gemeinwohl" getrennt sei. Wäre dem sogar noch etwas abzugewinnen, wird damit aber gesagt, daß es einen Weg gäbe, auf dem alle zum Glück finden würden: den der instinktsicheren Irrtumslosigkeit. Sie ermöglicht der wahren Natur, durchzubrechen und so das Paradies auf Erden zu schaffen.
Alles, was sich auf gleich welche Weise gegen diese Reform stellt, alles Unreine, ist somit in seinem Fehl auch widernatürlich. (Selbst das wäre noch ein katholischer Gedanke!) Staat ist die moralische Seite, seine Gesetze somit die Moral. Aber mehr noch - die Moral der Tugendhaften (die zum Instinkt Fähigen) sein Gesetz.
Für Jean-Jaques Rousseau, einem der Schrittmacher der französischen Revolution, wird somit jede historische Entwicklung zu einem reinen Spiel menschlichen Eigennutzes im Kampf mit der "guten" Natur. Denn grundsätzliches Handeln gegen die Natur ist für die Aufklärung möglich, es gibt also ein Seiendes außerhalb des Seins (siehe übrigens auch Sartre mit der Idee des Ethos aus dem ungerichteten, für sich seienden Seins, also eines nicht notwendig seiend müssenden, dennoch seienden Seins), das Wirklichkeit zu sein vermag.
Es gibt damit im Vorgefundenen "Richtiges" und "Falsches" (damit auch: r. u. f. Bewußtsein), die Historie, die zur Herrschaft des Falschen (in der Gegenwart) geführt hat, muß somit auch ein Lehrbeispiel dafür sein, was alles schiefgelaufen ist - und das ist im Grunde die des Menschen auf eine Gesellschaft, auf eine Existenz in Abhängigkeit voneinander. Ursprünglich, als "edler Wilder", ist nach diesen Ideen ja der Mensch sich selbst genug.
Denn jeder Mensch kommt aus einem völlig undefinierten "Menschsein an sich" (um zu zeigen, wie gegenwärtig und real diese Gedanken bis heute sind: der Wiener Pastoraltheologe Zulehner formulierte es in diesen Jahren bei der Präsentaton seiner "Neuer Mann-"Studie einmal so: "Menschsein als reine Person, ohne Definition von Geschlecht ...") und ist somit "GLEICH". Und zwar wirklich GLEICH. Erst die weitere Entwicklung führt zu einer Ausformung eines konkreten Menschen. (Dieselben Ideen finden sich z. B. auch in der Montessori-Pädagogik.)
Nun aber wird auch der Staat zur reinen Idee eines "contract sociale", eines dem Urzustand widersprüchlichen, deshalb von allen untereinander zu schließenden Vertrages, dem jeder beitritt - oder eben nicht, weil er sich im Irrtum, im Eigennutz dagegen auflehnt. Der Gemeinnutzen, der soziale Wille, ist das, was als gemeinsamer Nenner dem Naturzustande aller innewohnt und damit gemein ist.
Somit (und schon gar in Verbindung mit Evolution) ist aber auch der Schritt, Nicht-Sozial-Erwünschtes per Geburt festzustellen, nahe und dessen Elimination gerechtfertigt. Denn es geht nicht einmal um persönliche Ethik, sondern um "soziale Eignung" (Anti-Individualismus) als Definition von Tugend.
Antoine de St. Juste |
Über weite Strecken wirken diese Gedanken nahezu wie katholische Naturrechtslehre - aber sie sind es bestenfalls in ihrer Platonik. Schon gar aber: was sie für die Politik unbrauchbar, gefährlich, ja tödlich macht, und was sie vom Katholizismus unterscheidet, ist der Realismus, der sich aus dem Umstand ergibt, daß der Katholizismus Irrtum als Ausfluß menschlicher Neigung unter dem Lichte der Erbsünde sieht. Dem es verzeihend entgegenzutreten gilt, immer dessen gewahr, daß wir hier auf Erden kein Paradies erreichen KÖNNEN. Und das ist nicht in einem resignativen Zurkenntnisnehmen politischer Zustände begründet, die also zu ändern wären, wäre das nicht mit so hohen Opfern zu erzielen, sondern prinzipiell unmöglich, also im Wesen und in der Geschichte des Menschen begründet.
Zum Konflikt mit der Religion ist die Ideologie immer somit dort gekommen, wo sie diese Unmöglichkeit bestritten hat und bestreitet. Die katholische Soziallehre, aber jede Soziallehre, darf nie zu einem verordneten "muß" aller kommen, sondern darf nur das Gemeinwohl begünstigen. NIemals aber darf es die Freiheit des Einzelnen beschränken, dessen Seelenheil individuell ist, dessen Freiheit an sich nie antastbar ist, und der seinen Weg zum Glück selbst zu finden wie zu verantworten hat.
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