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Sonntag, 4. November 2012

Er wußte es zuvor

Keinesfalls war mit Kopernikus und gar Kepler, beide tieffromme Menschen, mit ihren Entdeckungen ein  neues Weltbild geschaffen, und noch weniger war da sihre Absicht. Ganz im Gegenteil, schreibt Franz Vonessen in "Signaturen des Kosmos".

Vor allem Kepler ging von einer uralten Überlieferung aus, nicht zuletzt von Aristoteles, daß die Schöpfung eine große Analogie war, wo sich im Kleinsten dieselben Gesetze fanden wie im Größten. (Was sich heute das "Gesetz der Selbstähnlichkeit" nennt, deren Entdeckung die noch junge Wissenschaft der Kybernetik für sich in Anspruch nimmt.) So war das All mit seinen Planeten eine Analogie zum Menschen. War bis dahin die Sonne noch meist als Stern betrachtet worden so deshalb weil sich in der alten Anschauung des Alls als Organismus zu viele Widersprüche fanden. 

Diese Anschauung sah die Sonne als Analogie zum Herzen, als Mitte eines Organismus, der wiederum Organe - die Sterne - hatte. Diese Vorstellung eines zusammenhängenden Systems aus sieben Sternen war ja auch das Bild, das der Menschheit seit je in der Einteilung der Zeit in Wochen zugrundelag, wo jeder Tag einem der Planeten zugeteilt war. Und hier war die Sonne noch in der Mitte, nicht am "Anfang". Denn das liegt bereits in der Grundidee der Gleichsetzung von Sonne mit Herz angelegt.

Kepler war überzeugt von diesem Bild, er fühlte und ahnte es aus tiefer Religiosität heraus. Weil alles in EINEM war, im UNUM, dem Sein, Gott, mußte also auch das Weltall in sich zusammenlaufen, kreisförmig.

Und dementsprechend suchte er auch dieses Bild in seinen Forschungen zu finden. Und es gelang ihm. Niemals wäre er auf die Idee gekommen, daß es "objektive" Kräfte seien, die dieses All zusammenhielten. Es war ihm alles das Wirken lebendiger Kraft, im konkreten Fall der Sonne mit ihren Sonnenstrahlen, die er sich (weil sich die Sonne beobachtbar drehte) wie einen Kranz mit gebogenen Strahlen vorstellte - gleich den alten Sonnensymbolen, wie es sich in der Swastika bereits findet.

Von der Sonne hing alles ab. Darin traf er sich auch mit den Einsichten einer Heiligen Hildegard von Bingen. Das Licht, das Feuer der Sonne, belebte alles und hielt alles zusammen - als Analogie für Gott, der im unzugänglichen Licht weste. Wie es sich in der Herz-Jesu-Idee wiederfindet, in der alles von der brennenden Liebe Gottes belebt wird. 

In einem Kreislauf kam alles von diesem Herzen, der Sonne, um wieder zu ihr aufzusteigen. So wie die Erde, mit dem Wasser, das verdunstete, und als Regen wieder zur Erde fiel. So wie die Stürme, die Wetter, die von der Sonne abhingen.

Zur gleichen Zeit entdeckte in England Harvey den Blutkreislauf - aus derselben Grundsymbolik heraus. Man hatte diesen Kreislauf nicht beobachtet, man sieht ja nur, was man zuvor "weiß". Harvey wußte, daß die gesamte Schöpfung nach dieser einen Analogie, die alles durchdrang, aufgebaut war. Also suchte er auch im Menschen danach. Und fand den Blutkreislauf. Auch der war in alten Bildern längst "bekannt", man ahnte, daß es so sein müsse: daß das Blut sich vom Herzen ausgehend - als "flüssiger Planet" - in den Körper verteilte, und dann, geschwächt weil es die Organe gestärkt hatte, wieder zum Herzen zurückkehrte, um sich erneut zu stärken. Aber erst mit Harvey im 17. Jhd. konnte sich das bestätigen. Dieses Bild war der Ariadnefaden, der auch die Kapillaren entdecken ließ - denn es MUSZTE so sein.

Endgültig trennte sich Metaphysik und Medizin erst in der Romantik im 19. Jhd., in ihrem letzten Vertreter, Lorenz Oken. Wie die Physik. Um auch in der Physik noch einen großen letzten Vertreter zu besitzen, in Robert Julius Mayer. Dessen Satz von der Energieerhaltung aus demselben Grundauffassen der Schöpfung wurzelte. Mayer vertrat sogar auch die Analogie, daß sich alles leben der Sonne verdankte, weil sie es sei, von der sämtliche Lebenskreisläufe abhingen: Licht sei das primum movens aller irdischen Vorgänge, und die eigentliche Speise aller lebendigen Organismen.

Die Sonne selbst würde vom Planetenstaub ernährt, die Mayer den Blutpartikeln verglich. Denn auch sie würde sich sonst erschöpfen. Und darin zeigt sich bereits der Abstieg der wirklichen Kosmogenie, ihre Dekadenz. Denn Mayer spekulierte bereits. So wie die Russin Blavatsky, die die Sonnenflecken mit dem Pochen des kosmischen Herzschlags gleichsetzte. Diese Ideen stammen nicht mehr - so wie die frühen, großen Menschheitsideen - aus der Beobachtung, und dem daraus genommenen Erfassen weil Nachbilden des Wesens der Dinge in inneren Bildern, die sich nach und nach in Gedanken ausformen. Sie sind nur noch ausgedacht.

Nun war die Planetenbewegung natürlich auch mathematisch darstellbar, die Welt findet sich in Zahlen und Zahlenverhältnissen, den reinen Ideen, als ihrem Urbild, die Mathematik ist selbst eine große Analogie. Genau DARAUF, auf dieser Geschlossenheit der Bilder, die sich fragmentiert sogar als Gesetze darstellen ließen (ohne der Ausgang der Prozesse zu sein!), baute die spätere Astronomie und Physik auf: sie löste sich von den alten Vorstellungen, denen sie sich verpflichtet fühlte, denen ein Kepler und ein Harvey noch alles verdankten, und stellte die Zahlenlogik für sich. Descartes schrieb dazu, daß ihm diese alten Bilder zu mühsam, zu hinderlich wären. Es ließe sich viel rascher vorankommen, wenn man sich nur mit den Zahlen und ihren Verhältnissen zueinander befaßte. DAS war die Geburtsstunde der neuen Physik, der "objektiven" Wissenschaften - die sich von ihren Grundschemata, den Gesamtplänen entfernte, und in ihren Teilerkenntnissen den Gesamtbau der Welt aus den Augen verlor.

Aber auch sie baut auf Bildern auf. Nur weiß sie es nicht. Aber das, das ist eine andere Geschichte.




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