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Freitag, 27. April 2018

Das Blut der Märtyrer ist der Samen der Christenheit (1)

1539 wurden die Jesuiten gegründet. 1615 hatten sie bereits dreizehntausend Mitglieder, obwohl der Gründer des Ordens, der Hl. Ignatius von Loyola, die Höchstzahl der Mitglieder auf sechzig begrenzt hatte. Der Zulauf war enorm, dabei waren sie durch ihre ungeheure Strenge bekannt. 1645 betrieben sie am europäischen Kontinent bereits fünfhundertzwanzig Hochschulen und Seminare.

In einem Zeitalter, in dem die Wissenschaft erstmals in Europa zu einer nie gesehen Blüte kam, gehörten die Jesuiten zur absoluten geistigen Elite des Kontinents. Fünf, sechs, sieben Sprachen waren üblich, und unter heutigen Bedingungen würde wohl jeder der damaligen Jesuiten zu den Hochbegabten zu zählen sein, die ein Leben in Forschung und Wissenschaft vor sich hätten.  

Aber sie sahen eine ihrer Hauptaufgaben - neben Bildung und Erziehung - in der Mission. Und trotz ihrer intellektuellen Führerschaft in Europa, war der Drang der Jesuitenbrüder in die Mission, wo sie auf alles das verzichteten, das ihnen in Europa Ansehen und Anerkennung hätte bringen können, so groß, daß die Ordensoberen im 17. Jahrhundert extrem sieben mußten und konnten. Denn gerade die Besten drängte es am stärksten in die Welt, um das Evangelium zu verbreiten und den Menschen die Erlösung zu bringen. Sie sahen mit der allergrößten Klarheit die Erlösungsbedürftigkeit des Menschen, begriffen am hellsten, was diese Erlösung brachte. 

Und in der Mission kam es ganz besonders auf ein Leben im Streben nach Heiligkeit an. Den Jesuiten war damals völlig klar, daß nur ein Heiliger auch missionieren konnte. Missionare mußten also nicht nur psychisch absolut stabil und intellektuell auf voller Höhe sein, sie mußten vor allem im geistigen und geistlichen Leben auf voller Höhe sein. Und die Glanztaten die die damaligen Jesuiten erbrachten, stehen bis heute an Ehrenplätzen in den Geschichtsbüchern.

Umso mehr ist dieser Drang der damaligen geistigen Elite in die Welt bemerkenswert, als sich bald herausstellte, daß ein Missionar nicht nur oft mit extremen Strapazen und Anforderungen fertig werden, sondern überaus häufig mit dem Martyrium rechnen mußte. Allein zwischen 1645 bis 1660 wurden zweihundert Jesuiten von Indogenen umgebracht. Kaum ein Jesuitenmissionar erlebte sein vierzigstes oder gar ein fünfzigstes Lebensjahr, ein höheres Alter war überhaupt extrem selten. Und dennoch drängten die Jesuiten in Europa darauf, ließen ein Leben an Universitäten und in Lehrstuben zurück, um unter den härtesten Bedingungen den Glauben zu verbreiten. Getrieben von einer Liebe zu den Seelen, wie sie eben Heiligen ansteht.

Dafür hatten sie Erfolge, die zuvor nie gesehen wurden, und die die manchmal doch recht dürftigen Erfolge der Franziskaner weit in den Schatten stellten. Franz Xaver etwa, der später in China starb, hatte alleine in Indien, wo die portugiesischen Franziskaner kaum etwas weitergebracht hatten, schätzungsweise eine Million Menschen getauft und bekehrt. Er war es auch, der hundert Jahre vor den Ereignissen in Kanada, von denen unten die Rede sein wird, die jesuitische Missionsmethode begründete. Die immer erst eine lange Phase des genauen Studiums der Gastkultur vorsah. Ja, erst einmal mußte sich der Missionar quasi assimilieren, erst dann konnte er missionieren. 

Also sollten, auf der Basis einer bestmöglichen Sprachkenntnis, Ähnlichkeiten mit dem katholischen Glauben erkannt und als Anknüpfungspunkt verwendet werden. Das persönliche Vertrauen wurde dadurch gewonnen, als jeder Missionar sich bemühte, die Lebensweise der indigenen Völker so weit wie möglich anzunehmen und als "einer der ihren" unter ihnen zu leben.

Die Mission in Neufrankreich-Kanada

Als einer der härtesten Böden für eine Mission galten die Indianer Nordamerikas. Teilweise lebten die Indianerstämme in Zuständen, die unbeschreiblich waren. Das galt vor allem für die meisten der Stämme in Neufrankreich im Osten des heutigen Kanada, wo im Gebiet der großen Seen im Süden die sogenannten "Sechs Stämme" lebten, die unter dem Sammelnamen "Irokesen" ein so passables "Föderalsystem von Staaten" eingerichtet hatten, daß es sogar für die Gründerväter der Vereinigten Staaten gewisse Vorbildfunktion hatte. Ihnen standen nördlich der großen Seen die Huronen gegenüber, deren kultureller Zustand ganz besonders erbärmlich war.

Wir haben heute ganz umfassende Berichte und Schilderungen aus jener Zeit und von jenen Kulturen. Denn jeder Jesuitenmissionar sandte fortlaufend Bericht an die Zentrale in Paris. Dort sammelte man diese Berichte und legte so im Laufe der Zeit eine schließlich siebzig gewaltige Folianten umfassende Chronik an, das heute ein unschätzbares Archiv genauester Kultur- und Tätigkeitsbeschreibungen darstellt. Und aus dieser Chronik stammt auch der Bericht von einem der unglaublichsten Fälle von Martyrium, dem von Jean de Brébeuf, der am 16. März 1649 als Märtyrer starb. Ihm zur Seite sein weit jüngerer Mitbruder, Gabriel Lalement.

Jean de Brébeuf

Jean de Brébeuf wurde am 25. März 1593 in Frankreich geboren und trat erst im Alter von vierundzwanzig Jahren dem Jesuitenorden bei. Nach Studium, Noviziat und Priesterweihe, sowie drei Jahren als Universitätslehrer in Rouen ging er endlich, seinem brennenden Wunsche nach, 1625 nach Neufrankreich (Kanada). Er blieb bei den Huronen für den Rest seines Lebens, also 24 Jahre, bis zu seinem schrecklichen Tod. 1925 wurde er selig-, zusammen mit sieben weiteren Jesuiten-Missionaren 1930 heiliggesprochen. 1940 erhob ihn Papst Pius X. zum Patron Kanadas.

Als Brébeuf in Quebec in Kanada ankam, das damals ein kleines Fort von der Größe eines halben Fußballfeldes war, war die Mission durch die Franziskaner dort so gut wie gescheitert. Mit unendlicher Geduld näherte sich der Jesuit den ersten Huronen, ging ihnen immer tiefer nach und lebte schließlich drei Jahre mitten unter ihnen, teilte vor allem ihre harte Lebensweise. Dabei sprach er drei Jahre praktisch kein Wort, sondern hörte nur zu, studierte nur ihre Sprache und ihre Lebensweise. Aber noch immer blieb er äußerst vorsichtig, lebte dazu in ständiger Todesgefahr, denn ein ausbleibender Regen, einmal Unglück bei der Jagd, und er hätte jederzeit erschlagen werden können. Aber das unterschied sie auch fundamental von den Missionsbestrebungen der Protestanten, die diese Wege nie gingen und entsprechend erfolglos blieben.

Ganz langsam gewann Brébeuf die Zuneigung und das Vertrauen der Indianer, schließlich adoptierte ihn sogar eine alte Frau, und er war fortan halbwegs geschützt. Aber erst 1635 ließen sich die ersten Indianer taufen. Als 1640 eine Windpockenepidemie fast die Hälfte der Huronen hinwegraffte, begannen ihn die Huronen ob seiner Furchtlosigkeit, mit der er bei ihnen aushielt, endgültig zu bewundern, und erste Massentaufen fanden statt. Bald nahm die Bekehrung der Huronen großen Umfang an, und der ganze Stamm änderte nach und nach seine Lebensweise. Es sollte sich für sie tragisch auswirken, umso mehr verdienen sie unsere Achtung. Denn den Indianern waren die Folgen wohl bewußt: Das Christentum macht auf eine gewisse Weise gegen das Böse wehrlos, denn es ist durchdrungen vom Prinzip, daß kein Gut durch ein schlechtes Mittel angestrebt werden kann. Diese Wahrheit über das Sein ist das vielleicht am meisten am Christentum Unterschätzte.

Die Lebensumstände der Huronen

Bis zum Eintreffen Brébeufs lebten die Huronen in unsäglichen Zuständen. Sie wohnten (wie fast alle der Indianerstämme in Neufrankreich) zu zwanzig bis vierzig Menschen unterschiedlichster Familien in aus Rinde und Ästen erbauten Langhäusern, in deren Mitte offene Feuer als Kochstelle und Wärmequelle in den extrem kalten, langen Wintern und überaus feuchten Übergangszeiten brannten. Nur ein kleines Abzugsloch im Dach ließ den Rauch entweichen. Somit fiel einem im Inneren ob des bissigen Rauchs das Atmen schwer, und die Augen Brébeufs waren ständig rot, tränten und bissen.

Die hygienischen Umstände waren extrem. Jeder urinierte oder defäkierte wo immer es ihm gerade einfiel. Dazu kamen die Hunde, die ein gleiches taten. Dennoch spielten die Kinder am Boden. In den Hütten stank es bestialisch. Man wusch sich kaum. Was für ein gewaltiger Unterschied etwa zu den in Mexiko lebenden Azteken, die hygienischer lebten als die eintreffenden Spanier.

Überall herrschte aggressive Promiskuität. Orgien standen an der Tagesordnung. Was mit sich brachte, daß die Stämme viele Fragen wie das Erbrecht matrilinear (aber patriarchal) geregelt hatten, weil kaum jemand seinen Vater, sondern nur seine Mutter kannte. 

Regelmäßig fand ritualisierte Folter statt, und zwar an Gefangenen und Sklaven ebenso wie willkürlich aneinander. Die mit Methoden ungeheurer Brutalität und Raffinesse ausgeführt wurde. Die Nahrung war übelschmeckend, nährstoffarm, zufällig und primitiv, und nach hygienischen Gesichtspunkten widerlich. Die Grundnahrung bestand aus in bloßem Wasser gekochtem, geschmacklosem Wildgetreide, ab und zu mit Aal oder was eben leicht gefunden wurde. 

Schamanen und Medizinmänner hatten Einfluß auf jede Lebensregung, und hielten die indianische Bevölkerung in einer Atmosphäre pausenloser Furcht und Unberechenbarkeit, also in einer alle beherrschenden Dämonie. Sie vor allem davon zu befreien war Brébeufs innerstes Anliegen, und sein Herz brannte in einer Liebe zu diesen Menschen, wie sie eben Heiligen möglich ist. Er wollte ihre Seelen retten, wollte ihnen die Erlösung von dieser Dämonie bringen.


Morgen Teil 2) Einfügen in die Lebenswelt



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