Zur Causa Tellkamp eine Anekdote, die
Siegfried Unseld öfter erzählt haben soll: Dessen Vorgänger Peter
Suhrkamp, Gründer des Verlages, habe einst den Brief eines Lektors
korrigiert, der einen Autor loben wollte. Man habe nicht das Recht zum
Lob; denn dadurch fordere man auch das Recht zum Tadel.
Von der immer wieder lesenswerten Homepage des Berliner AfD-Sprechers Dr. Nicolaus Fest
***
Allerdings muß man Nicolaus Fest in einem Punkt (dieses seines Gesamtbeitrags) irgendwie widersprechen. Da "meint er es zu gut", sozusagen, indem er sich vom Holocaust, Nazismusvorwürfen etc. präventiv distanzieren will. Denn er schreibt da vermeintlich ironisch (so daß er es anders zu meinen erklärt):
Der Holocaust war gar nicht Konsequenz
einer bösartigen Ideologie der Weltherrschaft und Vernichtung; es waren
sechs Millionen Einzelfälle.
Tja, dem kann man nur mit einem "Naja" begegnen, mit einem "Tja, es war wohl aber tatsächlich so!" Denn eine explizite "Ideologie der Menschenvernichtung" gab es nicht. Nicht explizit zumindest. Auch wenn das viele - posthoc - behaupten, um das Schreckliche auf eine Art zu erklären, in der sie auf jeden Fall ausgenommen sind. Ein leider sehr gefährlicher Irrtum ... man unterschätzt nämlich damit das Böse.
Vielmehr war die Ideologie der Menschenvernichtung Teil, nein Konsequenz eines Denkens der Moderne, das zeigt Jörg Baberowski in "Räume der Gewalt" sehr richtig auf. In demselben Buch weist er genauso richtig darauf hin, daß Gewalt nie einem System an sich zuzuschreiben ist, sondern immer die ganz persönliche Komponente eines Menschen hat, der diesem Gewaltraum, in dem alles möglich ist, zustimmt.
Vielmehr war die Ideologie der Menschenvernichtung Teil, nein Konsequenz eines Denkens der Moderne, das zeigt Jörg Baberowski in "Räume der Gewalt" sehr richtig auf. In demselben Buch weist er genauso richtig darauf hin, daß Gewalt nie einem System an sich zuzuschreiben ist, sondern immer die ganz persönliche Komponente eines Menschen hat, der diesem Gewaltraum, in dem alles möglich ist, zustimmt.
Auch wenn solchen Räumen - die auf ihre Art immer Einzelfälle, lokal vorgefundene, aber durch jeden Täter auch selbst geschaffene und verfestigte Bedingungen sozusagen waren - also viele zugestimmt haben, heißt das eben noch nicht, daß es systemisch-zwanghaft war. Das verkennt das Wesen der Schrecklichkeit auf gefährliche Weise. Darum es mal eingehender (auch hier) behandelt werden sollte, was vermutlich noch kommt.
Man muß sogar erwähnen, daß nach den Vorkommnissen beziehungsweise Säuberungen im Juli 1934 die Führung der NSdAP tatsächlich darüber beriet, wie man die Gewalteskalationen in den über zweihundert kleinen Einzellagern, die der SA zur Verwaltung zugeteilt waren und wo Systemgegner inhaftiert worden waren, eindämmen könne. Denn in diesen Sonderräumen kam es zu Exzessen, die den Führern der SA gar nicht so recht waren.
Zur Erinnerung: Als der SS-Oberchef Heinrich Himmler das erste Mal einer Massenexekution an der Ostfront beiwohnte, wurde er Erzählungen nach kreidebleich und blickte zu Boden, soll sich sogar übergeben haben. Später hat er es gerechtfertigt, indem er von der Pflicht zur Hygiene sprach. War das also dann Ideologie? Man hat es dazu erklärt, aber was war zuerst? Aber überzeugend war er nicht dabei, und wer seine berühmte Rede vor SS-Offizieren in Danzig hört, der wird feststellen, daß er zur Sachlichkeit aufruft, der subjektiven Gewalt eigentlich keinen Raum lassen will. Er spricht da vom "stark bleiben angesichts der furchtbaren Pflicht" als eigentliches Ideal, und es wirkt auch wie eine posthoc-Erklärung.
So wie die oft ganz bürgerlichen Väter und Ehemänner, die die Polizei im Osten einsetzte. Niemand war gezwungen, alle hätten verweigern können, und der Witz dabei: Man hatte dafür volles Verständnis, niemand wurde unter Druck gesetzt. Aber kaum jemand verweigerte diesen Dienst, der unsägliche Taten mit sich brachte, die alle einen Sinn hatten: Partisanenbekämpfung, Bekämpfung deutschfeindlicher Personen, etc. pp. Dafür schrieben diese Männer die rührendsten Briefe an ihre Frauen, daß sie eine schwere Pflicht zu erfüllen hätten, die ihnen nicht leicht falle. Und die Frau solle den Sohn herzlichst küssen. Etc. pp. Und wenn sie in die Nähe ihrer Heimat kamen, waren plötzlich sogar die dortigen (gewohnten) Juden das, was sie immer gewesen waren: Die Nachbarn von hier und dort, der Milchlieferant, der Schuster, der Tischler von gegenüber. Und Männer, die noch zwei Tage zuvor fünfhundert Kilometer entfernt jüdische Frauen barbarisch mißhandelt und deren Männer mit dem Spaten erschlagen hatten, gaben den Juden ihrer Heimat die Hand und plauderten mit ihnen, als wäre nie etwas geschehen.
Man muß sogar erwähnen, daß nach den Vorkommnissen beziehungsweise Säuberungen im Juli 1934 die Führung der NSdAP tatsächlich darüber beriet, wie man die Gewalteskalationen in den über zweihundert kleinen Einzellagern, die der SA zur Verwaltung zugeteilt waren und wo Systemgegner inhaftiert worden waren, eindämmen könne. Denn in diesen Sonderräumen kam es zu Exzessen, die den Führern der SA gar nicht so recht waren.
Zur Erinnerung: Als der SS-Oberchef Heinrich Himmler das erste Mal einer Massenexekution an der Ostfront beiwohnte, wurde er Erzählungen nach kreidebleich und blickte zu Boden, soll sich sogar übergeben haben. Später hat er es gerechtfertigt, indem er von der Pflicht zur Hygiene sprach. War das also dann Ideologie? Man hat es dazu erklärt, aber was war zuerst? Aber überzeugend war er nicht dabei, und wer seine berühmte Rede vor SS-Offizieren in Danzig hört, der wird feststellen, daß er zur Sachlichkeit aufruft, der subjektiven Gewalt eigentlich keinen Raum lassen will. Er spricht da vom "stark bleiben angesichts der furchtbaren Pflicht" als eigentliches Ideal, und es wirkt auch wie eine posthoc-Erklärung.
So wie die oft ganz bürgerlichen Väter und Ehemänner, die die Polizei im Osten einsetzte. Niemand war gezwungen, alle hätten verweigern können, und der Witz dabei: Man hatte dafür volles Verständnis, niemand wurde unter Druck gesetzt. Aber kaum jemand verweigerte diesen Dienst, der unsägliche Taten mit sich brachte, die alle einen Sinn hatten: Partisanenbekämpfung, Bekämpfung deutschfeindlicher Personen, etc. pp. Dafür schrieben diese Männer die rührendsten Briefe an ihre Frauen, daß sie eine schwere Pflicht zu erfüllen hätten, die ihnen nicht leicht falle. Und die Frau solle den Sohn herzlichst küssen. Etc. pp. Und wenn sie in die Nähe ihrer Heimat kamen, waren plötzlich sogar die dortigen (gewohnten) Juden das, was sie immer gewesen waren: Die Nachbarn von hier und dort, der Milchlieferant, der Schuster, der Tischler von gegenüber. Und Männer, die noch zwei Tage zuvor fünfhundert Kilometer entfernt jüdische Frauen barbarisch mißhandelt und deren Männer mit dem Spaten erschlagen hatten, gaben den Juden ihrer Heimat die Hand und plauderten mit ihnen, als wäre nie etwas geschehen.
Morgen Teil 2) So einfach ist das alles nicht.
Der Holocaust war die Tat - vieler - Einzeltäter.
*290318*