Teil 4)
Wußte
der Leser, daß es etwa in Polen die brutalsten Judenverfolgungen gab?
Oh ja, die Polen sind Weltmeister in den Vergangenheitsbeschönigungen.
Grotesk und voller Widersprüche, was der VdZ da von Polen schon gehört
hat, er kennt kein europäisches Volk, das ein derart unaufgearbeitetes
Verhältnis zu seiner Vergangenheit - und damit zu seiner Gegenwart -
hat. Aber dieses Thema ist lückenlos belegbar: In Polen gab es schon
lange vor Hitler den härtesten Antisemitismus am Kontinent. Warum sonst
glaubt der Leser haben schon in den frühen 1920er Jahren sämtliche
amerikanische Zeitungen von drohenden "Sechs Millionen" (eine magische Zahl,
die heute bei uns gewissermaßen dogmatisiert ist) drohenden jüdischen Toten
in diesem geographischen Raum geschrieben!? Warum kam es genau damals
und genau dort zur Massenauswanderung nach West-Amerika? Hollywood läßt
grüßen, übrigens.
Zu
einer Judenverfolgung im heute verstandenen Sinn wurde der deutsche
Anti-Judaismus erst im Laufe der Jahre unter Hitler.
Er war zuerst (und europaweit) ein politisches Argument, das sich auf die
revolutionäre
Grundgesinnung des Judentums als Welthaltung bezieht. Und wie er sich im
Kommunismus (85 Prozent der kommunistischen Revolutionäre waren jüdisch)
exemplarisch bewiesen hatte. (Wir leben heute ja gar nicht im Marxismus,
übrigens: auch Marx war ein Jude. Sondern wir leben im Trotzkiismus,
der permanenten Revolution. Auch Trotzki (aka Bronstein) war Sohn einer (wohlhabenden) jüdischen Familie.
Die
Dummheit der nationalsozialistischen Strömungen (denn eine
geschlossene, in sich widerspruchsfreie, durchentwickelte Ideologie war
er nie) ist vielmehr im Rahmen jeder Verdummung und Fragmentarisierung,
weil Instrumentalisierung von Geist durch Ideologie gesehen werden. Und
soll deshalb hier gar nicht
noch einmal abgehandelt werden, das ist bereits oft genug geschehen. Wir
sollten aber nicht den Fehler machen, die Nachkriegspropaganda, die
"alles
erklärte" (und dabei nur die Erzählung festlegte, die fortan zu gelten
habe) kritiklos hinnehmen. Die
auch eine "nationalsozialistische Ideologie" quasi "schuf". Dabei aber
vor allem etwas ganz anderes rechtfertigte und Narrative
installierte.
Selbst die SS-Einheiten an der Front - wenn also schon: gut, die SS war
ideologisch mehr geformt - waren nicht bekannt, ja berühmt-gefürchtet,
weil sie so barbarisch waren, sondern weil sie von einem fanatischen,
absolut gesetzten Dienstwillen geprägt und damit harte Gegner an der
Front waren, die das eigene Leben jederzeit opferten. Sie hatten deshalb
auch überdurchschnittlich, ja katastrophal hohe Verlustraten, weil sie oft Charisma vor Fähigkeit setzten.
Wo
es dieses Ehren-Maß überschritt, in Barbarismus ausartete, war es
gleichermaßen nicht Teil der NS-Ideologie, sondern stand im Rahmen eines
sich gewissermaßen verselbständigenden Automatismus, zu dem sich das
"System SS" (der ehemalige KZ-Häftling Eugen Kogon ist in seinen Beschreibungen hier sehr lesenswert)
entwickelte. Bis hin zu Geldgewinnungsmethoden aus den Rückständen von
Toten, den berühmten Goldzähnen also. Und natürlich dem Handel mit der
Industrie, der zum Sklavenhandel wurde, aus dem sich die SS finanzierte
und damit zum Staat innerhalb des Staates wurde.
Aber was soll man davon denken, daß mit die schlimmsten Gewalttäter ... Häftlinge selbst waren? Über das Kapo-System geschahen die brutalsten Verbrechen, das wird oft und oft von Augenzeugen berichtet. Es waren inhaftierte Ukrainer, "Untermenschen", die in Bergen-Belsen massenhaft Juden erschlugen. Es waren inhaftierte Juden-Kapos, die Juden am schlimmsten drangsalierten. Waren die auch ideologisch präpariert? Das Brechen des Kulturellen und damit Humanen im Menschen war kein ideologisches Ziel, es war die Folge subjektiver, immer aber einzelner Schuld.
Die
KZs waren eben ein Raum, in dem jede Einzelfall-Täterschaft ohne
Konsequenzen blieb, ja in der Hierarchieleiter (die aus Personen
besteht, also: aus einzelnen Menschen) genau darauf zählte - totale,
unberechenbare Macht des Einzelnen! - und das war ihr Geheimnis des
Schreckens: Genau der Umstand, daß es KEINE allgemeine Richtlinie gab,
die berechenbar gewesen wäre. Viele relevante Zeugenberichte beschreiben
genau das. Es gab auch keine Richtlinien des Schreckens. Es war alles
unberechenbar, das war das Furchtbarste daran. Weil die KZ-Häftlinge der
subjektiven, persönlichen Willkür der Einzeltäter ausgeliefert, und zwar
total ausgeliefert waren.
Und
also war der sogenannte Holocaust tatsächlich immer ein Einzelfall.
Zumindest - auch. Ihn einer Ideologie zuzuschreiben hat ganz andere
Gründe und ist Teil einer Legende, die nach dem Krieg - vor allem im Zuge
der Gewaltherrschaft und über Umerziehung der Deutschen - etabliert
wurde.
*290318*