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Sonntag, 3. April 2011

Die Schachtel in der Schachtel

Was eine "blackbox" ist? Es ist ein Baustein unbekannten Inhalts, der in Theorien dort eingesetzt wird, wo die Theorie an sich ein Loch aufweisen würde, von dem man aber annimmt, es irgendwann einmal lösen zu können. Das Leben mit solchen blackboxes ist ja längst zu einem Grundhabitus geworden - und zwar in dem Maß, als "rationalistische" Weltanschauungen um sich griffen, die ja gar nicht so rational sind, wie sie tun, ja zum Gegenteil: die heute so weit verbreiteten Weltanschauungen - im wesentlichen sind es solche des Materialismus, des Mechanismus, des (meist: immanenten, unausgesprochenenen oder sogar auszusprechen vermiedenen, aber wesenhaften) Nihilismus - bauen auf regelrechten Schachtelgerüsten auf, wo eine angenommene Hypothese eine nächste stützt und ersetzt, sodaß unser (in der Selbstaussage) aufgelärtes Zeitalter in Wahrheit ein Zeitalter des Aberglaubens per excellence ist. In dem unsere Weltanschauungen mehr und mehr zu bloßen Wunschbildern geworden sind, deren Gefährdung wir immer deutlicher spüren, deren Verteidigung uns deshalb immer mehr zur existentiellen "Notwendigkeit" wird.

Denn unsere Lebensweise zerfällt regelrecht, die von blackbox zu blackbox sprang und springt und Brücken bildet, die abenteuerlich sind - sodaß ohnehin keiner mehr ernsthaft in die Tiefe zu blicken wagt.

Aber die Zeit bringt alles ans Tageslicht, denn die Zeit ist nur möglich aufgrund des Seins, und jede Täuschung ist eine Maskierung des Seins, das wie die Erbse auf noch so vielen aufgeschichteten Materatzen den Prinzessinnenarsch einmal erreicht.

Die Atomkraft, auf der unser Wohlstand, unser Sozialstaat in seinen maßlosen Geldbegierlichkeiten aufgebaut ist, das sollten wir nicht vergessen, war eine solche blackbox, und es war eine blackbox, in der sich weitere blackboxes fanden. Ihr Hauptargument - Wirtschaftlichkeit - ist und war immer eine einzige Lüge. Ja im Gegenteil, einer Kosten-/Nutzen-Rechnung gegenübergestellt ist die Atomkraft überhaupt nicht und niemals bezahlbar! Sie lebt - von blackboxes. Sie lebt davon, daß ihre wirklichen Kosten so gigantisch sind, daß sie nur einem schwarzen Raum überlassen werden können. Kein menschliches Kalkül vermag auch nur annähernd den Gegenwert der gelieferten Energie zu bemessen.

In Details wird das bei Unfällen sichtbar - wer wollte Fukushima bewerten? wer will den Verlust ganzer Landschaften wie in Tschernobyl bewerten? wer verseuchte Meere und die Tiefsee (ein beliebtes Atom-Endlager, übrigens), wer auf hunderttausende Jahre zu meidende Gegenden, in der nie ausgesprochenen Hoffnung, daß nie große tektonische Bewegungen diese Zeitbomben mitten in unser Leben schleudern? mit einer überhaupt nicht absehbaren Fülle von blackboxes noch dazu ...

Es zahlt die Allgemeinheit, was sie gar nicht mehr zahlen kann, sie zahlt in Geldern, die aufzutreiben sie in überhaupt nicht mehr bewältigbare Lebenslagen brachte und bringt, wie der Crash des Finanzsystems zeigte, das ja nur von einer blackbox in die nächste (noch größere) gehievt werden, nie real aufgelöst werden kann.

Und sie zahlt auch die Kosten für den Abbau der Atomanlagen. Die, wie die FAZ berichtet, gigantisch, wirklich gigantisch sind. Die Rede ist von Milliarden und Abermilliarden, die der Rückbau eines Atomkraftwerkes benötigt. Das, wie die FAZ schreibt, in 4 Jahren aufgebaut wurde, 22 Jahre lief und einen Dampfgenerator betrieb, 2 Jahre stillgelegt war, und dann in weiteren 18 Jahren wieder abgebaut werden muß. Unter Zurücklassung von 5000 Tonnen radioaktivem Müll, davon 40.000 m3 hochaktiv. Zum Vergleich: das sind rund 300 Jumbo-LKW-Züge. Die ihn auf eine Lagerstätte verbringen sollen. Vorausgesetzt, es gibt eine. Vorausgesetzt, es kommt wie - blackbox in der blackbox in der blackbox ... - projektiert im Jahre 2030 zur Eröffnung der ersten (!) Endlagerstätte. Denn bislang gibt es keine solche, nicht zumindest in Europa, nicht in Deutschland.

Nimmt man alle noch stehenden Anlagen (in Deutschland) zusammen, wären für den Rückbau im sehr günstigen Fall zwischen 40 und 60 Milliarden Euro aufzubringen, davon der größere Teil von der Energiewirtschaft (also von der Allgemeinheit, von wem sonst hätte es die Energiewirtschaft; Anm.) selbst. Dazu kommen die Kosten der Endlagerung, die der Wissenschaftler Schmidt vom Öko-Institut bei einer oberen Preisspanne mit 15 Milliarden Euro ansetzt – (nur) für den hochradioaktiven Müll. „Wenn wir allerdings keine gesellschaftliche Einigung in dieser Frage erreichen, dann kommen noch fünf Milliarden dazu.“

Aber das ist ja nur eine der zahllosen blackboxes, mit denen wir leben, und in die wir lieber nicht hineinsehen wollen. Wo uns die Teilnahme an der Hierarchie mit Amt, Siegel und akademischem Grad bestätigt, daß alles schon stimmt, auch wenn wir es nicht durchschauen. Und wir bestätigen es weiter, und weiter, und weiter, reichen blackbox um blackbox weiter ... Und da sind u. a. die Gründe dafür:

Bei Schmidts geschätzten 70 Milliarden Euro (an Gesamtabbaukosten; Anm.) fehlen aber die Opportunitätskosten, also alles, was Wirtschaft und Gesellschaft an Einnahmen durch den Ausstieg entgeht. Nicht nur hätte die Laufzeitenverlängerung dem Steuerzahler 2,3 Milliarden Euro je Jahr eingebracht, auch hätte die Atomwirtschaft einen Fonds für erneuerbare Energien finanzieren müssen. Volkswirtschaftlich drohen noch viel höhere Verluste: In der Energieprognose 2009 für die Bundesregierung hieß es, dass das Bruttoinlandsprodukt bei einer Laufzeitverlängerung von acht Jahren 2020 um 0,6 und 2030 um 0,9 Prozent höher wäre. Über die Jahre aufaddiert entspräche das einem Betrag von weit über 100 Milliarden Euro.

Wir brauchen aber Wirtschaftswachstum, um die vorhandenen und noch mehr die zusätzlichen Schulden, die den Zusammenbruch unserer Systeme verhindern sollten, zu bezahlen. Das geht nur über höheres und noch höheres Wirtschaftswachstum, weil nur so die Kredite der Öffentlichkeit glaubwürdig bleiben, die das alles "decken" ("bezahlen") müssen. Von "vorhandenem" Geld (dem 1:1 gegenwärtige, erbrachte Leistung gegenübersteht) spricht bei unseren Volkswirtschaften ohnehin keiner mehr. Dafür steigt die direkte wie indirekte (blackbox!) Staatsquote ins Uferlose. Längst generiert "der Staat" in Österreich 60 Prozent des "Bruttoinlandsprodukts". Miteingerechnet natürlich jene, die diesen Schulden- und Ausgabenwahnsinn verwalten, denn auch sie erbringen Leistung ... und damit das nicht gleich jemand merkt, verstecken wir es in einer blackbox.

Selbst über einen "Atomausstieg" sprechen wir ja, ohne noch einen Funken von Ahnung zu haben, wie wir diese riesigen Energiemengen, die wir genötigen, und diese Menge wird noch mehr, nicht weniger - man sehe sich nur die Hochrechnungen an, die den Umstieg der KFZ-Industrie auf Elektroantrieb in seinen Auswirkungen beziffern - und keiner weiß, wie diese Energiemengen produziert werden sollen! Nicht einmal, wenn man unsere gesamten Landschaften mit (primitiven) Solarzellen und Windrädern zupflastert und unseren gesamten Lebensraum "dem Lebensspender Energie weiht" (kommt einem das nicht auch bekannt vor? wird nicht heute oft auf die Frage nach Gott gesagt, er sei "irgendeine Energie"?) und zerstört. 

DARAUF baut unser Leben. Darauf baut unser Wohlstand. Auf abgrundtiefer Verantwortungslosigkeit. Im Aberglauben, irgendetwas würde irgendjemandem schon einfallen. Etwas, das uns nicht einfällt. Etwas von dem, von dem wir einmal sagen: ach, das wußten wir doch nicht! Das haben wir doch alle nicht gewußt! Geahnt, vielleicht, da und dort, und ab und zu ist etwas durchgedrungen, aber das hat man lieber gleich verdrängt. Das haben ja alle so gemacht! Und: was hätten wir denn tun sollen?!

Kommt einem das nicht bekannt vor?

Ach ja, da gab es doch etwas wie eine Macht, über die wir zwar auch nichts sagen können, die wir uns nicht erklären können, ja die überhaupt nicht logisch und vernünftig ist (keines der vorgeblichen, aber unbedingt anzunehmenden Prinzipien einer Selektion oder Entwicklung kann bisher auch nur annähernd aus der Forschung heraus bestätigt werden, ohne in einer Fülle von Widersprüchen zu ersticken - das Prinzip unserer heutigen Weltanschauungen ist eine blackbox!), aber die so schön wäre, in diesem Fall, weil sie uns aller Verantwortung entheben könnte. Denn wie sagt der Universum-Sprecher so schön? "Hier hat die Evolution in Millionen von Jahren ..."

Gott, der Ursprung von allem, über den man reden kann, der zumindest in seinen Eigenschaften erkennbar ist, wurde durch eine blackbox verdrängt, über die man nicht reden kann, deren Inhalt nicht erkennbar ist. Aber das - mit Grund.

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