Nun gibt es natürlich keinen fruchtbareren Boden für Massenbewegungen als entwurzelte Gesellschaften, Gesellschaften, Staaten, die ihre ursprünglich tragfähigen lokalen Sozietäten verloren haben. Wie es bei der Verstädterung der Fall ist. Wie es der Fall ist in Gesellschaften, die "flexibel" sind, wo kaum jemand Bezug zu Boden und Heimat hat. Die die Scheidung begünstigt, die Autorität der Eltern untergräbt, die Solidargemeinschaft Familie auflöst, indem sie übergeordnete Verteilmechanismen und -abhängigkeiten schafft, die jede Ordnungseinheit, jeden früher intakten Organismus unter dem Staat bedeutungslos, ja gefährlich macht. Die die letzten Reste von Autarkie - in der Landwirtschaft - beseitigt. Wo alle "mobil" sind.
So schreibt es Eric Hoffer in "Der Fanatiker", und er führt die Historie zum Beweis an, die 1920er, 1930er Jahre. Und man darf es ruhig wagen, die Linie zu verlängern: in die 1990er, 2000er Jahre, hier, bei uns. Hoffer beschreibt, was wir heute beobachten können. In unseren Staaten, in der EU.
Solchen Menschen bleiben nur noch "immaterielle" Identifikationsebenen, ihnen bleiben nur noch Ideologien und Weltanschauungen. Die natürlich heute ein ganz anderes Gesicht haben. Sie heißen heute nicht mehr "NSDAP" oder "KP". Sie sind das, was man heute "political correctness" nennt, sie sind das, was Medien und Universitäten an Schwachsinn implantieren und vertreten - eine geschlossene Decke der Wirklichkeitsverweigerung, die immer aggressiver jeden Andersdenkenden ausgrenzt, weil er zur identitären Gefahr wird.
Und die Organisationen, die Hoffer als Wesensnotwendigkeit beschreibt, um all diese Enttäuschten zu integrieren? Die Menschen heute lehnen doch Parteien und Kirchen ab? Die normalerweise allen Schutz und Platz boten? Die Totalitarismen der Gegenwart haben nicht einfach Unterorganisationen gegründet, nein. Sie haben sich gleich die Staaten selbst gekrallt, und zu Futterautomaten umgebaut: wer brav ist, wird eingebaut in den staatlichen Versorgungsapparat. Mit einer auf ewig festzementierten Ordnung, die sogar Freiheit garantiert. Und Moral. Vorausgesetzt, sie gefährdet die Ordnung der Futterverteilung nicht.
Wie das geschieht? Indem der Staat mehr und mehr alle Bereiche des sozialen Lebens an sich zieht. Die Vorgänge in seinen Grenzen nicht einfach beobachtet, ja sich diesen widmet, sondern - gestaltet, sich anmaßt zu gestalten, sei es eher genannt. Dadurch wird jeder Aspekt der öffentlichen Ordnung und Hierarchien staatlich-politisch geprägt und prägbar. Wer den jeweiligen Machhabern nicht genehm ist, kann jederzeit aus dem System ausgeschieden werden, das seine Identitäten vergibt - oder entzieht.
Es braucht also ein geschlossenes, sehr festes System der Belohnung, das
jedem verspricht, seine Anerkennung zu erhalten, wenn er sich nur fügt, wenn er mit dabei ist, in der Ideengemeinschaft.
Mit freiem Zugang für alle zu allen Ebenen "oben", zu jedem Beruf, unabhängig von Talent und Begabung, im Namen der "Moral": wo das entscheidende Erfolgskriterium im Dienst an der Organisation liegt, nicht in der individuellen Leistung, nicht am persönlichen Schicksal.
Dazu ist auch ein ausgesprochener "Promi-Kult" notwendig - Anerkennung, losgelöst von Leistung, gekoppelt an reine Aufmerksamkeitsmechanismen (die ihrem Wesen nach so sind, daß sie dem echten Ruhm sogar widersprechen, dessen Anerkennung zufällig machen, wertlos weil gleichrangig bloßer Präsenz), als die
Karotte, die allen vor der Nase hängt, der alle nachstürzen. Damit lassen sich sogar gewisse Unzufriedenheits-Randschichten leicht integrieren - wie Künstler, wie Einwanderer, wie Heranwachsende, wie Studenten, die nur "Kurzzeitunzufriedene" sind, solange sie eben ihren Platz nicht gefunden haben. (Also her mit den Vorzeigetürken im Fernsehen!)
Morgen 2. Teil) Die Risikogruppen des Fanatismus
*040411*