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Freitag, 3. August 2018

Ideologie als Reaktion der Scham (2)

Teil 2)



Im Gegensatz dazu meint Peterson aber, daß die Vorgänge in unserer Welt, die Gründe für Leiden immer sehr komplex sind, und es ist nie einfach, sie zu differenzieren. Das entspricht der Empirie. Man muß deshalb auf eine gewisse Weise "dumm" und "spezifisch motiviert" sein um zu glauben, alles auf eine Erklärung zurückführen zu können. Sich gar nicht dafür zu interessieren, worum es genau im Einzelfall geht. Aber das ist eben eines der Wesensmerkmale von Ideologie, daß sie nur monokausal denken. 

Man sieht es in Psychopathologien sehr genau, wo Leute besessen davon sind, alles auf eine Ursache zurückzuführen, von deren Idee man eben besessen ist. Etwa bei Eßstörungen, wo die Menschen zusammenfallen auf eine monomanische Vorstellung von gut und böse, schön oder häßlich. Ideologien haben also unübersehbare Parallelen zu Psychopathologien.

Wie beim Marxismus, der auf ein bestimmtes Schema fixiert ist, das genau definiert, wer Opfer und wer Täter ist. Er überzieht alles mit dieser Denkprämisse, diesem Vorurteil. Es ist, sagt Peterson, frappierend, wenn er mit Studienabsolventen aus Yale konfrontiert wird, die für alles und jeden, heute wie in der gesamten Menschheitsgeschichte, diese eine und einzige Weltformel haben, die alles erklären soll. Und das wuchert dann zur Erklärung aus, warum es Menschen gibt, die "besser" sind als man selbst. Wenn jemand intelligenter, leistungsfähiger ist, dann kann das nur seinen Grund darin haben, daß er (und/oder seine Vorfahren) Nutznießer der Unterdrückungsmechanismen ist. Der sein Selbstsein nur deshalb verteidigt, weil er ungerechtfertigte Macht aus Überlegenheit daraus bezieht.

Damit wird auch das Alter zur sozialen Ungerechtigkeit, denn im Normalfall haben ältere Menschen mehr Geld als junge. Sie können sich also das Leid aus der Welt schaffen. Dem stellt Peterson die Tatsache gegenüber, daß sich von der Psychologie her aussagen läßt, daß Geld nur in sehr begrenztem Ausmaß glücklicher macht. Wenn die Grundbedürfnisse gedeckt sind, kann Geld kaum noch etwas zum Glück beitragen. 

Das ignoriert der Marxist. Denn er ist einerseits materialistisch, anderseits sieht er den Feind im Kapitalismus. Der ihn davon abhält, glücklich zu sein. Geld wird also zum Schlüssel für Glück. Der Marxismus ist damit seltsamerweise mehr davon überzeugt, daß Geld glücklich macht, als die meisten Kapitalisten. Marxisten glauben tatsächlich, daß Geld die Lösung für alle Lebensprobleme ist. Es geht für sie nur darum, daß es die falschen Leute haben. Das ist zum Mindesten recht naiv. Denn die meisten Lebensprobleme, das meiste, worunter die Menschen leiden, kann Geld überhaupt nicht lösen, ja im Gegenteil, Geld macht viele Probleme noch schlimmer.

Dabei hält Peterson es für notwendig, daß es linke Parteien gibt, die dem Arbeiter eine politische Stimme geben. Das geht heute nämlich sogar unter, die etablierten - vor allem die ehedem linken - Parteien spüren das am meisten, die mittlerweile alle nur noch "Identitätspolitik" betreiben. Und das ist eine politische Katastrophe. Nicht zuletzt für sie selbst. Seiner Erfahrung nach sind den heutigen Mittelklasse-Politikern die Armen völlig gleichgültig. Sie hassen nur die Reichen. 

Eine Motivation der Gutherzigkeit ist kaum wo vorhanden, und das liegt im Wesen dieser Ideologie, wie die "Paradiese der Werktätigen" gezeigt haben. Es ist eben einfacher, jemanden zu hassen und sich davon motivieren zu lassen, als ein gutes Herz zu zeigen und positive politische Arbeit zu leisten und etwas Positives aufzubauen. Gulags sind eben nicht aus Gutherzigkeit entstanden, sondern aus Haß. Und die ideologischen Werke sind nur noch Rechtfertigungen eben dieses Hasses. Offensichtlich aber sind himmelhohe Gebirge von Leichen nicht genug Evidenz für die Pathologie dieser Ideologie.

Die Psychopathologie einiger wurde zur Destruktion aller

Der Postmodernismus hat vor allem zwei Architekten, Michel Foucault und Jacques Derrida. Sie waren Marxisten selbst zu einem Zeitpunkt, wo sich sogar ein Jean-Paul Sartre vom Kommunismus aufgrund der historischen Früchte abgewandt hat, die damals immer öffentlicher wurden. Wo längst klar war, daß die Sowjets nicht das Himmelreich, sondern eine Hölle geschaffen hatten, die nach Lenin und Stalin lediglich weniger effizient geworden war. Wo aber die Greuel im Maoistischen China, wo die Kulturrevolution der 1960er gerade hundert Millionen Tote gefordert hatte, publik wurden. 

Die Postmodernisten wußten damit lediglich, daß sie mit dem klassischen Marxismus keinen Blumentopf mehr gewinnen konnten. Sie veränderten also die marxistische Erzählung "reich gegen arm" auf das allgemeinere "Unterdrücker gegen Unterdrückte". Foucault, der immer ein verbitterter, selbstmordgefährdeter Außenseiter war, tat alles um jene Strukturen zu bekämpfen, die ihn nicht anerkennen wollten. Dabei ist es nur zu klar, daß es eine Gesellschaft, die Menschen von der psychischen Struktur eines Foucault anerkennen würde, nicht geben kann. Also arbeitete er an Denkstrukturen, die einerseits den Marxismus neu aufleben ließen, und anderseits eine Rechtfertigung dafür lieferte, daß es nicht sein Problem war, daß er nicht akzeptiert wurde, sondern daß daran alle anderen die Schuld hatten. Und so arbeitete er eine umfassende Theorie aus, die zur Grundlage eines generellen Kampfes der Marginalisierten und Minderheiten gegen die Allgemeinheit und Mehrheit wurde. 

Wenn sich auch Derrida und Foucault haßten und sich gegenseitig der intellektuellen Scharlatanerie bezichtigten (das Einzige, wo beide einmal Recht hatten), war Derridas Denken aus demselben Holz geschnitzt. Derrida sah jede Gesellschaftsmehrheit als Ansammlung rund um einen allgemeinen Kern von Überzeugungen und Vorstellungen, um die sich ein Rand von Dissidenten bildete, die diesen Kategorien nicht entsprachen. Und das muß auch so sein, denn wenn wir es nur mit Kategorien zu tun haben, die alles enthalten, also unendlich komplex sind, kann man sein Leben und Denken gar nicht organisieren. Es braucht also diese Bestimmtheiten im Kern, es braucht etwas das man einschließt und etwas, das man ausschließt, sonst kann eine Gesellschaft gar nicht bestehen, sie zerflösse ständig. 

Wer nicht auszuschließen lernt geht zugrunde, weil er nichts wirklich machen kann und unter Dauerstress steht, der ihn auf Dauer umbringt. Das zeigt sich deutlich bei Schizophrenen, die sich auf kein Kategoriensystem festlegen können, weil ihnen diese Systeme ständig zusammenbrechen. 

Beide Philosophen entwarfen nun also Systeme in denen sie behaupteten, daß diese Exklusivitäten der Mehrheiten nicht in einer begründeten Hierarchie von Werten beruht, sondern - hier zeigt sich der Marxismus wieder - diese Wertehierarchien (die jedes System braucht) sind nur Konstruktionen, die die Machtpositionen absichern sollen. Sie haben also keinen Wert "in sich", sondern lediglich einen bestimmten Nutzen. 

Damit stellten sie jede Hierarchie in Frage. Die es ja überall gibt! Es GIBT Hierarchien der Kompetenz, Hierarchien der Schönheit, Hierarchien der Attraktivität, Hierarchien der athletischen Fähigkeiten, des Talents als Musiker, etc. etc. Das muß auch so sein, weil sonst nichts funktionieren würde, weil nichts ein Ziel der Perfektion hätte. Es braucht für ein Orchester virtuose Klarinettisten, an die sich der Schüler, der gerade ein paar Töne herausbringt, heranarbeiten muß, weil so lange er das nicht kann, er vom Orchester ausgeschlossen bleiben muß - um es als Beispiel zu zeigen. Die Nähe zu diesen Idealen bestimmt also auch die Hierarchie.

Morgen Teil 3)




*210618*